Erst vor gut drei Jahren hatte Ringier seinen Blick zuletzt aufgefrischt. Damals erhielt die Medienmarke neben einem neuen Onlineauftritt auch ein aufgefrischtes Logo und den Claim «Blick. Ich bin dabei». Das alles ist Geschichte. Seit Montag um Mitternacht erscheinen App und Website in überarbeiteter Gestalt, mit angepasster Struktur und neuen Elementen.
Die Verantwortlichen sprechen von einem «grossen Meilenstein» in der Geschichte des Blick und ordnen den aktuellen Relaunch in eine Reihe mit der Gründung der gedruckten Zeitung, der Lancierung vom SonntagsBlick und dem Start von Blick TV ein. Diese Dimension erkennt man allerdings nicht auf den ersten Blick. Das zeigten auch die Rückmeldungen aus dem Testpublikum. Seit Anfang August hatten täglich rund 17’000 Userinnen und User Zugriff auf eine Beta-Version mit den neuen Funktionalitäten. Es sei ja gar nicht so viel neu, lautete eine häufige Rückmeldung. «Das ist fast das grösste Kompliment», sagt Sandro Inguscio im Gespräch mit persoenlich.com. Als Chief Digital & Distribution Officer trägt er die massgebliche Verantwortung für den Relaunch.
Im Kern ging es bei der aktuellen Überarbeitung darum, an der Oberfläche und für das Publikum sichtbar, zu zeigen, was sich hinter den Kulissen in den letzten zwei Jahren verändert hat. «Wir haben zuerst den Newsroom so organisiert, dass die Redaktion 360 Grad über alle Kanäle denkt. Nun haben wir mit dem Relaunch das Produkt gebaut, das diese Struktur darstellen kann», erklärt Digitalchef Inguscio. «Wir können nun vom Inhalt her denken.» Bisher habe das Produkt vorgegeben, wie der Inhalt daherkommt. Mit der neuen Struktur könne das Produkt alles darstellen.
Grosse Themen auch gross darstellen
Die für das Publikum am deutlichsten sichtbare Neuerung zeigt sich ganz oben auf App und Website, wo man als Erstes hinschaut. Die Redaktion kann den Top-Platz nun flexibler bespielen. Neu besteht die Möglichkeit, grosse Themen auch wirklich gross darzustellen, indem das Titelbild hinter das Logo und das Menü hinaufgezogen wird.
Grundsätzlich ist das visuelle Storytelling flexibler geworden. «Wir können nun ein relevantes Thema, beispielsweise einen wichtigen Nationalratsentscheid, zu dem es kein attraktives Bild gibt, prominent zeigen. Das war bisher nicht möglich, weil die Bilder immer gleich gross im oberen Bereich der Site dargestellt wurden. Aber auch umgekehrt: Eine Story, die nur vom Bild lebt, wenn etwa die Rakete von Elon Musk verglüht, lässt sich als optisches Highlight inszenieren», erklärt Sandro Inguscio die optischen Neuerungen an der Spitze der App.
Für eine attraktivere Nutzererfahrung soll auch die bessere Bündelung der Inhalte sorgen. Was zusammengehört, befindet sich nun auch im gleichen Content-Gefäss. Bisher lagen die verschiedenen Elemente zum gleichen Thema teils verstreut in der ganzen App. Die kompaktere Darstellungsweise schafft Raum, sodass bereits das nächste Gefäss angezeigt wird und so zum Weiterscrollen animiert. Davon profitiert natürlich auch die Werbung, die so besser sichtbar wird.
Neben der Optimierung bestehender Strukturen und Abläufe, die auf den ersten Blick wenig spektakulär daherkommen, bringt der aktuelle Online-Relaunch auch neue Formate.
Als erstes Schweizer Medium zeigt Blick Videos im Hochformat, wie man sie von Social-Media-Plattformen kennt. «Warum nutzen so viele Leute TikTok oder Instagram?», fragt Sandro Inguscio – und gibt die Antwort gleich selber: «Weil die User Experience hervorragend ist.» Bei Blick heissen die 30 bis 90 Sekunden langen Videos «Bites». Sie sollen die Nutzererfahrung von Social Media mit journalistischem Inhalt in einem redaktionellen Umfeld kombinieren. Quasi das Beste aus beiden Welten. Allerdings fehlt vorderhand ein entscheidender Faktor, der für den Erfolg von TikTok, Instagram und YouTube sorgt. Bei Blick misst kein Algorithmus, was die einzelne Nutzerin sich anschaut, und bestimmt so die Abfolge der gezeigten Clips. Dafür führt von jedem Video ein Link auf ein weiteres Content-Element innerhalb des Blick-Universums. Sandro Inguscio nennt das Video-Karussell deshalb auch eine «Distributionsmaschine». Die Video-Links bieten einen zusätzlichen Zugang zu Beiträgen, die ein User zuvor übersehen oder gar noch nicht zu Gesicht bekommen hat.
