26.03.2015

Der Bund

Mit "der achten Plage" zum Sieg am Essay-Wettbewerb

Romana Ganzoni wird in Bern zu Gewinnerin gekürt.

Die zwei Autorinnen Romana Ganzoni, Celerina (Rang 1) und Marie T. Martin, Köln (Rang 2) sowie der Autor Peter Weibel, Bern (Rang 3), trugen ihre Texte an der öffentlichen Preisverleihung von gestern Mittwoch in der Berner Dampfzentrale vor. Die Wahl des Publikums fiel auf den Essay von Romana Ganzoni. Sie gelangte mit knappem Vorsprung auf Rang eins und gewann mit dem Text "Die achte Plage" ein Preisgeld von 5000.- Franken. Auf Rang zwei gewann Marie T. Martin mit "Club der gebrochenen Herzen" 2‘500 Franken, das Preisgeld von 1‘500.- Franken für Rang drei erhielt Peter Weibel mit "Hannah".

Das Thema des 9. "Der Bund"-Essay-Wettbewerbs war die Liebe in der heutigen Zeit: "All you need is love" - oder finden Sie das doof? 166 Menschen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland reichten ihre Wettbewerbstexte ein. Beide Geschlechter waren gleichermassen inspiriert, 86 Frauen und 80 Männer haben am Wettbewerb teilgenommen. Die drei von der Jury auserkorenen Autorinnen und Autoren trugen ihre Texte an der öffentlichen Preisverleihung in der Berner Dampfzentrale vor.

Die Slam-Poetin Sandra Künzi führte mit viel Witz durch den Abend, musikalische Akzente setzte die Brasilianerin Mariana Da Cruz. Das Publikum entschied per Urnenabstimmung über die Rangierung der drei Gewinnertexte auf dem Podest.

1. Preis: Romana Ganzoni, (geb. 1967), Celerina, mit "Die achte Plage"

"Die achte Plage": Schon der Titel ist unmissverständlich: Da macht sich jemand mit Furor und Lust daran, mit dem Sprachmeissel den dicken Zuckerguss abzutragen, den wir über unsere Liebesvorstellungen legen. Die Liebe wird befreit von allem Kitsch, von Esoterik und Wohlfühlgesülze. Was übrig bleibt, ist eine archaische, zerstörerische Kraft. Es ist ein Essay, der Klarheit schafft, indem er das teuflische Gebräu Liebe von Gefühlen und Werten wie Freundschaft überzeugend zu trennen versteht. Dieser wohltuend drastische Text mit den kräftigen Sprachbildern ist aber liebevoller als er tönt, weil er in der Schwebe lässt, ob die eine oder andere Übertreibung nicht doch ironisch gemeint ist.

Veröffentlichung in Der Bund, Ausgabe vom Samstag, 18. April 2015

 

2. Preis: Marie T. Martin, (geb. 1982), Köln, mit «Club der gebrochenen Herzen»

Die Autorin gehört zum «Club der gebrochenen Herzen» und lässt keinen Zweifel daran, dass fast alle eine Mitgliedschaft beantragen könnten. Mit Humor und Feingefühl wird gezeigt, dass die Liebe stets eine Frage der «Perspektive» und der Konzepte ist und oft mit zu vielen Erwartungen befrachtet wird. Als «stilles, langsames, zärtliches Prinzip» kann die Liebe aber nicht auf die Zweisamkeit beschränkt werden und sie lässt sich nicht optimieren. Wenn am Ende des Essays der Vater plötzlich auf dem Cover der Beatles- Platte «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band» jungenhaft grinsend erscheint, dann blitzt ein Happy-End auf, das über jeden Kitschverdacht erhaben ist.

Veröffentlichung in Der Bund, Ausgabe vom Samstag, 11. April 2015

 

3. Preis: Peter Weibel, (geb. 1947), Bern, mit «Hannah»

Nüchtern und ungerührt beschreibt der Erzähler, wie wenig er verstanden hat von seiner verblühten Liebe. Man lauscht diesem sachten Abgesang auf eine Liebesgeschichte, man folgt den verschlüsselten Spuren mit den schwer erkennbaren Gesetzen, man ist froh über die Entdeckung, dass es auch ein Leben nach der Trennung gibt – ein Leben, das man genauso gestalten kann wie jenes vor dem Abschied. Normierende Einsichten gibt es hier nicht, das ist die herausragende Qualität dieses Textes. Der Erzählfigur bleibt nichts übrig als das Staunen über Hannah und über sich.

Veröffentlichung in Der Bund, Ausgabe vom Samstag, 4. April 2015

Bild: zVg.

 



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