24.08.2020

Fall Spiess-Hegglin

Obergericht bestätigt Urteil gegen den Blick

Gleichzeitig reduziert das Gericht die Genugtuungssumme um 10'000 Franken. Eine Entschuldigung ordnen die Richter nicht an. Ringier-CEO Marc Walder entschuldigt sich trotzdem.
Fall Spiess-Hegglin: Obergericht bestätigt Urteil gegen den Blick
Die ehemalige Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin anlässlich des Gerichtstermins beim Zuger Kantonsgericht im April 2019. (Hintergrund: Keystone-SDA/Urs Flüeler)

Das Zuger Obergericht bestätigte in seinem am Montag veröffentlichten Urteil einen erstinstanzlichen Schuldspruch vom Mai 2019.

Mit der Nennung ihres Namens und der Publikation eines Fotos habe die Zeitung «in schwerwiegender Weise» in Jolanda Spiess-Hegglins Intimsphäre eingegriffen und damit ihre Persönlichkeit verletzt, hält das Gericht in einer Medienmitteilung fest. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Im Gegensatz zur Auffassung der Ringier AG verneine das Obergericht ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Berichterstattung im Blick.

Ringier zieht Urteil nicht weiter

Weiter kommt das Obergericht - wie schon das Kantonsgericht – zum Schluss, dass Spiess-Hegglin «keinen klagbaren Anspruch» auf die Publikation einer Entschuldigung des Verlagshauses Ringier habe.

«Trotzdem wollen wir uns bei Jolanda Spiess-Hegglin entschuldigen», schrieb Ringier-CEO Marc Walder nach der Publikation des Urteils auf Blick.ch. Ringier werde das Urteil nicht weiterziehen, erklärte Sprecherin Johanna Walser auf Anfrage von persoenlich.com.

Walder hält in seiner Stellungnahme fest, dass es «nie die Absicht» gewesen sei, mit der Berichterstattung Leid zu verursachen. «In der Rückschau auf die vergangenen fast sechs Jahre sehen wir aber, dass Jolanda Spiess-Hegglin durch unsere Berichterstattung verletzt wurde.» Man könne das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. «Wir können aber Tag für Tag dazulernen und immer wieder versuchen, es besser zu machen», schreibt Walder

Weitere Klagen folgen 

Spiess-Hegglin nimmt die öffentliche Stellungnahme von Walder «mit Genugtuung» zur Kenntnis. «Ich bin sehr erfreut über diese Entschuldigung und nehme sie dankbar an. Was nicht heisst, dass damit alles wieder so ist, wie früher. Es ist wichtig, dass sich nun was ändert», so Spiess-Hegglin gebenüber persoenlich.com. 

Das Urteil bezeichnet sie als «fantastisch». Es könne nicht besser sein, denn es falle noch viel deutlicher aus als das erstinstanzliche. Es gebe somit keinen Grund, es weiterzuziehen.

Vielmehr biete das Urteil die «perfekte Grundlage» für alles weitere, was folgen werde. Spiess-Hegglin hielt fest, dass es bei diesem Urteil lediglich um den einen Artikel gehe. «Weitere Genugtuungsklagen sind in Planung», sagte sie. Die Angelegenheit geht laut Spiess-Hegglin nun weiter mit dem Einklagen der gesamten Medienkampagne und der Gewinnherausgabe. «Dies ist in der Vorbereitung», sagt sie.

Auf den besagten Artikel folgten im Blick und weiteren Medien Dutzende Artikel zu dem, was an der Zuger Landammannfeier vorgefallen sein könnte. Was genau passiert war, wurde juristisch nie aufgeklärt. Zahlreiche Blick-Artikel sind inzwischen aus der Schweizer Mediendatenbank SMD gelöscht worden. 

Gericht reduziert Genugtuung 

Das Gericht hiess weiter die Berufung von Ringier bezüglich der Genugtuung teilweise gut und reduziert deren Höhe auf 10'000 Franken. Es erachtet die von der Vorinstanz zugesprochene Summe von 20'000 als «unverhältnismässig». Das Obergericht korrigiert zudem noch die Kostenverteilung im erstinstanzlichen Entscheid geringfügig. Beide Parteien erhoben Berufung. 

Beim Verfahren zwischen Ringier AG und Spiess-Hegglin geht es um einen Artikel, den der Blick am 24. Dezember 2014 publiziert hatte. In diesem zeigte das Boulevardblatt mit Namen und Bild die damaligen Zuger Kantonsratsmitglieder Spiess-Hegglin (Grüne) und Markus Hürlimann (SVP) und beschrieb mutmassliche Geschehnisse an der Landammannfeier. 

2017 hatte Spiess-Hegglin gegen die Ringier AG beim Kantonsgericht eine Klage auf Schutz der Persönlichkeit eingereicht. Spiess-Hegglin und die Ringier AG erhoben beim Obergericht Berufung. (sda/eh)



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Kommentare

  • Giuseppe Scaglione, 24.08.2020 11:11 Uhr
    Marc Walder, Ringier: "Es war, ist und wird nie unsere Absicht sein, mit unserer Berichterstattung Leid zu verursachen." Ach nein, ist ja klar... Frage: Wenn man ein so tolles und faires Medienhaus mit derart hehren Absichten ist, wieso hat man dann die Geschichte überhaupt gebracht und in so schwerwiegender Weise in die Intimsphäre von Frau Spiess-Hegglin eingegriffen?
  • Rolf Debrunner, 24.08.2020 10:39 Uhr
    Das ist in iuristischer Stringenz wohl richtig. Aber: aus dem Kontext geht hervor, dass sich der CEO klärend äussert. Er sagt ja, dass es dem Verlag "leid tue". Und im allgemeinen Sprachgebrauch ist das einfach Usus. Verstärkt dann noch in einem Boulevard-Medium.
  • Rainer Schumacher, 24.08.2020 09:47 Uhr
    Der "Blick" kann sich nicht selber entschuldigen, sondern höchstens um Entschuldigung bitten. Danach ist es Sache der verletzten Person, die Bitte um Entschuldigung anzunehmen oder abzulehnen. - Prof. Dr. iur. Rainer Schumacher, ehemals Rechtsanwalt
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