12.06.2024

Fussball-EM

Schweizer Medien sehen Nati im Viertelfinal

Über 100 Medienschaffende aus den neun grössten Redaktionen des Landes kennen in den nächsten Wochen nur ein Thema: die Fussball-Europameisterschaft in Deutschland. Den grössten personellen Aufwand betreiben SRF, Blick und Blue Sport.
Fussball-EM: Schweizer Medien sehen Nati im Viertelfinal
Im Fokus des Medieninteresses: Nati-Spieler Silvan Widmer bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Stuttgart. (Bild: Keystone/Peter Klaunzer)

Bei der Prognose zum Abschneiden der Schweizer Nationalmannschaft an der Fussball-Europameisterschaft herrscht auf den Sportredaktionen der grossen Schweizer Medien weitgehend Einigkeit: Die Nati erreicht mindestens den Achtelfinal, wenn nicht gar den Viertelfinal. Dahingehend äussern sich auf Anfrage die Redaktionen von Blue Sport, Blick, Tamedia, CH Media, NZZ, Nau.ch und Keystone-SDA. Keine Prognose abgeben wollten SRF und 20 Minuten.

Man könnte in der optimistischen Prognose auch eine Portion Eigeninteresse erkennen – je weiter die Schweizer kommen, desto länger bietet das Turnier in Deutschland attraktiven Stoff für die Berichterstattung. Doch unabhängig davon berichten die grossen Redaktionen ausführlich über die diesjährige EM-Endrunde. Wie sie das genau anstellen, zeigt die grosse Umfrage von persoenlich.com.

SRF – Neue Perspektiven auf das Spiel
Das Schweizer Fernsehen spielt unter den Schweizer Medien eine Sonderrolle, schliesslich bietet kein anderes Unternehmen das Kernprodukt der Fussball-EM – die Spiele auf dem Rasen – live im Bewegtbild. Entsprechend gross ist der Aufwand, den SRF für die Berichterstattung betreibt. Dafür werden anfänglich 24 Personen vor Ort aus Deutschland berichten. Hierzu zählen Kommentierende, Expertinnen und Experten sowie Journalistinnen und Journalisten inklusive Kameraleute für Hintergrundberichte und Interviews, wie SRF auf Anfrage mitteilt. Nach der Gruppenphase sinke der Personalbedarf und ein Teil der SRF-Leute kehrt in die Schweiz zurück.

Die Erfahrung mit internationalen Fussballturnieren, welche die SRF-Crew mitbringt, lasse sich nicht eruieren, teilt der Sender mit. Nur so viel: Allein Sascha Ruefer, Rainer Maria Salzgeber, Daniel Kern, Lukas Studer, Paddy Kälin, Mario Gehrer blicken kumuliert auf 67 Endrunden von Europa- und Weltmeisterschaften zurück; Rufer und Salzgeber berichten seit 1996 von diesen Turnieren.

Neben der Übertragung aller 51 Spiele des Turniers bietet SRF eine Vielzahl weiterer Formate. Die Aufzählung aller Sendungen und Programme umfasst acht DIN-A4-Seiten. Getreu dem Service-public-Auftrag bietet SRF rund um die EM Berichte für ein möglichst breites und unterschiedlich fussballinteressiertes Publikum. Das reicht vom «Kultur-Talk» über die einzige Begegnung auf dem Rasen zwischen BRD und DDR im Jahr 1974 bis hin zur Themenwoche bei «SRF Kids» – und sogar der «Samschtig-Jass» kommt als Euro-Spezial daher. Bei den Talk-Formaten mit EM-Bezug liefert «Sykora Gisler» das Kontrastprogramm mit der gewohnten und bewährten Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgang. Insgesamt sechs Sonderausgaben des Podcasts gibt es während des Turniers. Apropos Audio: Die Schweizer Spiele werden auf Radio SRF 1 und 3 live kommentiert vom Trio Peter Schnyder, Lionel Mattmüller und Kathrin Lehmann. Bei den weiteren Partien gibt es regelmässige Einschaltungen.

Neben dem Radio- und TV-Angebot, das sich im bekannten Rahmen früherer Turniere bewegt, gibt es online eine Neuerung. So ist es etwa auf der Website und in der Sport-App möglich, neben dem üblichen TV-Signal weitere Kameraperspektiven abzurufen, etwa einen «Tactical Feed» oder verschiedene «Player Feeds» – Einblicke, wie sie bisher nur die Kommentatoren hatten.