Mit den «Bites» signalisiert Blick auch, dass Video weiterhin eine wichtige Rolle spielen soll. Zwar funktionierte Blick TV in seiner ursprünglichen Form als lineares Digital-TV nicht. Aber die Redaktion profitiert von der Erfahrung mit Bewegtbild und konnte in den vergangenen Jahren Fachkenntnisse im Videobereich aufbauen. «Das kommt uns jetzt zugute», resümiert Digitalchef Inguscio.
Bei einem Relaunch im Jahr 2024 steht unweigerlich die Frage im Raum: Und wo steckt überall KI drin? Für Blick ist künstliche Intelligenz kein Fremdwort. Während die tägliche Arbeit im Newsroom schon in vielerlei Hinsicht davon profitiert, werden nun die User auch vermehrt damit konfrontiert. Etwa in Form automatisch generierter (und redaktionell geprüfter) Zusammenfassungen von Blick-Artikeln oder demnächst mit Folgefragen am Ende eines Artikels. Wenn es beispielsweise um den Mount Everest geht in einem Beitrag, dann steht darunter die Frage, ob man wissen möchte, welches die zehn höchsten Berge der Welt sind. Ein Link führt dann auf einen entsprechenden Blick-Artikel, der die Antwort liefert.
Chatbot basiert auf journalistischen Grundwerten
Das KI-Flaggschiffprojekt ist aber unbestrittenermassen ein Chatbot, den Ringier zusammen mit Google entwickelt und der nun Schritt für Schritt zugänglich gemacht wird. Wie bei ChatGPT oder Perplexity kann man auch BliKI Fragen stellen, die dann eine KI dank der Datenbasis sämtlicher Blick-Artikel und weiterer Texte der Ringier-Medien beantwortet. «Wir wollen den ersten Chatbot bauen, der auf publizistischen Grundwerten und Richtlinien basiert», erklärt Sandro Inguscio die Motivation hinter dem Projekt. Ob der Blick-Chatbot kostenfrei oder im kostenpflichtigen Angebot von Blick Plus platziert wird? «No Comment», sagt Inguscio.
Grundsätzlich findet Sandro Inguscio, «dass ein so grosses Investment, wie wir es mit dem aktuellen Relaunch vorgenommen haben, möglichst alle, die zu Blick kommen, glücklich machen soll.» Man werde den Blick Plus-Kunden natürlich weiterhin einen Mehrwert bieten für ihr Geld. Aktuell zählt Blick 19’000 Abonnements, bei einer täglichen Nutzerschaft von bis zu 1,4 Millionen Usern.
Diesmal soll das Quiz nicht Opfer des Erfolgs werden
Im wörtlichen Sinn um einen Relaunch, also um einen erneuten Stapellauf, handelt es sich bei der Neuauflage des Blick Live Quiz. Eine solche App stand bereits einmal 2018/2019 online und stiess damals auf grosses Interesse. Der Zuspruch war aber so gross, dass das Online-Quiz Opfer seines Erfolgs wurde. Mit 400’000 Downloads und bis zu 60’000 Teilnehmenden pro Spielrunde standen die Kosten für das Streaming damals in keinem Verhältnis zu den spärlichen Erträgen. Das soll sich nun ändern.
Grundsätzlich bleibt alles im bekannten Rahmen. Jeden Dienstag und Donnerstag stellt ein Moderationsduo ein Dutzend Fragen aus den Bereichen Aktuelles und Allgemeinwissen. Beantwortet eine Person alle Fragen richtig, erhält sie 1000 Franken. Die App und die Teilnahme am Spiel sind kostenlos, deshalb fällt das Blick Live Quiz auch nicht unter die Regulierung der Geldspiele (weil man nur Geld gewinnen und keines verlieren kann). Damit das Quiz beim zweiten Anlauf länger Bestand hat, will man verschiedene Brücken schlagen zwischen der Blick-App und der Quiz-App. So weist etwa die Redaktion auf einzelne Artikel hin, die einem beim Beantworten der Fragen helfen.
Wer so viel Aufwand betreibt für einen Relaunch, macht das auch für den kommerziellen Erfolg. Sandro Inguscio antwortet auf die Frage nach den geschäftlichen Erwartungen an den neuen Blick zuerst mit einer bekannten Formel: «User first, Product second, Money will follow – aber Money has to follow.» Und dann ergänzt er noch: «Ich spüre die Zahlen nicht im Nacken, aber ich habe sie vor Augen.»