15.05.2017

Weltwoche

Philipp Gut wegen übler Nachrede schuldig gesprochen

Die ehemalige Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin siegt vor Gericht gegen den stellvertretenden Chefredaktor der «Weltwoche». Die Zeitung nimmt den Schuldspruch «mit Verwunderung zur Kenntnis». Ob das Urteil weitergezogen wird, ist derzeit noch unklar.
Weltwoche: Philipp Gut wegen übler Nachrede schuldig gesprochen
«Weltwoche»-Journalist Philipp Gut musste sich am Montag nicht zum ersten Mal vor Gericht verantworten. (Bild: Keystone/Ennio Leanza)

Das Bezirksgericht Zürich hat den «Weltwoche»-Journalisten Philipp Gut am Montag wegen übler Nachrede verurteilt. Gut hatte geschrieben, dass die ehemalige Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin sich die mutmassliche Schändung durch SVP-Kantonsrat Markus Hürlimann nur ausgedacht habe, um ihren Seitensprung zu vertuschen (persoenlich.com berichtete).

Das Gericht verurteilte Gut zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 130 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren. Der Artikel mit dem Titel «Die fatalen Folgen eines Fehltritts» muss auf Anweisung des Gerichts aus dem Online-Archiv der «Weltwoche» und aus der Mediendatenbank SMD gelöscht werden. Das Gericht verpflichtete die «Weltwoche» ausserdem dazu, die Verurteilung auf der Seite «Analysen und Kommentare» publik zu machen. Gut muss Spiess-Hegglin eine Genugtuung von 2500 Franken sowie eine Entschädigung von 12'000 Franken zahlen.

«Übers Ziel hinaus geschossen»

Der Journalist habe in seinem Artikel Vorwürfe zu Fakten erhoben, begründete der Richter das Urteil. So habe er Spiess-Hegglin vor einer breiten Öffentlichkeit herabgesetzt und sie in ihrer Ehre verletzt. Der Text habe zwar auch Wahrheiten enthalten. «Doch was die ehrverletzenden Äusserungen betrifft, schoss er eindeutig übers Ziel hinaus.»

Die «Weltwoche» nimmt den Schuldspruch «mit Verwunderung zur Kenntnis», wie Gut nach dem Prozess sagte. Man werde jetzt das schriftliche Urteil abwarten und dann entscheiden, ob es weitergezogen werde. Für Spiess-Hegglin war es «ein guter Tag für Medienrecht und Medienethik». Sie hoffe, dass das Urteil in der künftigen Praxis Anwendung finde, etwa in der Journalistenausbildung.

«Planmässig falsch beschuldigt»

Auslöser für den Prozess war ein «Weltwoche»-Artikel vom September 2015. Darin arbeitete Gut die Sex-Affäre um Jolanda Spiess-Hegglin und ihren damaligen Ratskollegen Markus Hürlimann auf, bei der K.O.-Tropfen im Spiel gewesen sein sollen. Das Verfahren gegen Hürlimann wurde jedoch mangels Beweisen eingestellt.

Der Journalist schrieb, dass sich Spiess-Hegglin die Schändung nur ausgedacht habe, um ihren Fauxpas vor ihrem Ehemann zu vertuschen. Die Ermittlungsakten würden zeigen, wie «die linke Frau den rechten Mann planmässig falsch beschuldigt». Spiess politisierte für die «Alternative – die Grünen Zug».

Gut betonte während des Prozesses, dass er den Text aufgrund von Ermittlungsakten und Zeugenaussagen geschrieben habe. «Ich habe nur getan, was ich als Journalist für richtig halte.» Das Bezirksgericht gelangte jedoch zum Schluss, dass es keine Beweise dafür gibt, dass Spiess-Hegglin planmässig falsche Anschuldigungen verbreitete.

Nicht die erste Verurteilung

Gut war schon einmal wegen übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden – vom gleichen Richter. Im September 2016 kam er zum Schluss, dass Guts kritische Artikel über den Historiker Philipp Sarasin und seine Lebenspartnerin Svenja Goltermann eine «breit angelegte Kampagne» waren (persoenlich.com berichtete).

Trotzdem ist Gut deswegen nicht vorbestraft, sondern gilt als «Ersttäter». Die Strafe vom Montag wurde als sogenannte Zusatzstrafe verhängt, weil der Text über die Zuger Sex-Affäre erschien, bevor das Sarasin-Urteil gesprochen wurde.

Die beiden Fälle werden deshalb als einer betrachtet – und die Strafen zusammengerechnet. Insgesamt erhielt Gut für seine zwei Verurteilungen 240 Tagessätze zu 130 Franken. Zahlen muss die «Weltwoche» aber erst, wenn Gut erneut verurteilt würde.

Kampf gegen Hasskommentare

Spiess-Hegglin trat Ende 2016 aus dem Zuger Kantonsrat zurück und konzentriert sich seither auf ihren Kampf gegen Hasskommentare. Sie gründete einen Verein, der Opfern von verletzenden Kommentaren beistehen will. Daneben klagt sie immer wieder medienwirksam gegen Personen, die sie wegen der Zuger Affäre beschimpften.

Hürlimann wählte einen anderen Weg. Er ging für eine gewisse Zeit auf Tauchstation und liess Gras über die Sache wachsen. Zuger Kantonsrat ist er nach wie vor. Mittlerweile hat der ehemalige Präsident der Zuger SVP auch wieder eine offizielle Funktion in der Partei inne: Er ist seit einigen Wochen Pressesprecher der Zuger SVP. (sda/lom)



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Kommentare

  • Ina Knuchel, 19.05.2017 14:31 Uhr
    Und damit müssen sich Gerichte auseinandersetzen? Das ist obszön und als Frau zum Fremdschämen.
  • Silvia Tschui, 16.05.2017 17:35 Uhr
    Echt, Herr Brunner? Und dabei ist bei der Weltwoche endlich einmal der Begriff «Lügenpresse» angebracht. Jetzt sogar gerichtlich bestätigt. Ideologisch durchtränkte Blätter wie die immer wieder faktenverdrehende Weltwoche sind der Schuss ins Bein der Presse, sicher nicht dieses Urteil.
  • Oliver Brunner, 16.05.2017 11:40 Uhr
    Alle die hier aus Sympathie-Gründen jubeln (was durchaus nachvollziehbar ist). Das Urteil ist ein Schuss ins Bein der Presse.
  • Nico Herger, 16.05.2017 09:34 Uhr
    Die Frau macht für ihren Seitensprung unter Alkoholeinfluss K.-o.-Tropfen zum Thema, und das Gericht findet, "dass es keine Beweise dafür gibt, dass Spiess-Hegglin planmässig falsche Anschuldigungen verbreitete". Verfahren wegen angeblicher Schändung eingestellt, also ohne Anklage. Hoffentlich zieht die WeWo dieses Maulkorburteil weiter.
  • Daniel Slamanig, 16.05.2017 05:27 Uhr
    Herger: meinen Sie etwa, ein Gericht fälle sein Urteil, wie es grad politisch in den Kram passt? Das hätten Sie wohl gern. Gut kann das Gericht sein Urteil, im Gegensatz zu Ihnen, juristisch begründen.
  • Nico Herger, 15.05.2017 20:24 Uhr
    Das Gericht war wohl so zusammengesetzt, dass ein anderes Urteil gar nicht möglich war.
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