Blue Sport – Home of Football
Die Swisscom-Tochter versteht sich als «Home of Football». Beim inländischen und europäischen Klub-Fussball kann Blue Sport diesen Anspruch locker einlösen, dank der Übertragungsrechte zahlreicher Ligen und Turniere von Super League bis Champions League. Doch an der EM-Endrunde in Deutschland muss Blue Sport SRF den Vortritt lassen. Spiele des Turniers gibt es auf dem Pay-TV-Sender keine zu sehen. Aber auch ohne Liveübertragung erhält das Blue-Publikum einen Eindruck vom Spielgeschehen. «Wir werden auf einzelne Szenen zurückgreifen und unserer Nutzerschaft in der Berichterstattung bewegte Bilder im Anschluss an die Spiele anbieten können», schreibt Blue Sport.

Schwerpunkt der Berichterstattung bilden die Talks rund um die Schweizer Nati, die Blue Sport in Deutschland produziert. «Das ist ein Novum für uns, bisher waren wir nie mit Reportern direkt vor Ort», teilt der Sender auf Anfrage mit. Jeden zweiten Tag gibt es den TV-Talk «Heimspiel bei der Nati» mit Experten und Blue-Journalisten aus dem EM-Camp der Nati. Vor Ort kann der Sender auf das Fachwissen der ehemaligen Nati-Spieler Pascal Zuberbühler, Ciriaco Sforza und Stéphane Henchoz zählen. Für weitere Formate, die im Studio in Volketswil produziert werden, kommen weitere Experten wie Marcel Reif, Marco Streller und Mladen Petric zum Einsatz. Mit Michael Wegmann, Ressortleiter Sport bei Blue News, und Chefredaktor Andreas Böni bringt der Sender viel Fachwissen ins Programm. Die beiden berichteten in der Vergangenheit von sechs, respektive neun WM- oder EM-Endrunden. Insgesamt setzt Blue um die 20 Leute ein für die Abdeckung des Turniers in Deutschland.

Blick – Noch mehr Zahlen
Neben SRF ist Blick das führende Sportmedium der Schweiz. Diesem Ruf will man gerade bei Grossanlässen besonders gerecht werden. Entsprechend viel Personal kümmert sich um das Turnier ennet der Grenze. «Dadurch, dass die EM in unserem Nachbarland stattfindet, geniessen wir kurze Wege und sind mit insgesamt neun Reporterinnen und Reportern vor Ort», teilt ein Blick-Sprecher mit. In Zürich werde sich mindestens noch einmal dieselbe Anzahl an Kolleginnen und Kollegen um die Fussball-EM kümmern. Also total um die 20 Leute für die gesamte Dauer bis zum 14. Juli. Drei Reporter, ein Videojournalist und ein Fotograf sind direkt bei der Nati stationiert: an den Spielorten in Köln und Frankfurt sowie im Basiscamp in Stuttgart. Weitere Reporter beobachten die Gegner der Schweizer Nati. Was die Erfahrung des EM-Personals angeht, kann es Blick zwar nicht mit SRF aufnehmen. Mit kumuliert 34 EM-/WM-Endrunden-Teilnahmen liegt die Ringier-Redaktion unter den Schweizer Redaktionen auf Platz zwei.

Herzstück der Berichterstattung auf Blick.ch ist das sogenannte Matchcenter, wo man die Spiele in Echtzeit mitverfolgen kann. «Hier bieten wir noch mehr und tiefere Daten», teilt Blick mit. In Echtzeit lassen sich zu jedem Spiel detaillierte Statistiken, taktische Analysen und Features abrufen. In Zusammenarbeit mit The Guardian aus England bietet die Redaktion zu jedem Spieler des Turniers eigene Profile an, ausserdem lassen sich für jede Mannschaft personalisierte Push-Mitteilungen abonnieren. Im Talk-Format «Blick Kick» kommen Experten zu Wort und der frühere Spitzenschiedsrichter Urs Meier nimmt während des Turniers alle strittigen Szenen unter die Lupe. Ein Teil dieser Talks wird in der WintiArena in Winterthur aufgezeichnet, wo ein Public Viewing stattfindet und Blick während des ganzen Turniers mit einem Stand präsent ist.

Tamedia – Tippen auch ohne Fussballwissen
Auf den ersten Blick sieht die Dotierung mit nur drei Journalisten, die für die Tamedia-Zeitungen über die EM-Endrunde vor Ort berichten, bescheiden aus. Dafür ist deren Erfahrung mit solchen Turnieren umso grösser: Thomas Schifferle berichtet erstmals 1988 von einer EM-Endrunde und war seither bei 16 Welt- oder Europameisterschaften dabei; das Turnier in Deutschland wird sein letzter Einsatz für Tamedia an einer EM oder WM sein. Für Florian Raz ist es das achte grosse Fussballturnier. Dominic Wuillemin ist das zweite Mal dabei. Neben den drei Reportern kümmern sich auf der Redaktion in Zürich jeweils sechs Journalisten um die EM. Und dank der langjährigen Partnerschaft mit der Süddeutschen Zeitung kann Tamedia auf deren umfassende Berichterstattung zugreifen.

