03.12.2018

Werbesteuer für Google & Co.

«Schweizer Verlage haben einen Wettbewerbsnachteil»

In der EU wird der Ruf nach einer Digitalsteuer immer lauter. Wäre das eine Variante für die in der Schweiz immer wieder geforderte «Werbesteuer»? Steuerexperte David Hürlimann rät dem Verband, hier eine Position zu finden. Je rascher desto besser.
Werbesteuer für Google & Co.: «Schweizer Verlage haben einen Wettbewerbsnachteil»
David Hürlimann ist als Rechtsanwalt und Steuerexperte bei der Wirtschaftskanzlei CMS von Erlach Poncet in Zürich. (Bilder: zVg.)

Herr Hürlimann*, private Schweizer Medienhäuser leiden stark unter den Internetgiganten wie Google und Facebook. Ist es gerechtfertigt, dass sie nun eine steuerliche Abgabe auf deren Werbeeinnahmen fordern?
Ja. Im Gegensatz zu Industriebetrieben schaffen es digitale Unternehmen besser, ihre ganze Firmenstruktur, also ihre «Produktionsanlagen» und ihre Vertriebsträger, an einen für sie steuerlich günstigen Ort zu verschieben. Sie haben ihren Sitz in Ländern wie Irland oder Holland, wo die Steuerbelastungen für digitale Unternehmen sehr tief sind. Von dort aus erbringen sie Leistungen für eine enorm hohe Anzahl von Kunden auf der ganzen Welt, ohne dafür in den jeweiligen Ländern Gewinnsteuern zu zahlen. Das führt zu einem Wettbewerbsnachteil für die Schweizer Verlage und Medienhäuser, die teilweise ähnliche Leistungen – wie beispielsweise Online-Werbung – anbieten und dafür in der Schweiz Gewinnsteuern entrichten müssen.

Wie könnte das fairer werden?
Dazu muss ich etwas ausholen: Es kommen grundsätzlich zwei Arten von Steuern infrage: Erstens die Mehrwertsteuer und zweitens die Gewinnsteuer. Die digitalen Unternehmen werden in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig, auch wenn sie hierzulande über keine physische Präsenz verfügen. Die entgeltlichen Leistungen von Google, Facebook unterliegen somit in der Schweiz bereits der Mehrwertsteuer. Im Bereich der Mehrwertsteuer besteht somit kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Demgegenüber kann die Gewinnsteuer vom Staat typischerweise nur bei denjenigen Firmen erhoben werden, die über eine physische Präsenz im entsprechenden Staat verfügen. Diese Einschränkung ist historisch bedingt und bedeutet, dass eine Firma dort Gewinnsteuern bezahlen muss, wo sie mit dem Hauptsitz und ihren Betriebsstätten physisch präsent ist. Wenn nun Firmen wie Netflix oder der «Economist» in der ganzen Welt – und auch in der Schweiz – Abonnemente verkaufen und damit grosse Gewinn erwirtschaften, werden diese Gewinne in der Schweiz nicht mit der Gewinnsteuer erfasst.

Was bedeutet das?
Man muss das historisch bedingte «Betriebsstättensystem» modernisieren. Die diskutierte Google-Steuer, oder die Werbesteuer, wie Sie das nennen, würde bedeuteten, dass Unternehmen nicht nur bei einer physischen Präsenz, sondern auch bei einer «signifikanten digitalen Präsenz» in einem Land gewinnsteuerpflichtig werden – auch wenn das Unternehmen im entsprechenden Land über keine physische Präsenz verfügt.

Wie ist «signifikante digitale Präsenz» definiert?
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission führt das Erreichen einer der nachfolgenden Schwellenwerte zu einer signifikanten digitalen Präsenz: Entweder mehr als sieben Millionen Euro Umsatz im Land pro Jahr, über 100'000 Nutzer oder mehr als 3000 Geschäftsabschlüsse über digitale Dienstleistungen pro Jahr. Letzteres könnten beispielsweise Werbeverträge sein, das betrifft Facebook, eine Unternehmung, die weltweit mit tausenden Unternehmen Werbeverträge abschliesst.

