TV-Kritik

Eine schöne Gedenksendung für die Ikone

Die Hommage begann am Dienstag auf SRF zur besten Sendezeit mit einer Peinlichkeit. Nach der Begrüssung erklärte Sven Epiney in der Sendung mit Blick auf seine Studio-Gäste: «Ich habe ein kleines Problem. Die anwesenden Musiker haben mich gebeten, dass wir uns per Du ansprechen.» Danach schaute der Moderator Moritz Leuenberger an. Ausgerechnet der alte Salon-Sozi und ehemalige Anwalt von Polo Hofer meinte, gewohnt wie ein Oberlehrer: «Im Bundesrat waren wir bei den Sitzungen per Sie, nachher beim Kaffee per Du. Hier können wir es umgekehrt machen.»

Wahrhaftigkeit und Politik wohnen selten unter einem Dach (Stefan Zweig). Lieber Sven, ganz locker. Nimm auch Ex-Politiker wichtig, aber keinen ernst. Vor vierzig Jahren war ich mit Leuenberger per Du. Heute siezt er mich. Welcome! Ich duze nur noch Menschen, mit denen ich mich auf einer Wellenlänge fühle. Herr Leuenberger, soll ich Ihnen das erklären? Der Alt Bundesrat, Mundwinkel wie immer nach unten, hatte in der Sendung nur noch griesgrämig beizutragen, dass er wenig hält von Polos Hits «Alperose» und «Bin i Gottfriedstutz e Kiosk». Leuenberger: «Beim Schunkeln wird mir gschmuch.» Merke wohl: «Alperose» wurde 2006 haushoch zum grössten Schweizer Hit gewählt. Wär Leuenberger doch am Zürichberg geblieben.

Abgesehen von diesem Ärgernis war es eine schöne Gedenksendung für die helvetische Ikone. Mit Freunden und Weggefährten. Polos Ex-Gitarristen Schöre Müller und Hank Shizzoe, sein Musiker-Kollege Toni Vescoli sowie Dok-Filmer Hanspeter Bäni hatten Spannendes, Menschliches und Rührendes über den schillernden «Polo National» zu erzählen. Rebell sein war das zweite Standbein des Mundart-Rocksängers, Freigeistes und Provokateurs, der eigentlich Urs hiess und von den Pfadis seinen Namen Polo mitnahm.

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Polo berauschte sich nicht nur an der Musik. Er trank und kiffte viel, aber blieb dennoch ein wacher und humorvoller Geist. Vor Jahrzehnten sprach ich ihn vor einer TV-Sendung auf seinen Hasch-Konsum an. Seine Antwort: «Ob Kiffen vergesslich macht, weiss ich nicht mehr.» Die meisten Menschen hören Musik, Polo lebte sie. Wo kein Herz ist, ist keine Musik. Und wo Musik ist, kann nichts Böses sein. Polo hat mit seiner Musik Geschichten erzählt. Die Lieder des Berners (er war eher ein melancholischer Mensch als ein Bürgerschreck) fanden den Weg in viele Schweizer Seelen.

Ich vermute, Sprücheklopfer Polo Hofer lachte oftmals nur, um nicht zu weinen. Schon länger lächelte der Tod ihm zu. Er lächelte zurück. Polo wird noch lange leben, auch wenn er tot ist. Von ihm bleibt viel. Seine Zeilen:

 

Äsche zu Äsche, Stoub zu Stoub

Mir gö mit em Wind, grad wie ds Lindeloub

Es blybt nid viel, i däm Spiel

underem grosse Sunnerad

Wenn mys letschte Stündli schlaht.

 


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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