Neben den geschriebenen Artikeln, die den Kern der EM-Berichterstattung von Tages-Anzeiger & Co. ausmachen, bietet die Tamedia-Redaktion etliche Extras rund um das Turnier in Deutschland. So steht bereits seit Anfang Juni ein Tippspiel online – und zwar eines, das kein spezielles Fussballfachwissen erfordert. So gilt es etwa zu raten, ob der österreichische Goalie als Einlaufkind vor dem Spiel ein Mädchen an der Hand hat oder nicht. Weiter organisiert die Tamedia-Redaktion Chats mit ehemaligen Nationalspielern und den Leserinnen und Lesern. Der Podcast «Dritte Halbzeit» erscheint nach jedem Schweizer Spiel und sonst wie gewohnt am Montag, sollte die Schweiz ausgeschieden sein. Daneben können die Leserinnen und Leser vor jedem Schweizer Spiel ihre Wunschformation bilden. Und sie können die Spieler nach jeder Partie benoten. Daneben informiert die Redaktion das interessierte Publikum täglich mit einem EM-Newsletter. «Wie immer bei grossen sportlichen Grossanlässen werden auch andere Ressorts über die Europameisterschaft berichten, etwa die Ressorts Ausland und Leben», teilt Tamedia-Sportchef Ueli Kägi auf Anfrage von persoenlich.com mit.

NZZ – Auch etwas für die Aktionäre
Die Neue Zürcher Zeitung ist personell ähnlich dotiert wie Tamedia. Auch die NZZ berichtet mit drei Leuten aus Deutschland. Zwei berichten über die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft, bis zu deren Ausscheiden. Und eine Person behält die deutsche Elf und die restlichen internationalen Teams im Auge. Was die Erfahrung angeht, war die NZZ-Crew zusammengezählt an rund 30 grossen Fussballturnieren dabei. Die NZZ bietet zur EM keine speziellen publizistischen Formate. Man werde aber in Podcast und Video punktuell auf das Euro-Geschehen eingehen, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Ausserdem würden auch andere Ressorts neben der Sportabteilung Beiträge rund um die EM anbieten. Für die NZZ-Aktionäre wird eine Podiumsdiskussion zur EM organisiert, mit einer Direktschaltung nach Deutschland, wie die Unternehmenskommunikation mitteilt.

CH Media – Volles Programm für Stadt und Land
Das Aargauer Medienhaus CH Media berichtet auf drei Kanälen über die Fussball-EM in Deutschland. Zum einen in den Tageszeitungen und auf den dazugehörigen Websites, dann in den Lokalradios und Regionalfernsehen mit ihren Today-Portalen und schliesslich auf Watson. Keine EM-Berichterstattung gibt es auf den nationalen TV-Kanälen.

Für das Sportressort der CH-Media-Zeitungstitel berichten die beiden Reporter Christian Brägger und Etienne Wuillemin aus Deutschland, teilt die Medienstelle auf Anfrage mit. Zwei weitere Reporter sind für die EM 2024 akkreditiert. Sie leisten Springer-Einsätze aus der Schweiz je nach Bedarf und Turnierverlauf. Für die regionalen TV- und Radiosender sowie die Today-Plattformen werden insgesamt fünf bis sieben Journalistinnen und Journalisten aus Deutschland berichten. Drei Personen sind jeweils gleichzeitig vor Ort, was eine Person weniger ist im Vergleich zur letzten Fussball-EM in elf verschiedenen Ländern. Das Newsportal Watson deckt das Geschehen anfänglich mit vier Leuten aus der Redaktion in Zürich ab. Für das dritte Gruppenspiel der Schweizer Nationalmannschaft gegen Deutschland werden zwei davon in Frankfurt vor Ort sein. Das von CH Media eingesetzte Personal war zusammengezählt in der Vergangenheit an rund 15 WM- oder EM-Endrundenturnieren dabei.

