Valentin Rubin, was hat Sie dazu bewogen, vom praktischen Journalismus zu einer Lobby für die Pressefreiheit zu wechseln?
Ich habe die Pressefreiheit in der Schweiz als Journalist stets als selbstverständlich betrachtet und genoss die Freiheit in der Ausübung meines Berufs. Fragen stellen, wo ich will, wie ich will – das ist ein Privileg. Der Blick ins Ausland hat mir aber immer gezeigt, dass es andernorts ganz anders aussieht. Es reizt mich sehr, über die Schweiz hinaus den Zustand des Journalismus genauer unter die Lupe zu nehmen. Vor allem, da sich die Lage der Pressefreiheit seit Jahren global eher verschlechtert als verbessert. Dagegen müssen wir etwas tun.
Wo zeigen sich Ihrer Meinung nach in der Schweiz die grössten Defizite bei der Pressefreiheit?
In der Gesetzgebung gibt es in der Schweiz einige problematische Bereiche: Journalistinnen und Journalisten können nicht ohne Weiteres geleakte Bankdaten veröffentlichen – selbst wenn es im öffentlichen Interesse läge. Ihnen droht im schlimmsten Fall eine Gefängnisstrafe. Auch gibt es keinen juristischen Schutz gegen missbräuchliche Gerichtsklagen, gegen sogenannte SLAPP-Klagen. Wenn finanzstarke Unternehmen Recherchen unterbinden wollen, können sie mit einem Gerichtsverfahren drohen. Das schreckt Journalistinnen und Journalisten ab und verhindert wichtige Recherchen. Was darüber hinaus sicher auch nicht hilft: die zunehmende Medienkonzentration.
«Wir streben eine engere Zusammenarbeit mit dem Hauptsitz von RSF an»
Reporter ohne Grenzen konnte die Deutschschweizer Stelle, die Sie nun besetzen werden, auf ein Vollpensum aufstocken. Was können oder müssen Sie nun mehr leisten als Ihre Vorgängerin, die nur zu 30 Prozent angestellt war?
Wir fokussieren uns vor allem auf drei Aspekte: Einerseits werde ich die gute Arbeit meiner Vorgängerin Bettina Büsser weiterführen und versuchen, Reporter ohne Grenzen in der Deutschschweiz noch sichtbarer zu machen. Andererseits streben wir eine engere und intensivere Zusammenarbeit mit dem Hauptsitz von RSF International in Paris an. Wir inspirieren uns vom Mutterschiff und geben gleichzeitig selbst Inputs für die globale Ausrichtung von RSF. Und drittens versuchen wir nun mit mehr Manpower, stärkeren Einfluss auf die Politik zu nehmen, um die Pressefreiheit in der Schweiz weiterhin zu bewahren. Die Arbeit wird uns nicht ausgehen.
Sie haben die letzten fünf Jahre bei Blick gearbeitet. Was werden Sie am Journalismus am meisten vermissen?
Die Dynamik und Power eines grossen Newsrooms sowie das Gefühl zu haben, immer am Puls des Geschehens zu sein – egal, ob es um Naturkatastrophen, einen Bundesratsentscheid oder um die Fussball-EM geht.