Wie grosse Chancen hat diese Gesetzesänderung?
Ich könnte mir vorstellen, dass der Rückhalt in der Bevölkerung dafür gross ist. Damit ausländische Unternehmungen infolge einer digitalen Präsenz besteuert werden können, ist eine Anpassung sämtlicher Doppelbesteuerungsabkommen erforderlich. Doch das geht naturgemäss sehr lang. Weil die EU nicht so lange warten will, möchte sie als Übergangslösung auf Umsätzen der Digital-Unternehmen in den unterschiedlichen EU-Ländern drei Prozent Gewinnsteuer erheben – so jedenfalls lautet der Vorschlag der EU-Kommission, der derzeit politisch breit diskutiert wird.

«Die Schweiz wird mit Google nicht ohne Not auf direkten Konfrontationskurs gehen»

Würden diese drei Prozent nur für amerikanische Konzerne gelten?
Nein, nicht nur. Aber es würde vor allem die Tech-Giganten aus den USA treffen. Sicherlich wären aber auch europäische Medienhäuser wie Axel Springer und Bertelsmann betroffen.

Welchen Weg wird die Schweiz gehen?
Sie wird aus politischen Gründen wahrscheinlich nicht einfach die EU-Variante übernehmen wollen. Ich gehe davon aus, dass die Schweiz wohl erst aktiv wird, wenn ein entsprechender Vorschlag der OECD vorliegt. Dazu kommt, dass ja Google in Zürich einen wichtigen und grossen Entwicklerstandort hat. Daher wird die Schweiz mit Google nicht ohne Not auf direkten Konfrontationskurs gehen. Wir werden also sicher keine Werbesteuer einführen, bevor es die EU getan hat. Es ist aber ein wichtiges Anliegen der Schweizer Medienhäuser, den erwähnten Wettbewerbsnachteil zu beseitigen.

«Gesetze müssen der Verlagerung in die digitale Wirtschaft folgen»

Wenn alle, die in der Schweiz digitale Dienstleistungen verkaufen, zusätzlich oder neu besteuert werden, würden auch Tamedia respektive Goldbach getroffen, denn sie verkaufen ausländische Werbefenster.
Grundsätzlich wären von dieser neuen Steuer auch Schweizer Medienhäuser betroffen, die im Ausland über eine signifikante digitale Präsenz verfügen. Die im Ausland entrichteten Gewinnsteuern müssten jedoch in der Schweiz nicht noch einmal besteuert werden. Dafür sorgen die erwähnten Doppelbesteuerungsabkommen, die jede Art von Doppelbesteuerungen vermeiden.

Mit Blick auf andere Länder: Wo gibt es die «Google-Steuer» bereits?
Offenbar kennen Israel, gewisse US-Gliedstaaten und auch Italien bereits ähnliche Formen der Gewinnbesteuerungen. Ich weiss aber nicht, ob Italien diese Steuer tatsächlich bereits erhebt. Das zeigt: Diese Steuer wird sowieso irgendwann kommen, denn die Steuergesetze müssen der Verlagerung in die digitale Wirtschaft folgen, sonst geht den Staaten irgendwann das Geld aus.

Das scheint aber nicht auf der obersten Agenda der Politik zu sein.
Ja, die Präsenz von Google in Zürich mag hier nicht beschleunigend wirken. Aber das Thema wird von den Medien und auch der Politik immer wieder aufgenommen, etwa erst kürzlich beim Digitaltag. Und ich glaube schon, dass diesem Thema von der Politik grosse Beachtung gechenkt werden sollte.

Auch für die Schweizer Medienhäuser?
Eine solche Steuer wäre für die Medien- und Kommunikationsbranche nur von Vorteil. Sie würde Chancengleichheit schaffen und damit Facebook und Google etwas einschränken, die ja auf dem Werbemarkt extrem dominant sind.



* David Hürlimann ist als Rechtsanwalt und dipl. Steuerexperte. Er ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS von Erlach Poncet in Zürich. Er berät den Verband Schweizer Medien im Bereich der diskutierten Digitalsteuer.

 

 

 

 

 

 

 


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