Das Angebot von CH Media ist dank der unterschiedlichen Positionierung der verschiedenen Kanäle und Plattformen entsprechend breit. Es reicht vom «EM-Aus»-Button auf Watson, mit dem sich die Fussballberichterstattung ausblenden lässt, bis zum Podcast «Tribünengeflüster», den die CH-Media-Sportredaktion nach jedem EM-Spieltag produziert. In einem Videotalk sprechen Chefredaktor Patrik Müller und Sportchef François Schmid-Bechtel über das sportliche Geschehen in Deutschland und beleuchten ergänzend aktuelle Themen abseits des Rasens. Ebenfalls ins Ressort Bewegtbild gehört das tägliche EM-Magazin «Hopp Schwiiz», das die Regionalsender Tele 1, TeleBärn, Tele M1, TeleZüri und TVO zeigen. Watson berichtet umfassend über die Fussball-EM mit allen Spielen, inklusive Ticker und Zusatzgeschichten. Im Angebot sind unter anderem ein Tippspiel, verschiedene Games und Übersichtsgrafiken mit spielerischen Elementen. Auch auf Social Media bietet Watson verschiedene Formate wie beispielsweise ein Nationalhymnen-Quiz.

20 Minuten – Uefa-Turnier im Fifa Museum
Die Newsplattform mit Gratiszeitung der TX Group schickt fünf Leute nach Deutschland, zwei davon begleiten die Schweizer Nati, während die anderen drei auch von Spielen berichten, die das 20-Minuten-Publikum interessieren. Beispielsweise die Spiele von Deutschland, inklusive Eröffnungsspiel in München gegen Schottland, sowie die Spiele der Italiener oder von Albanien. Auf der Redaktion in Zürich kümmert sich derweil das ganze neunköpfige Sport-Team «vollumfänglich um diese Fussball-EM», wie Fussball-Chef Tobias Wedermann auf Anfrage mitteilt. Wedermann und der stellvertretende Sportchef Sebastian Rieder bringen es zusammen auf bisher acht Teilnahmen als Berichterstatter an EM- oder WM-Endrunden.

Für die Berichterstattung konnte 20 Minuten den früheren Nati-Spieler Valon Behrami als Kolumnisten und Experten gewinnen, der das Geschehen an der EM für alle drei Sprachausgaben von 20 Minuten einschätzen und kommentieren wird. Weiter plant die Redaktion Livestreams rund um die Schweizer Nati-Spiele. Beim Public Viewing im Fifa Museum tritt 20 Minuten als Partner auf. Der Podcast «Anderi Liga» wird die EM ebenfalls sehr intensiv verfolgen, mit Spezial-Episoden zur Aktualität und der Schweizer Nationalmannschaft.

Nau.ch – Mischi machts in Deutschland
Für das Newsportal Nau.ch berichten acht Leute über das Fussballturnier. Das sei der gleiche Personalbestand wie bei früheren Grossanlässen, teilt Nau.ch mit. Mit Mischi Wettstein ist der Chefreporter Fussball vor Ort, einer der erfahrensten und eigenwilligsten Fussball-Reporter der Schweiz. Als Experten konnte die Redaktion namhafte ehemalige Fussballer gewinnen, so etwa Hakan Yakin, den Bruder des Nati-Trainers, sowie Lars Lunde, Erni Maissen und Raimondo Ponte. Sie äussern sich während der EM in Kolumnen und Gastbeiträgen zur Europameisterschaft. Als Videoformat bringt Nau.ch einen Nati-Talk.

Keystone-SDA – Der schlanke Dienstleister
Damit auch Redaktionen über die Fussball-EM berichten können, die selbst kein Personal nach Deutschland schicken, bietet die Nachrichten- und Bild-Agentur Keystone-SDA ihre Dienstleistungen an. Der Fokus liegt dabei ganz auf der Schweizer Nationalmannschaft. Das macht sie mit nur vier Leuten: die beiden deutschsprachigen Journalisten Simon Scheidegger und Michael Lehmann lösen sich Mitte des Turniers ab, Laurent Ducret als französischsprachiger Journalist und Fotograf Peter Klaunzer (siehe Bilder in diesem Artikel) bleiben die ganze Zeit in Deutschland. Die Berichterstattung von Keystone-SDA erfolgt in Text, Bild und Video. Weiter liefert die Agentur Grafiken, etwa zu den Schweizer Aufstellungen, Torschützenlisten oder auch zum Spielplan. Unterstützung erhält das Personal vor Ort von den Ressorts in der Zentrale, die Aspekte abdecken, die nicht direkt mit dem Geschehen auf dem Rasen zu tun haben.


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KOMMENTARE

Claude Bürki
13.06.2024 07:38 Uhr
Hauptsache, die wichtigste Nebensache der Welt wird umfassend gewürdigt.
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