Fünf Fragen nach dem Aus von «Schawinski»

SRF - SRF-Direktorin Nathalie Wappler begründet das Ende von «Schawinski» mit fehlendem Geld. Ausschlaggebend seien andere Gründe, heisst es in den Sonntagszeitungen. Ein Blick in die Kommentare zeigt: Überraschend viele wünschen sich den 74-jährigen Talker zurück.

von Edith Hollenstein

1. Wer wird «Schawinski» vermissen?

In allen grossen Schweizer Sonntagszeitungen sind zum Aus von «Schawinski» Artikel und Kommentare erschienen. Dabei zeigt sich überraschend: Die meisten Kommentatoren kritisieren SRF für die Absetzung. «Schawinski ist mit seinen 74 Jahren immer noch ein Phänomen: hellwach, blitzschnell, scharfsinnig. Aber auch wohltuend unberechenbar. Er machte Fernsehen in über 300 Sendungen noch zum Ereignis. Über seinen Talk sprach die Nation», schreibt TV-Redaktor Peter Padrutt im «Sonntagsblick». Er werde Schawinski vermissen. «Gerade weil wir uns manchmal so schön über ihn aufregen konnten», schreibt Padrutt und liegt damit auf einer ähnlichen Linie wie «persönlich»-Verleger Matthias Ackeret in seinem Kommentar vom Freitag.

Unglücklich mit dem Entscheid ist auch die «Sonntagszeitung»: Dort hat Markus Somm seine wöchentliche Kolumne Schawinski gewidmet: «Gewiss, Schawinski ist kein einfacher Gesprächspartner. Ich spreche aus Erfahrung: Er ist blitzschnell, er ist aggressiv, er stellt Fragen, die sich als vorgezogene Antworten herausstellen.» Doch wer Debatten wolle, komme ohne Standpunkt nicht aus. Auch in dieser Hinsicht unterscheide sich Schawinski «so wohltuend von den so hübsch frisierten Moderatoren, die inzwischen unsere real existierenden Medien bevölkern, deren Wortmeldungen genauso hübsch frisiert sind und die mit Zuckerzungen ein Zuckerprogramm verbreiten, das nicht nährt, sondern Hunger auslöst», schreibt Somm.


2. Warum wurde «Schawinski» abgesetzt?

Die Kommentatoren sind sich in einem weiteren Punkt einig: Sie sehen die Begründung von SRF, es handle sich um eine Sparmassnahme, als Vorwand. Somm schreibt: «Kaum eine Sendung ist billiger und rascher produziert, kaum eine Sendung erregte mit weniger Aufwand so viel Aufmerksamkeit. Mit anderen Worten, was SRF offiziell verlautbaren liess, hat mehr mit einer nordkoreanischen Informationspolitik zu tun als mit der Wahrheit – und gerade die eigenen Journalisten würden sich nie damit zufriedengeben, wenn etwa die UBS oder die Novartis so kommunizierte. Es wirkt unehrlich und unplausibel», schreibt Markus Somm in der «Sonntagszeitung». Genauso sieht es der «Sonntagsblick»-Kommentator: «Natürlich ist das ein Witz, eine Schutzbehauptung: 15'000 Franken kostete seine Sendung nur. Man könnte anderswo sparen: beim Comedy-Murks am Sonntagabend zum Beispiel, der Millionen verschlingt».

Mehr Details und Hintergründe kennt die «NZZ am Sonntag». Direktorin Nathalie Wappler sei kein Fan der Talkshow, das sei ein «offenes Geheimnis». Auch andere SRF-Kadermitarbeiter seien der Meinung, dass sich die Sendung, die seit 2011 ausgestrahlt wird, überlebt habe. Laut Francesco Benini von der «NZZ am Sonntag» wirft Leutschenbach Schawinski vor, dass seine Talkshow zu wenig ergiebig sei. «Schawinski» habe im ersten Halbjahr 2019 im Durchschnitt 79'000 Zuschauer erreicht; der Marktanteil liegt bei tiefen 12,5 Prozent.


3. Wird «Schawinski» ersetzt?

Ebenfalls in der «NZZ am Sonntag» ist zu lesen, dass SRF auf eine Nachfolge von Schawinski verzichte. «Ob es in Zukunft einen neuen politischen Talk geben wird, ist offen», so SRF-Sprecherin Andrea Wenger. Sie weist darauf hin, dass das Schweizer Fernsehen mit der «Arena» und dem «Rundschau Talk» weiterhin politische Talksendungen im Programm habe.

Sollte das Schweizer Fernsehen einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin suchen, sei das ein schwieriges Unterfangen. «Wenn SRF unter dem Eindruck steht, Schawinksi ersetzen zu können, ist das bemerkenswert. Denn Schawinksi habe nie irgendjemanden geschont: Ob Gegner oder Freund, vor Schawinskis Skalpell waren alle gleich», schreibt Somm.

Der Sobli erwartet nicht, dass Schawinski ersetzt wird. «SRF hat keine richtige Talkshow mehr im Programm. Die Zeit der alten weissen Männer ist vorbei. An ihre Stelle treten geschliffene, moderate Gesichter. Austauschbar, aber verlässlich. Tschüss Schawinski, hallo Gähnfernsehen», schreibt Padrutt.

 




4. Wann kommt die letzte Sendung?

Anfang Jahr oder sonst im Frühling 2020. So schreibt es SRF in der Mitteilung über das Aus vom Freitag. Der Grund für den unbestimmten Zeitpunkt liege auch in den künftigen Berufsplänen des Medienunternehmers. Wann auch immer definitiv Schluss ist: Roger Schawinski macht sich jedenfalls bereits Gedanken über den allerletzten Gast, wie er am Freitagmittag im Interview mit persoenlich.com erklärte: «Daran studiere ich tatsächlich schon herum, habe aber noch keine optimale Lösung gefunden».



5. Was macht Schawinski stattdessen? Was für berufliche Pläne hat er?

Ob er per Anfang Jahr oder erst im Frühling 2020 aufhört, sei deshalb unklar, weil Schawinski «ein Engagement an einer Universität in Aussicht habe, möglicherweise in den USA», schreibt die «NZZ am Sonntag». Wie Autor Benini weiss, hätte Schawinski dies gerne zugleich mit der Absetzung seiner Sendung kommuniziert. Aber einige Medien, darunter offenbar der «Sonntagsblick», wie der Sobli selber schreibt, hätten Wind davon bekommen, so dass SRF die Neuigkeit nicht länger zurückhielt, sondern sie am Freitag als Mitteilung veröffentlichte.

Hierzu recherchierte die «Sonntagszeitung» Hintergründe. Das Vorgehen sei mit SRF-Direk­torin Nathalie Wappler persönlich abgegesprochen gewesen – und zwar bereits im Mai bei einem gemeinsamen Treffen. Die TV-Direktorin habe Schawinski dabei eröffnet, dass das SRF seinen Vertrag, der jährlich erneuert werden musste, nicht mehr verlängern werde.