28.04.2021

Tabubruch

Keine Untersuchung gegen Moritz Leuenberger

Die Geisel-Aussagen in der NZZ am Sonntag bleiben folgenlos. Die Bundesanwaltschaft darf nicht strafrechtlich gegen den 74-Jährigen ermitteln. Das hat der Bundesrat am Mittwoch entschieden. Er machte dafür «Landesinteressen» geltend.
Tabubruch: Keine Untersuchung gegen Moritz Leuenberger
Moritz Leuenberger hatte in einem Interview in der NZZ am Sonntag gesagt, die Schweiz habe bei Geiselnahmen Lösegelder bezahlt. (Bild: Keystone/Gaëtan Bally)

Die Bundesanwaltschaft wurde nach einem Interview Moritz Leuenbergers aktiv, das am 7. Februar publiziert wurde. In dem Interview mit der NZZ am Sonntag sagte das frühere Bundesratsmitglied, dass die Schweiz für Geiseln Lösegeld bezahle.

Die Bundesanwaltschaft erwog danach, gegen den 74-jährigen alt Bundesrat eine Untersuchung wegen Amtsgeheimnisverletzung einzuleiten. Sie reichte beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) einen Antrag zum Entscheid über die Erteilung oder Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung ein (persoenlich.com berichtete).

Dieses Gesuch hat der Bundesrat nun abgelehnt. Eine Strafuntersuchung sei «nicht mit den Interessen des Landes vereinbar», schrieb er. Die Durchführung eines Strafverfahrens in dieser Angelegenheit würde eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Strategie des Bundesrats in Entführungsfällen nach sich ziehen. Der Bundesrat vertrete aber ausdrücklich die Politik, dass die Schweiz in Entführungsfällen kein Lösegeld bezahle.

«Legitime Lüge»

Das frühere Bundesratsmitglied Leuenberger hatte wörtlich in dem Interview gesagt: «Kommt eine Geisel frei, ist wohl meist bezahlt worden.» Der Jurist und SP-Politiker ergänzte: «Aber da steht nicht ‹Lösegeld› auf dem Einzahlungsschein, sondern da werden irgendwo Spesen abgebucht.»

Leuenberger war von 1995 bis 2010 Mitglied der Schweizer Regierung, zweimal Bundespräsident und stand dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation vor. Auf die Frage, wann er nicht die Wahrheit gesagt habe, antwortete Leuenberger: «Wir haben stets verneint, für die Befreiung von Geiseln Lösegelder bezahlt zu haben.» Dies sei aus gutem Grund geschehen, weil die Schweiz damit Nachahmer und weitere Geiselnahmen habe verhindern wollen.

«Erklärt man dieses Verhalten der Öffentlichkeit, wird dies als legitime Lüge akzeptiert», sagte Leuenberger. Lügen hätten einen Platz in der Gesellschaft. «Die Lüge ist ein soziales Schmierfett, oder sie kann berechtige Interessen von Dritten schützen. Stets auf die Wahrheit zu pochen, kann manchmal grösseren Schaden anrichten, als zu lügen», führte er weiter aus.

Offiziell hiess es bislang beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), dass die Schweiz kein Lösegeld zahle, um Geiseln freizubekommen. Gerüchte um Geldzahlungen gab es allerdings immer wieder, unter anderem 2009 im Fall der Befreiung zweier Schweizer Touristen, die von der Terrorgruppe «al-Qaida im islamischen Maghreb» zwischen Mali und Niger entführt worden waren, oder bei der Freilassung eines im Süden der Philippinen entführten Schweizer IKRK-Mitarbeiters im selben Jahr.

In einem persoenlich.com-Interview relativierte Leuenberger eine seiner Aussagen in der NZZaS: «Ich würde jetzt sagen: ‹Der Bundesrat hat nie die Bezahlung eines Lösegeldes beschlossen!› Das ist übrigens die Wahrheit.» Jedoch sei immer damit zu rechnen, dass andere Gruppierungen zahlen würden. (sda/cbe)

 



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Kommentare

  • Lahor Jakrlin, 28.04.2021 19:53 Uhr
    Moritz Leuenberger hat der Schweiz als Umweltminister immensen Schaden zugefügt – man denke allein an Vision Zero und die Folgen daraus. Aber auch mit dieser "Wir bezahlen Spesen, nicht Lösegelder"-Geschichte wird es in Zukunft für die Schweiz teuer, Leuenberger lädt Extremisten und Terroristen in Afrika und Südamerika dazu ein, ihre Spesenbelege einzusenden. Was für ein eitler Geck.
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