18.11.2018

NZZ am Sonntag

«Natürlich, mit Vorwürfen müssen wir rechnen»

Die «NZZ am Sonntag» erschien erstmals als Sonderausgabe zum Thema Luxus – mit doppelseitiger Hochglanz-Ummantelung von VW. Man wolle damit «ein bisschen Aufsehen erregen, aber auch den veränderten Ansprüchen der Werbewirtschaft Rechnung tragen», sagt Chefredaktor Luzi Bernet.
NZZ am Sonntag: «Natürlich, mit Vorwürfen müssen wir rechnen»
«Wir hatten auf der Redaktion sehr lebhafte und kontroverse Diskussionen darüber, ob man das machen und dieses Umfeld schaffen soll», sagt Luzi Bernet zur NZZaS-Sonderausgabe zum Thema Luxus. (Bild: zVg.)
von Marius Wenger

Herr Bernet, die «NZZ am Sonntag» erschien am Sonntag als Sonderausgabe zum Thema Luxus. Geht es der Zeitung schon so schlecht, dass sie sich die Themen von der Werbewirtschaft diktieren lassen muss?
Nein, ausdrücklich nicht. Das Thema Luxus haben wir als NZZaS-Chefredaktion zusammen mit dem Verlag gewählt und vorgegeben. Nicht überraschend löste es bei der Werbewirtschaft ein breites Interesse aus. Aber es war kein Themendiktat der Werbewirtschaft, sondern wir entschieden, mal etwas anderes zu versuchen.

Wie ist die Idee zur Sonderausgabe entstanden?
Wir sind – wie alle Verlage – immer daran, neue Formen zu finden. Die Medienbranche ist ja einem steten Wandel unterworfen. Wir sind mittlerweile nicht mehr nur eine Zeitung, sondern machen auch viel Live-Formate und viel im digitalen Bereich – ebenso verändert sich auch die Werbewirtschaft. Im Gespräch entstand die Idee, mal etwas anderes zu machen, das ein bisschen Aufsehen erregt, aber auch den veränderten Ansprüchen der Werbewirtschaft Rechnung trägt.

Was macht das Thema Luxus aus redaktioneller Sicht attraktiv?
Luxus an sich ist natürlich ein interessantes, kontroverses journalistisches Thema. Wir hatten lebhafte Diskussionen auf der Redaktion. Die Luxusgüterindustrie in der Schweiz hat ein relativ hohes Niveau mit weltweit bekannten Marken. Dazu gibt es viel zu sagen: Luxus – was heisst das eigentlich? Heisst das nur Überfluss? Was sind die Schattenseiten von Luxus?

«Die Sonderausgabe ist inhaltlich nicht besonders spektakulär»

Welche Themen behandeln die Luxus-Artikel konkret?
Wir haben in jedem Bund etwa einen Artikel zum Thema Luxus im weitesten Sinn. Im Gesellschaftsbund beispielsweise geht es um die Auswüchse von Luxus bei der Hundehaltung – von Hundelifting über Hundepsychiater und so weiter. Im Auslandteil schreiben wir darüber, wie sich Staatsoberhäupter inszenieren. Im Kulturressort ist ein grosser Essay zum Thema «Was ist Luxus?», im Hintergrund eine Geschichte zur Hermes-Tasche.

Es haben also nicht alle Artikel mit dem Thema Luxus zu tun?
Nein, gar nicht. Wir haben eine normale Zeitung mit normalen Gewichtungen produziert, die Leser müssen sich nicht umgewöhnen. Wie gesagt: Pro Bund behandelt etwa ein Artikel mit extra angefertigter Illustration das Thema.



Wurden die einzelnen Artikelthemen zu Luxus von der Redaktion festgelegt?
Ja. In einem redaktionellen Brainstorming legten die Ressorts ihre Themen selber fest. Zusätzlich holten wir uns kreativen Input von Tyler Brûlé, der sich bestens auskennt mit globalen Brands und ein ausgesprochenes Näschen hat für Themen im Luxusbereich – er lieferte uns noch die eine oder andere Inspiration. Im Stil-Bund haben wir zudem ein Interview aus seinem Magazin «Monocle» zweitverwertet.

