Ein Jahr lang soll Peter Hossli, Reporter bei der NZZ am Sonntag, für eine delikate Story über das Liebesleben von Alain Berset recherchiert haben. Der lange, zweiteilige Artikel über «aussereheliche Abenteuer und ihre politischen Implikationen» sei aber nie erschienen, heisst es in der Weltwoche vom Donnerstag. Jonas Projer, Chefredaktor der NZZ am Sonntag, soll nämlich die Publikation gestoppt haben. «Eine klare Begründung gegenüber der Redaktion lieferte er nicht», schreibt Kurt W. Zimmermann in seinem Artikel. Dies rieche «ziemlich nach Zensur». Projer habe offenbar Berset schonen wollen.
Jonas Projer dementiert den Vorwurf, er habe einen Artikel über Alain Berset aus politischer Rücksichtnahme gestoppt, vehement: «Die These ist falsch und entspricht nicht den Tatsachen, wie fast alles im Text», sagte er am Donnerstag auf Anfrage von persoenlich.com. Zur angeblichen Recherche wollte sich Projer nicht äussern: «Zu laufenden Recherchen von Journalistinnen und Journalisten der NZZ am Sonntag gebe ich gegenüber Dritten keine Auskunft. Hingegen ist bekannt, dass ich den von der Weltwoche genannten Autor und seine Arbeit im höchsten Masse schätze.»
Recherche muss «hieb- und stichfest» sein
Auch zum Vorwurf der Zensur grundsätzlich nahm Projer gegenüber persoenlich.com Stellung: «Die NZZ am Sonntag stoppt keine Geschichten aus politischem Kalkül. Jedoch trage ich als Chefredaktor die Verantwortung dafür, wann und wie wir Recherchen publizieren. All unsere Journalistinnen und Journalisten sind den hohen Qualitätsstandards der NZZ verpflichtet: Autoren, Ressortleiter, Blattmacher und die Chefredaktion.» Sie würden gemeinsam beurteilen, ob eine Recherche hieb- und stichfest sei. «Erst dann publizieren wir.»
Hintergrund-Ressortleiter Michael Furger äusserte sich auf Twitter über Peter Hossli: «Ich kenne keinen Journalisten, der höhere Qualitätsanforderungen an seine Arbeit stellt als er.»
Ich arbeite schon einige Jahre mit @phossli zusammen und kann sagen: Ich kenne keinen Journalisten, der höhere Qualitätsanforderungen an seine Arbeit stellt als er. @persoenlichcom https://t.co/Fl5JXRvMvL
— Michael Furger (@michael_furger) February 3, 2022
Ganz grundsätzlich interessiere das Privatleben von Bundesräten im Hause NZZ nur, «wenn eine gravierende staatspolitische Komponente erkennbar ist, etwa die Vermischung von Amt und Privatleben», so Projer weiter. So lasse sich auch ein publizistischer Eingriff in die Intimsphäre begründen. Jedoch müsse dazu sowohl die staatspolitische Komponente wie auch die Beziehung klar belegt sein. (cbe)
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04.02.2022 11:14 Uhr