Roger de Weck (64) ist jetzt der Schawinski der «Republik». Für das Onlinemagazin talkt der frühere SRG-Generaldirektor im neuen Format «An der Bar». Er will dies mit spannenden Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft tun (persoenlich.com berichtete). Bei der Premiere am Mittwochabend war das Wort der beeindruckenden Carla Del Ponte gegönnt.
Die 45-Minuten-Sendung kommt modern daher, auch wenn es bei der Bildsprache noch Mängel gab. De Weck ist ein geschickter Gesprächsleiter. Bis 2010 zeigte er dies regelmässig als Moderator der SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie».
Carla Del Ponte (71) ist seit Wochen auf vielen Kanälen zu sehen. Doch es fesselt einem immer wieder, wenn man ihr zuhört. Diese Frau spricht Klartext. Und gab auch De Weck und der Republik gerne Antworten. Derzeit ist sie häufig mit ihrem Buch «Im Namen der Opfer» unterwegs (aktuell Platz fünf in der Bestsellerliste). Die charismatische Tessinerin (erhielt im Frühjahr den Deutschen Friedenspreis) gab mit ihrem Werk ein unerschrockenes Statement ab über ihren verzweifelten Kampf für Menschenrechte und Frieden. Und ergänzt: «Ich habe das Buch zu meiner Befreiung und gegen meinen Frust geschrieben.»
Im Oktober 2017 hatte Del Ponte überraschend ihren Rücktritt als Uno-Sonderberichterstatterin von Syrien bekanntgegeben. Die frühere Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes wirft der internationalen Gemeinschaft im Syrien-Konflikt kollektives Versagen vor. Bei De Weck sagte sie: «Ich muss leider gestehen, dass ich gescheitert bin. Wir haben nichts erreicht. Ich hatte täglich gekämpft, dass etwas unternommen wird. Doch es ist kein politischer Wille da für den Frieden in Syrien. Die Staaten wollen diesen nicht, sagen es aber nicht. Das Land wird total zerstört, und die Welt schaut zu.» So schlimme Verbrechen, wie sie Syrien begangen werden, hatte Del Ponte nach eigenen Worten weder in Ex-Jugoslawien noch in Ruanda gesehen. Und fasst resigniert zusammen: «Als Chefanklägerin hatte ich etwas erreicht, in Syrien nichts. Die Uno war noch nie so schwach wie heute!»
Eine Schweizer Firma hatte bis Ende 2014 offenbar über 5000 Kilo Isopropanol nach Syrien geliefert – genehmigt vom Staatssekretariat für Wirtschaft. Die Chemikalie wird unter anderem auch für die Herstellung des Nervengases Sarin benötigt. Von Roger de Weck darauf angesprochen sagte Del Ponte: «Das macht mich wütend. Die sollen sich alle schämen!»
Mit Angriffen, so erzählte Carla del Ponte «An der Bar», konnte sie immer gut umgehen. «Ich fürchtete nichts. Und ich habe mein Leben bei meiner Arbeit einige Male aufs Spiel gesetzt. Aber hatte immer Glück. Und ich konnte Emotionen wie mit einem Lichtschalter löschen.»
Nach ihrem grössten Wunsch befragt, kam die ebenso bewundernswerte wie faszinierende Frau noch einmal auf ihr Hauptanliegen zurück: «Frieden für Syrien. Und für die Welt.» Dafür kann sie sich vorstellen, noch einmal eine Mission zu übernehmen. «Aber es eilt. Wegen meinem Alter.»
TV-Kritik
Starker Talk mit grosser Kämpferin