Hörer verloren, ohne Hörer zu verlieren

Radio SRF Virus - Der SRG-Jugendsender hat im zweiten Halbjahr 2019 nur noch halb so viele Hörer wie im Vorjahr. Schuld daran ist eine neue Messmethode. Der Marktanteil von Radio SRF Virus hat sich derweil kaum verändert.

von Christian Beck

Da haben sich beim Blick auf die neusten Radio-Nutzungszahlen einige die Augen gerieben: Radio SRF Virus erreichte im zweiten Halbjahr 2019 täglich rund 29'000 Hörerinnen und Hörer. In der Vergleichsperiode 2018 waren es noch über 62'000 (alle Zahlen von Montag bis Sonntag). «Warum ist die Nutzung von Radio SRF Virus dermassen stark eingebrochen?», fragte sich auch Medienjournalist Nick Lüthi auf Twitter. SRF antwortete ihm, dass die Reichweiten von Radio SRF Virus aus den Jahren 2018 und 2019 nicht direkt miteinander vergleichbar seien. «Dies hängt damit zusammen, dass die Mediapulse AG das Messsystem nochmals verfeinert hat. Dadurch gibt es weniger Fehlzuordnungen bei kurzen gemeinsamen Ausstrahlungen, beispielsweise Nachrichten, was einen direkten Einfluss auf die Reichweite hat. Eine solche Veränderung fällt bei kleineren Sendern stärker ins Gewicht als bei grösseren», so SRF auf Twitter (persoenlich.com berichtete)

persoenlich.com hat bei Mediapulse nachgefragt. Auch bei den Forschern heisst es: «Aufgrund der Veränderung am Forschungsdesign dürfen die Werte streng genommen nicht verglichen werden», so Richard Blatter, Senior Partner Relations Manager bei Mediapulse. Zentral sei aber zu beachten, dass zwar die Reichweite betroffen sei, der Marktanteil sich aber kaum verändert habe. Ähnlich das Statement von SRF: «Die Nutzung von Radio SRF Virus hat sich über die letzten Jahre kaum verändert, der Marktanteil ist praktisch stabil geblieben», so SRF-Sprecher Andrea Di Meo gegenüber persoenlich.com.

In Zahlen: Der Marktanteil von Radio SRF Virus sank von 0,25 auf neu 0,2 Prozent.

Unschärfen wegen geteilten News

Eingeführt wurde die Systemanpassung bereits am 1. Januar 2019. Dies hatte folglich auch schon Auswirkungen auf die Zahlen des ersten Semesters 2019. Auch damals sank die Reichweite von knapp 65'000 im ersten Semester 2018 auf neu etwas über 25'000, der Marktanteil von 0,27 auf 0,2 Prozent. «Notwendig wurde diese Verbesserung durch die Zunahme der Übernahmen der SRG-Nachrichten durch verschiedene Kleinstsender, weil beim Teilen von Inhalten in dieser Konstellation kleinste Unschärfen in der Zuteilung der Nutzung durch das Messsystem bereits gewichtigen Einfluss auf die gemessenen Nutzungszahlen der beteiligten Kleinstsender haben», erklärt Blatter von Mediapulse. Sprich: Schon länger wurden Radio SRF Virus fälschlicherweise Hörer zugewiesen. Oder in anderen Worten: Die Hörer, die der Sender nun «verliert», waren gar nie da.

Die Verbesserung des Messsystems reduziere solche Unschärfen auf ein Minimum, sodass auch die Nutzung der betroffenen Kleinstsender valide abgebildet werden könne, heisst es bei Mediapulse weiter. SRF Virus befinde sich innerhalb der SRG in einer ähnlichen Konstellation: Virus teile sich die News mit nutzungsstarken Programmen – und sei deshalb auch von dieser Anpassung betroffen. «Eine Anpassung des Messsystems bringt immer das Dilemma mit sich, dass man das System verbessern möchte – ja eigentlich muss –, aber damit die Vergleichbarkeit der Zahlen nicht mehr gegeben ist», so Blatter weiter.

Für alle anderen Sender, welche sich nicht einer derartigen Ausstrahlungskonstellation befinden würden, habe die Anpassung keine bedeutsame Auswirkung gehabt. «Die Differenz der Reichweite von Energy Zürich zwischen dem zweiten Semester 2018 und dem zweiten Semester 2019 kann also nicht auf die Anpassung des Messsystems zurückgeführt werden», so Blatter. Energy Zürich musste innerhalb eines Jahres einen Verlust von 33'000 Hörerinnen und Hörern hinnehmen (persoenlich.com berichtete).

Orientierung für junge Menschen

29'000 Hörerinnen und Hörer und ein Marktanteil von gerade mal 0,2 Prozent: Radio SRF Virus, nur über DAB+ zu empfangen, würde in der Auflistung der Privatradiosender aufgrund der Reichweite auf Platz 29 landen – hinter Radio Melody und vor Sendern wie Top Two, Munot, Radio 3Fach oder Toxic.fm. Eine Einstellung des Sendebetriebs sei aufgrund der neuen Zahlen nicht geplant, heisst es bei SRF auf Anfrage. «SRF Virus ist weit mehr als ein Radiosender, es ist ein multimediales Angebot, das jungen Menschen Orientierung, Inspiration und Unterstützung bei der Meinungsbildung bietet», so Di Meo. Ein wichtiges Element im Radio sei die Schweizer Musik, deren Anteil bei rund 50 Prozent am gesamten Musikangebot liege. Virus biete dabei auch Künstlerinnen und Künstlern, die noch nicht bekannt seien, eine Plattform. «Diese Musik zu spielen, ist uns bei SRF sehr wichtig und gehört zu unserem Auftrag. Die breite Masse wird man damit aber nicht erreichen», so Di Meo.

Die Radiomessung in der Schweiz basiert seit 2001 auf der sogenannten Audiomatching-Technologie. Eine Messuhr zeichnet Audioschnipsel auf und vergleicht diese mit einer Referenzdatenbank – also ähnlich, wie die Apps Shazam oder SoundHound funktionieren. Auch wenn damit Hörer, die Musik über Kopfhörer konsumieren, nicht erfasst werden können: Diese Messmethode dürfte um einiges genauer sein als beispielsweise die Radioforschung in Deutschland. Dort werden Personen befragt, welche Sender sie wie lange hören.