«Ein riesiger Knall, Staub- und Nebelwolken stiegen hoch – ein Druckstoss war spürbar.» So schildert Beat Kälin den Moment, als am 28. Mai um 15.30 Uhr grosse Mengen Eis, Fels und Geröll ins Tal stürzten und weite Teile des Dorfs Blatten unter sich begruben. Dass es so weit kommen würde, hatte sich seit Tagen abgezeichnet. Mit seinen Kameras hielt Kälin die Entwicklung bis zum fatalen Grossabbruch und darüber hinaus fest im Auge. Was im Gefahrengebiet am Birchgletscher unterhalb des Kleinen Nesthorns geschah, konnte dem erfahrenen TV-Reporter nicht entgehen. Seine Firma BRK News hatte von der SRG den Auftrag erhalten, die Vorgänge zu verfolgen und die sich anbahnende Naturkatastrophe zu dokumentieren. «Wir beobachteten und filmten den Berg rund um die Uhr, Tag und Nacht», so Kälin gegenüber persoenlich.com.
Als es schliesslich so weit war, hatte er es bereits zehn Minuten vorher kommen sehen. «Auf unseren Bildern wurde plötzlich ein grosser weisser Riss quer durch den ganzen Gletscher sichtbar», so Kälin. Nach ungefähr fünf Minuten sei zuerst die linke, dann die rechte Flanke des Gletschers weggebrochen, und plötzlich habe sich ganz langsam die gesamte Wand gelöst, erinnert sich der Reporter. «Ab diesem Moment funktionierten wir nur noch.» Zuvor hatte Kälin die Behörden und den SRF-Newsroom informiert, dass es nun passiert.
«Alles musste flexibel und robust sein»
Beat Kälin und Roger Lips bezogen am 19. Mai auf der anderen Talseite des abbrechenden Gletschers auf 2100 Metern über Meer auf der Weritzer Alp Stellung. Die beiden Reporter waren mit ihrem Schnittmobil, sowie modernster Kamera- und Satellitentechnik angereist. Neben den herkömmlichen Kameras hatten Kälin und Lips auch zwei Drohnen dabei. Eine davon ist speziell für schwierige Wetterbedingungen ausgerüstet. Dabei handelt es sich um ein Fluggerät, wie es sonst Feuerwehr, Polizei und Armee verwenden und das nicht dafür gemacht ist, um schöne TV-Aufnahmen zu machen.
Für die Aufnahmen in der Dunkelheit und bei schlechter Sicht verwendete BRK News militärische Nachtsichttechnik und eine Wärmebildkamera. Mit einer mobilen Schnittlösung konnten sie die Aufnahmen direkt vor Ort aufbereiten. «Alles musste flexibel und robust sein – bei solchen Einsätzen hat man keine zweite Chance», erklärt Kälin auf Anfrage.
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Von dieser Alp aus beobachteten Beat Kälin und Roger Lips den Gletscherabbruch, der das Dorf Blatten verschüttete. (Bild: BRK News)
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Monitor mit Sicht auf Gletscher (Bild: BRK News)
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Bild der Wärmebildkamera mit Blick auf den Gletscher morgens um 2 Uhr. (Bild: BRK News)
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Durch die Druckwelle wurde das Produktionsfahrzeug mit einer Schlammschicht zugedeckt. (Bild: BRK News)
BRK News bietet sich bei solchen Grossereignissen als «Speerspitze der Medien» an: Sie sind schnell vor Ort, liefern die ersten Bilder und ziehen sich danach immer so schnell zurück, wie sie gekommen sind, sobald die Redaktionen mit ihren eigenen Leuten übernehmen. In dieser Funktion arbeitet BRK News auch regelmässig und seit Jahren schon für das Schweizer Fernsehen sowie für die grossen anderen Schweizer Medienhäuser. Wobei der Einsatz in Blatten um einiges länger dauerte als die Blaulichtereignisse, die BRK News normalerweise abdeckt.
«Konnten Beitrag zur Sicherheit leisten»
Ebenfalls anders als im «normalen» Tagesgeschäft der TV-Reporter war die zusätzliche Aufgabe, mit der Kälin und Lips plötzlich betraut wurden. Nachdem der regionale Führungsstab in der SRF-«Tagesschau» Nachtaufnahmen von Felsabbrüchen gesehen hatte, nahm die Behörde mit Kälin Kontakt auf, der die Bilder mit seiner Nachtsichtkamera realisiert hatte. Er solle sich fortan beim Führungsstab melden, sobald er grössere Bewegungen oder Abbrüche beobachten sollte. «So wurden wir plötzlich zu einem wichtigen Beobachtungsposten und konnten einen Beitrag zur Sicherheit vieler Menschen leisten», beschreibt Kälin die verantwortungsvolle Aufgabe. Im Auftrag des Führungsstabs führte BRK News auch nächtliche Kontrollflüge über dem Gefahrengebiet durch, um zu schauen, dass sich dort niemand aufhält.
Beat Kälin und seine Firma erhielten eine exklusive Ausnahmebewilligung für ihre Drohne, da ansonsten eine Luftraumsperre für das Gefahrengebiet verhängt wurde. Der Führungsstab wollte aber den Medien trotzdem Luftaufnahmen zur Verfügung stellen. Deshalb wählte er BRK News als Produzent aus. «Wir lieferten die Aufnahmen in einen Pool, und da die SRG unser Auftraggeber war, mussten die Bilder danach zwingend mit der Quellenangabe SRG versehen werden», beschreibt Kälin das Vorgehen. Via SRG gingen die Bilder dann um die Welt. Zum einen erhielten die öffentlich-rechtlichen EBU-Partnersender kostenfreien Zugriff aufs Bildmaterial. Zum anderen wurden auch private internationale Medien kostenfrei mit dem Material beliefert, wie die Medienstelle von SRF auf Anfrage erklärt.
«Wir waren Teil einer Gemeinschaft»
Dass es sich im Lötschental nicht um einen 08/15-Einsatz handelte, merkten Kälin und Kameramann Lips auch an der Reaktion der lokalen Bevölkerung. Sie brachten ihnen Kaffee und Kuchen oder wollten sie zum Raclette-Essen einladen. Andere boten gar ihre Maiensässe an, die sie hätten nutzen könnten. «Das hat uns tief berührt», so Kälin. «Und es zeigte, dass wir in dieser schwierigen Zeit nicht nur professionelle Beobachter waren, die einen Service-public-Auftrag erfüllten, sondern auch Teil einer Gemeinschaft.»
Mitarbeit: Christian Beck