26.02.2021

Tabubruch

Bundesanwaltschaft wird wegen Interview aktiv

Die Bundesanwaltschaft erwägt, gegen Moritz Leuenberger eine Untersuchung wegen Amtsgeheimnisverletzung einzuleiten. Der Alt-Bundesrat hatte in einem Interview in der NZZ am Sonntag gesagt, die Schweiz habe bei Geiselnahmen Lösegelder bezahlt.
Tabubruch: Bundesanwaltschaft wird wegen Interview aktiv
«Als ich den Anriss auf dem Titelblatt sah, musste ich mit allem rechnen. Eingebettet in das ganze Interview hätte das Thema um Lösegelder aber kaum zu Reaktionen geführt», sagte Moritz Leuenberger zu persoenlich.com. (Bild: Keystone/Gaëtan Bally)

Die Bundesanwaltschaft (BA) habe in diesem Zusammenhang beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) einen Antrag zum Entscheid über die Erteilung oder Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung eingereicht, teilte sie am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Zuvor hatten Tamedia-Zeitungen darüber berichtet.

Das Ermächtigungsersuchen beziehe sich auf die Strafverfolgung in Bezug auf eine mögliche Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Leuenberger. Bis zu einem Entscheid des EJPD äussere sich die BA vorläufig nicht weitergehend in diesem Zusammenhang, hiess es.

Bei der Amtsgeheimnisverletzung eines Alt-Bundesrats handle es sich um eine politische Straftat, schrieben die Tamedia-Zeitungen. Deshalb müsse die Bundesanwaltschaft den Bundesrat um die Erlaubnis ersuchen, eine Untersuchung aufzunehmen. Der Bundesrat entscheide dann, ob die Strafverfolgung im Interesse des Landes ist.

Umstrittene Aussagen

Am 7. Februar hatte der 74-Jährige alt Bundesrat der NZZ am Sonntag gesagt: «Kommt eine Geisel frei, ist wohl meist bezahlt worden.»

«Aber das steht nicht ‹Lösegeld› auf dem Einzahlungsschein, sondern da werden irgendwo Spesen abgebucht», sagte der Jurist und SP-Politiker. Er war von 1995 bis 2010 Mitglied der Schweizer Regierung, zweimal Bundespräsident und stand dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) vor.

Auf die Frage, wann er nicht die Wahrheit gesagt habe, antwortete Leuenberger: «Wir haben stets verneint, für die Befreiung von Geiseln Lösegelder bezahlt zu haben.» Dies sei aus gutem Grund geschehen, weil die Schweiz damit Nachahmer und weitere Geiselnahmen habe verhindern wollen.

«Erklärt man dieses Verhalten der Öffentlichkeit, wird dies als legitime Lüge akzeptiert», sagte Leuenberger. Lügen hätten einen Platz in der Gesellschaft. «Die Lüge ist ein soziales Schmierfett, oder sie kann berechtige Interessen von Dritten schützen. Stets auf die Wahrheit zu pochen, kann manchmal grösseren Schaden anrichten, als zu lügen», führte er weiter aus.

In einem persoenlich.com-Interview relativierte Leuenberger eine seiner Aussagen in der NZZaS: «Ich würde jetzt sagen: ‹Der Bundesrat hat nie die Bezahlung eines Lösegeldes beschlossen!› Das ist übrigens die Wahrheit.» (sda/cbe)



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