18.03.2016

Hakenkreuz-Plakat

«Ich werde nicht gegen die SBB vorgehen»

Vor der Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative sorgte das Hakenkreuz-Sujet von Parvez Sheik Fareed kräftig für Wirbel. Nachdem etwas Ruhe eingekehrt ist, zieht der Zürcher Werber im Gespräch mit persoenlich.com Bilanz.
Hakenkreuz-Plakat: «Ich werde nicht gegen die SBB vorgehen»
von Lucienne Vaudan

Herr Sheik Fareed, Ihr Hakenkreuz-Plakat hat die letzten zwei Wochen vor der Abstimmung um die Durchsetzungsinitiative dominiert und einiges ausgelöst. Haben Sie das im Voraus erwartet?
Dass es diese Dimensionen annimmt nicht, aber dass das Sujet das Potenzial hat eine gewisse Resonanz zu erzeugen, das durchaus. Eine Debatte ist ja auch das Ziel von politischer Werbung, um Leute für oder gegen eine Sache zu mobilisieren. Aber ich denke, das Ausmass an Reaktionen auf Werbung kann man generell nicht kontrollieren, dazu gibt es zu viele unbekannte Faktoren und Elemente.

Gab es Momente, in denen sich die Ereignisse überschlugen oder haben Sie einfach zugeschaut und sich über den Lärm gefreut?
Bei der Dynamik, die entstand, stellte ich mir natürlich die Frage, ob es das ist, was ich auslösen wollte. Denn einerseits haben die Leute über den Inhalt geredet, und genau das wollte ich erreichen, ich wollte gegen die Durchsetzungsinitiative mobil machen. Auf einem Nebenschauplatz fand aber auch eine Stil-Debatte statt, man fragte sich, ob die Kampagne gefällt oder nicht. Aber Werbung muss funktionieren, effektiv sein. Eines der grössten Probleme der Branche ist, dass Werber zu sehr damit beschäftigt sind, ob ihre Werbung gefällt. Gefallen ist eine Frage des persönlichen Geschmackes. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich keine Einigung finden.

Aber Sie konnten sich ja ausmalen, dass ein Hakenkreuz für Furore sorgen würde.
Klar. Wenn man Werbung macht, dann will man damit etwas auslösen. Werbung ist nicht dazu da einfach angeschaut zu werden. Wenn dann eine Debatte entsteht und sich eben auch Nebenschauplätze öffnen, muss man zusehen, in welche Richtung sich die Diskussion entwickelt und der Situation so entgegenwirken, dass sich die Aufmerksamkeit wieder auf die eigentliche Botschaft fokussiert. Und solange keine Unwahrheit erzählt wird, ist das auch kein Problem. Interessant ist ja auch, dass die Medien nie einen Historiker zur inhaltlichen Aussage des Plakats befragten.

Konnten Sie die Diskussionen um das Hakenkreuz-Sujet überhaupt noch steuern? Vieles hat sich ja dann überschlagen.
Natürlich entwickelte sich eine Eigendynamik, aber wenn dann Medienfragen gekommen sind, habe ich versucht, den Fokus immer wieder auf die Problematik der Durchsetzungsinitiative zu lenken ohne auf die Nebenschauplätze einzugehen.

Aber Sie haben sich zumindest zu Beginn den Medien verweigert, als BDP-Präsident Martin Landolt mit einem Tweet Ihres Sujets einen mittleren Politskandal ausgelöst hat.
Weil halt schnell die Frage aufgekommen ist, wer dieser Werber ist und ich nicht wollte, dass eine Diskussion um mich als Person entsteht. Ich habe dann aber rasch gemerkt, dass das sowieso geschieht, auch wenn ich mich diesen Fragen entziehe. Und wenn ich mich einschalte, kann ich immerhin Gegensteuer geben. Eine gewisse Personifizierung entsteht wohl automatisch. Die Leute scheinen wissen zu wollen, wer hinter einer Geschichte steht.

