20.09.2023

20 Minuten

Gericht stoppt Verbreitung von Greenpeace-Wahlzeitung

Mit einer Wahlzeitung, die aussieht wie die Pendlerzeitung der TX Group, will die Umweltschutz-NGO Stimmberechtigte zum Wählen motivieren. 20 Minuten konnte die weitere Verbreitung gerichtlich verbieten lassen, nicht aber einen Massenversand.
20 Minuten: Gericht stoppt Verbreitung von Greenpeace-Wahlzeitung
Die Wahlzeitung von Greenpeace in den 20-Minuten-Verteilboxen. (Bild: zVg)

Wer am Dienstagmorgen in Zürich oder Lausanne ein Exemplar von 20 Minuten, respektive 20 Minutes, aus der Verteilbox nahm, hielt nicht die Zeitung in den Händen, die er oder sie erwartet hatte. Aktivistinnen und Aktivisten von Greenpeace hatten nämlich in den beiden Städten frühmorgens einzelne Boxen mit insgesamt 30’000 Exemplaren einer Wahlzeitung mit dem Titel «22. Oktober» bestückt, die dem Original nachempfunden wurde.

«Mutwillig getäuscht und manipuliert»

Es dauerte nicht lange, bis 20 Minuten reagierte. Man verurteile diese Aktion aufs Schärfste, schrieb die Zeitung in eigener Sache. «Unsere Leserinnen und Leser wurden mit dieser Aktion mutwillig getäuscht und manipuliert. 20 Minuten ist politisch neutral und publizistisch unabhängig», wird CEO Bernhard Brechbühl in auf 20min.ch zitiert. Die Verwendung des abgeänderten 20-Minuten-Logos und -Designs verletze das Marken- und Wettbewerbsrecht. Zudem sei das Vertriebsnetz missbraucht worden.

Im Laufe des Dienstags konnte 20 Minuten ein gerichtliches Verbot für die weitere Distribution der Greenpeace-Zeitung erwirken. «Wir haben am Zürcher Handelsgericht ein Gesuch eingereicht. Dieses wurde vollumfänglich gutgeheissen», teilt Eliane Loum-Gräser, Leiterin Kommunikation 20 Minuten, am Dienstagabend mit. Damit wird Greenpeace nicht nur die weitere Verbreitung der Zeitung, sondern auch die Verwendung des nachgeahmten 20-Minuten-Logos untersagt. Hält sich Greenpeace nicht an das Verbot, droht eine Busse von bis zu 10’000 Franken. Der Postversand von 420’000 Exemplaren der Wahlzeitung konnte mit dem Gerichtsentscheid nicht mehr gestoppt werden. Vom Verbreitungsverbot sind lediglich die paar tausend Exemplare betroffen, welche die Organisation an Freunde und Follower verteilen wollte.

Von «50 Jahre» bis «30 Minuten»

20 Minuten sieht sich immer wieder damit konfrontiert, dass Dritte das Layout für eigene Zwecke adaptieren. Solche Ausgaben heissen dann «50 Jahre» oder «30 Minuten». Nicht immer geht die Pendlerzeitung gerichtlich gegen die Plagiate vor. In der Vergangenheit verlangte das Medienunternehmen auch schon mal nur einen schriftlichen Verzicht, womit sich die «Fälscher» verpflichten, auf eine weitere Nutzung des Logos und des Layouts zu verzichten. Der Gang vor Gericht, wie im vorliegenden Fall, wurde zuerst lediglich angedroht.

Greenpeace zeigt sich deshalb «doch etwas überrascht von der heftigen Reaktion», wie Daniel Hitzig, Sprecher der NGO, im Gespräch mit persoenlich.com sagt. «Letztlich mussten wir damit rechnen, ausgeschlossen haben wir diese Reaktion nicht. Wir haben eine Güterabwägung vorgenommen und es dann im Interesse des Kampfs gegen den Klimawandel eben riskiert», so Hitzig weiter.

Hingegen verwahrt sich Greenpeace gegen den Vorwurf, man habe die Leserinnen und Leser in die Irre geführt. «Dass die TX Group unsere Wahlzeitung als ‹Fake› darstellt, ist bedenklich. Wir behaupten nichts, das nicht stimmt, im Gegenteil, wir legen höchsten Wert auf hundertprozentig korrekte Sachverhalte», sagt Hitzig.

«So rettet der Donut unsere Welt»

Diese Sachverhalten stehen unter Schlagzeilen, die sich an der Tonalität des Originals orientieren, etwa der Aufmacher mit dme Titel: «Ferien am Strand – wie lange noch?» Oder auch die Zeile «So rettet der Donut unsere Welt» könnte aus dem richtigen 20 Minuten stammen. In den Artikeln stehen bekannte und weniger bekannte, sowie wissenschaftlich gesicherte Fakten und Zusammenhänge zum Klimawandel. (Beim Donut handelt es sich übrigens nicht um ein Gebäck, sondern um eine zeichnerische Darstellung, die aufzeigen soll, wo die Grenze liegt, in der unsere Wirtschaft tatsächlich unserem Wohlergehen dient.)

Für die Wahlzeitung konnte Greenpeace zudem verschiedene bekannte Autorinnen und Autoren gewinnen. So haben Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger, Kolumnistin Michèle Roten, Schriftsteller Thomas Meyer oder Komiker Michael Elsener je einen Beitrag beigesteuert.

Nichtwähler an die Urne bewegen

Um die Wahlen vom 22. Oktober geht es in den Texten nur insofern, als dass mehrfach dazu aufgerufen wird, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen und ein klimabewusstes Parlament zu wählen. Als politisch unabhängige Organisation verzichtet Greenpeace jedoch darauf, einzelne Parteien oder Personen zur Wahl zu empfehlen (persoenlich.com berichtete). «Wir möchten umweltbewusste Menschen erreichen, die bisher noch nie oder nur selten gewählt haben und sie von der Wichtigkeit der Parlamentswahlen überzeugen», wird Projektleiter Nathan Solothurnmann in einer Medienmitteilung zitiert.

Der Rummel, der mit dem gerichtlichen Verbot nun entstanden ist, verschafft Greenpeace zusätzliche Öffentlichkeit. «Ein Teil der Berichterstattung über unsere Wahlzeitung erfolgte erst aufgrund des Verbots», sagt Daniel Hitzig, Mediensprecher der NGO. «Ausserdem können wird die Texte in einem anderen Layout für unsere Aufklärungsarbeit zum Klimawandel weiterverwenden.»


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KOMMENTARE

Priska Ziegler
20.09.2023 13:08 Uhr
Als Kommunikationsprofi habe ich mich vom visuellen Auftritt auch «überzeugen» lassen und habe die Zeitung angeschaut und einige Artikel gelesen. Erst mit der Zeit wurde mir bewusst, dass es sich kaum um eine Ausgabe von 20-Minuten handeln kann. Greenpeace kann ich nur zu dieser Wahlzeitung gratulieren. Hoffentlich gehen nun mehr (junge) Wähler:innen an die Urne.
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