TV-Kritik

Sat.1 total am Boden

Sat.1 gerät immer tiefer in die Krise. Im Februar musste der Sender mit 5,3 Prozent den schwächsten Marktanteil seit über 30 Jahren verbuchen. Dieser war einst dreimal so hoch. «Freut euch drauf» lautet der Slogan des Bällchensenders. Passender wäre das Motto: «Jetzt freut euch gefälligst daran». Oder: «Gefällt nicht, gibts nicht».

Seit Anfang Februar läuft eine neue Staffel von «Big Brother» in Sat.1. Dies trotz «heissen» Bildern aus der Bewohner-Dusche mit katastrophalen Quoten. Im Januar musste der Sender sein Nacktexperiment «No Body is perfect» nach drei Folgen absetzen. Es waren nur noch 880'000 Zuschauer dabei. Währenddessen holte RTL mit dem Dschungelcamp über 6,2 Millionen und einen Marktanteil von 30 Prozent beim Gesamtpublikum. Neuer Rekord. Den ewigen Konkurrenzkampf zwischen den beiden Sendern gibt es längst nicht mehr. RTL in Köln spürt vom Mitbewerber in München ab und zu höchstens noch ein laues Lüftchen.

Sat.1 (Chef: Kaspar Pflüger) musste in den letzten Jahren immer häufiger Sendungen kippen oder ins Nachtprogramm verschieben, weil sie beim Publikum nicht ankamen. Und der Absetzungshammer schlägt immer häufiger zu. Beispiele: Im Herbst wurden die beiden Vorabend-Formate «Ungelogen» und «Nächste Ausfahrt Liebe» aus dem Programm geschmissen. «The Voice Senior» endete als Mega-Flop. «Der Bulle und das Biest» sollte letztes Jahr eine Art neuer «Kommissar Rex» werden. Die Serie erreichte nur leicht über fünf Prozent Marktanteil. Aus die Maus. Ebenso erging es der neuen Staffel des Krimis «Einstein». Mit eigenproduzierten Sendungen bringt es der Sender einfach auf keinen grünen Zweig.

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RTL produziert in internationaler Zusammenarbeit seit Bestehen innovativere und damit erfolgreichere Formate. Die Vorabend-Soap «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» ist seit 28 Jahren ein Quotengarant. Und für den Sender dank tiefen Produktionskosten und viel Werbungeinahmen eine Geldmaschine. Quoten-Leuchttürme sind nach wie vor die Bohlen-Shows «DSDS» und «Das Supertalent», «Let's Dance», die Trampolin-Show «Big Bounce» oder «Wer wird Millionär?».

Warum ist RTL kreativer und erfolgreicher? Einer der Hauptgründe: Sat.1 konnte lange Jahre auf Aberhunderte von Filmen und Serien von Rechtinhaber und Sendergründer Leo Kirch (gest. 2011) zurückgreifen. Und hat es sich dabei bequem gemacht. RTL war gezwungen, viel mehr eigene Formate zu realisieren. Ausserdem haben die RTL-Programmmacher die Nase immer im Wind, und sind einfach cleverer. Sat.1-Unterhaltungschef Uwe Schlindwein räumt in diesen Tagen sein Büro. Sein Nachfolger wird Mark Land. Dieser kommt – welch eine Überraschung – von RTL. Vorschlag für einen neuen Sat.1-Slogan: «Land in Sicht».

 


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Pierre Rothschild, 09.03.2020 17:28 Uhr
    Sat1 hatte die grosse Zeit, als Dr. Leo Kirch seine Filme dort alle abspielte. Heute gibt es in der Filmbranche Output-Deals, RTL bietet da erfolgreich mit. Und viele Formate gehören Fremantle TV, einer weltweit erfolgreichen Firma, die auch RTL/Bertelsmann gehört.
  • Rolf Mueller , 06.03.2020 22:10 Uhr
    Ein treffender Kommentar, SAT1 ist am Boden, eine Frage der Zeit bis abermals ein neuer Chef das Ruder übernimmt. Aber selber schuld früher hatte SAT1 auch Leuchttürme im Programm, erfolgreiche Serien, Gameshows und bekannte Sendergesichter. Heute besteht das Programm nur noch aus Scripted Reality oder US Serien, da Lob ich mir Lieber RTL die unter der neuen Führung wieder mehr auf Live Fernsehen setzen!
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