Mussten sich die externen Autoren und Kolumnisten dem Thema anpassen?
Nein. Die Sonderausgabe ist inhaltlich gar nicht besonders spektakulär. Das einzig Spektakuläre ist die Ummantelung der Zeitung. Ein Inserent, der die Zeitung mit einer Hochglanzwerbung eingepackt hat. Die kann man einfach weglegen, dann hat man die normale Zeitung. Darin ist – wie gesagt – alles wie gewohnt, ausser, dass einige Artikel das Thema Luxus behandeln.

«Wir tragen einfach dem Umstand Rechnung, dass auch die Werbewirtschaft neue Formen ausprobieren will»

Es mussten also keine Themen hintenanstehen?
Nein.

Erwarten Sie keine negativen Reaktionen der Leserschaft in Richtung «die NZZaS lässt sich von der Werbewirtschaft kaufen»?
Das ist nicht auszuschliessen. Ich denke, das Auffallendste ist effektiv die Ummantelung. Sie wird den Lesern sofort ins Auge gesprungen sein, rein äusserlich sieht die Zeitung anders aus. Das wird sicher Reaktionen hervorrufen. Wir hatten ähnliche Ummantelungen von Werbeträgern schon bei der NZZ-Tagesausgabe, allerdings auf Zeitungspapier gedruckt und in die Zeitung integriert. Bei uns ist es wirklich eine Ummantelung auf anderem Papier. Natürlich, mit Vorwürfen dieser Art müssen wir rechnen. Andererseits ist es einfach Teil des Businessmodells von Printzeitungen, dass man sowohl aus dem Lesermarkt als auch aus dem Werbemarkt Erträge generiert. Das ist es auch schon immer gewesen. Jetzt tragen wir einfach dem Umstand Rechnung, dass sich auch die Werbewirtschaft verändert und neue Formen ausprobieren will. Das trägt letztlich zur Finanzierung von unserem Journalismus bei.

Was war speziell bei der Arbeit an dieser Ausgabe?
Wir hatten auf der Redaktion sehr lebhafte und kontroverse Diskussionen darüber, ob man das machen soll, ob man dieses Umfeld schaffen soll…

Gab es auch Widerstand innerhalb der Redaktion?
Widerstand nicht, aber natürlich engagierte Diskussionen. Das ist ja auch gut, ich ging jeweils happy aus den Diskussionen raus. Sie schärfen auch das Bewusstsein dafür, was geht und was nicht. Zudem sind solche Diskussionen ein gutes Zeichen für eine gesunde Redaktion, die sofort empfindlich reagiert, wenn sie das Gefühl hat, man mache etwas, das zu weit geht – was in dem Fall nicht der Fall war.

Wie viel nimmt die NZZaS durch diese Spezialausgabe ein, respektive wie viel kostet diese Aktion den Werbekunden?
Dazu können wir keine Auskunft geben.

Sind in Zukunft weitere solche Ausgaben denkbar?
Denkbar ja, es werden aber sicher seltene Ausnahmen bleiben.

Zu welchen Themen könnten Sie sich das vorstellen?
Wir haben ja immer wieder Spezialthemen als Serien in der Zeitung. Zuletzt etwa zum Thema Erziehung, früher auch schon zu Ernährung oder zu Mode. Es ist denkbar, dass wir wieder ein Thema für eine Sonderausgabe definieren, und dann schauen, ob es Werbekunden gibt, die darauf anspringen und bereit sind, für einen besonderen Auftritt zu bezahlen.



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Kommentare

  • Robert Weingart , 19.11.2018 13:42 Uhr
    Knete statt Relevanz.
  • Stefan Berger, 19.11.2018 09:39 Uhr
    Ja, Luxus ist wirklich ein ganz spannendes Thema ;-)
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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