Sie haben sozusagen in einer Ein-Mann-Show eine politische Kampagne lanciert und einen Sturm im Wasserglas provoziert. Wie erlebten Sie die Reaktionen darauf?
In den Medien war vor allem Entrüstung zu vernehmen, auf Facebook wurden meine Handynummer und private Mailadresse veröffentlicht. Aber Facebook und die Medien sind ja nur ein Teil der Realität. Hinter vorgehaltener Hand habe ich Zuspruch erhalten. Gerade auch von älteren Leuten. Auch ein Plakatsammler hat sich gemeldet, der um signierte Plakate bat. Der Umgang mit den Medien und der öffentlichen Aufmerksamkeit für etwas, das ich im Alleingang losgetreten hatte war natürlich eine neue, interessante Erfahrung. Ich habe viel gelernt in diesen zwei Wochen (lacht).

Man wollte Sie wegen Verletzung des Wappenschutzgesetzes vor Gericht bringen. Der Aargauer Anwalt David Sassan Müller sagte, er werde Sie wegen Verletzung der Rassismus-Strafnorm anzeigen. Liegen gegen Sie aktuell Anzeigen vor?
Was die Verletzung des Wappenschutzgesetzes angeht, hat die Staatsanwaltschaft entschieden kein Verfahren einzuleiten, weil hier keine Verletzung vorliegt. Müllers Argumentation, das Sujet sei rassistisch, weil sein Grossvater im zweiten Weltkrieg an der Grenze stand, fand ich ziemlich filmreif. Das war wohl eher ein kurzer PR-Coup für seine juristischen Unkenntnisse. Jedenfalls wären mir keine weiteren Anzeigen gegen mich bekannt.

Aber als Sie davon in Kenntnis gesetzt wurden, dass juristische Konsequenzen auf Sie zukommen könnten, haben Sie da weiche Knie bekommen?
Nein, da habe ich mir nie wirklich Sorgen gemacht. Es haben sich dann auch einzelne Anwälte bei mir gemeldet, die mir sagten, sie wären an meiner Vertretung interessiert, falls es zu einer Anklage käme, die sie als sehr aussichtslos beurteilen.

Die SBB haben sich mit der Schaltung ihres Inserates und dem Rückzieher zwei Tage später in die Bredouillen gesetzt. Wie stehen Sie zu der Begründung der SBB, das Sujet sei unzumutbar, weil es die Gefühle von Kunden verletzt habe?
Ich habe ein Dokument vom 17. Februar vorliegen, also vor der ersten Schaltung am Montag, dem 22. Februar, wo folgende Aussage aus dem Hause der SBB an die APG gemacht wird, ich zitiere: «Nach Rücksprache mit unserem Rechtsdienst kann ich dir zu diesem Aushang die Freigabe erteilen.» In Anbetracht der juristischen Abklärungen, die laut SBB ja stattgefunden haben, gibt es keine objektiven Gründe, die für einen Schaltungsstopp sprechen. Mit positiven und negativen Gefühlen zu argumentieren ist so ziellos wie über den Geschmack zu streiten. Den Schaltungsstopp der SBB sehe ich als politische Zensur, so wie das auch der Kommunikationsrechtsexperte Reto Inglin bereits gesagt hat (persoenlich.com berichtete).

SBB CEO Andreas Meyer twitterte daraufhin, es brauche wohl «in Ruhe eine Auslegeordnung» über politische Werbung. Finden Sie das auch?
Das ist ein schöner Satz, der klug tönt, aber völlig inhaltsleer ist. Die SBB haben sich mit ihrer Kommunikation in einem Labyrinth der eigenen Argumentation verrannt. Die SBB haben den klaren Auftrag, politische Werbung zu schalten. Es liegt nicht an Andreas Meyer, diesen Auftrag zu reinterpretieren. Die Begründung der verletzten Gefühle ist schlicht lächerlich.

In den sozialen Netzwerken haben sich Gruppen formiert, die forderten dass wenn das Hakenkreuz «zensiert» werde, auch SVP-Plakate wegen verletzter Gefühle entfernt werden müssen. Wie stehen Sie dazu?
Das zeigt auf, dass die SBB sich selber ein Problem geschaffen hat. Die SBB müssten ja nur auf ihren Auftrag verweisen, politische Werbung zu schalten. Jetzt müssen sie sich wohl bei jeder politischen Werbeschaltung mit verletzten Gefühlen herumschlagen und rechtfertigen, weshalb sie auf die Gefühle der einen mehr Rücksicht nehmen als auf die Gefühle der anderen.

Hat man Sie im Vorfeld über diese Entscheidung informiert?
Als ich an jenem Mittwoch erfahren hatte, dass die Werbeschaltung gestoppt werde, hatte ich auf meinem Anrufbeantworter eine Sprachnachricht vom Head of Communication der SBB.

Die SBB haben Ihnen dann angeboten, die Werbeschaltung ohne das Hakenkreuz-Sujet weiterzuführen. Warum sind Sie darauf nicht eingegangen?
Weil die Botschaft dann flöten geht. Dann kann man's gleich lassen. Dass ist wie wenn Ihnen der Architekt ein Haus baut, aber auf das Dach sollen Sie gefälligst verzichten. Eine völlig bescheuerte Sache.

Gehen Sie jetzt juristisch gegen die SBB vor? Sie haben gegenüber dem «Blick» geäussert, dass Sie sich juristische Schritte vorbehalten.
Nein, ich werde nicht gegen die SBB vorgehen. Mir ist kein finanzieller Schaden entstanden, weil man mir nur die Schaltungen für Montag und Dienstag in Rechnung gestellt hat, nicht aber die weiteren gebuchten Schaltungen die gestoppt wurden. Ich könnte nun juristisch prüfen lassen, ob die Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde. Aber wem und was bringt das? Der zitierte Bundesgerichtsentscheid auf den sich die SBB berufen, regelt dies ja bereits: «Auf den Inhalt einer Meinungsäusserung kommt es grundsätzlich nicht an. Auch inhaltlich provozierende oder schockierende Äusserungen verdienen grundrechtlichen Schutz.»

Gegen das Hakenkreuz erscheinen die ebenfalls oft kritisierten SVP-Schafe beinahe harmlos. Verroht die politische Kommunikationskultur allmählich?
Finde ich nicht. Ich war an besagtem Montag der ersten Tagesschaltung am Zürcher Hauptbahnhof und bin dort eine Zeit verweilt und habe die Leute beobachtet. Ich habe niemanden gesehen, der stehengeblieben ist und sich gewundert oder geärgert hätte über das Plakat. Da ist die Selbstüberschätzung der Werbe- und auch Medienbranche massiv. Was heute ein Skandal ist, ist morgen vergessen. Oder wissen Sie was am Donnerstag vor einer Woche Schlagzeilen machte ohne nachzuschauen? Um ins Gespräch zu kommen muss Werbung als erstes durch den ganzen umliegenden Lärm durchdringen. Niemand wartet auf die nächste Werbung, man kämpft gegen das Desinteresse und die Informationsüberflutung an. Das hat nichts mit Verrohung zu tun. Wirklich wichtig war mir, inhaltlich keinen Bullshit zu erzählen, nicht zu lügen. Das Plakat lügt nicht. Der Rest ist pointierte Dramaturgie.

Muss man nun auch bei künftigen Abstimmungsvorlagen mit Sujets aus Ihrer Feder rechnen?
Wenn es sich um Themen handelt, die mich interessieren, kann ich mir durchaus vorstellen, dass ich mich wieder werberisch engagieren werde.

Sind denn Parteien oder politische Organisationen an Sie herangetreten?
Einzelne Personen meinten, dass Mitte- und Links-Parteien gut beraten wären Werbung von mir machen zu lassen. Ich selber ordne mich nicht einem bestimmten Politspektrum zu, mir geht es um die jeweilige Sache, die betrachte ich für mich losgelöst unabhängig von Partei Couleur.

Bild: zVg.

 



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