Der Siegeszug digitaler Werbeflächen könnte in der grössten Schweizer Stadt möglicherweise bald gestoppt werden. Die Mehrheit des links-grünen Gemeinderats hat vergangene Woche die Exekutive mit einem überraschend knappen Resultat von 62 zu 57 Stimmen in einem Postulat aufgefordert, den Verzicht des Ausbaus weiterer digitaler Werbung auf öffentlichem Grund zu prüfen. Dies nicht nur, um Strom zu sparen, wie AL-Gemeinderat Michael Schmid begründet, sondern auch um die Werbung einzuschränken. Das Ziel von Werbung sei es, so Schmid, die Leute zu manipulieren.
Informationsfreiheit einschränken
Gegen das geplante Verbot läuft die Branche nun Sturm. Dies nicht zuletzt, weil ein negativer Entscheid in Zürich Signalwirkung auf das ganze Land haben könnte. KS/CS Kommunikation Schweiz zeige sich enttäuscht über diesen Entscheid, so deren Präsident Jürg Bachmann gegenüber persoenlich.com. «Viele Menschen schätzen Plakatwerbung. Sie nehmen sie als informativ und sympathisch wahr. Plakatwirtschaft ist wichtig für Volkswirtschaft, Demokratie und Kultur. Sie einzuschränken, heisst lediglich auch die Informationsfreiheit zu begrenzen. Das ist ökonomisch, kulturell und staatspolitisch bedenklich», so Bachmann.
Brief an den Zürcher Gemeinderat
Die grossen Plakatgesellschaften APG, Clear Channel und Neo Advertising blasen ins gleiche Horn und verweisen auf ein Schreiben, das Christoph Marty, CEO Clear Channel Schweiz und Vizepräsident des Verbandes Aussenwerbung, an den Zürcher Gemeinderat im Vorfeld der Abstimmung gesandt hat. Dieses Schreiben wurde auch von KS/CS Kommunikation Schweiz und dem ADC mitunterzeichnet.
Marty stellte im Schreiben klar, dass sowohl APG als auch Clear Channel 1,5 Millionen Franken Steuern in der Stadt Zürich zahlen, wobei APG gemäss Stadtpräsidentin Corine Mauch sogar zu den 100 grössten Steuerzahlenden von Zürich zähle. Zusammen beschäftigen sie 520 Arbeitnehmende, 150 in der Stadt Zürich. Das Postulat ziele auf ein allgemeines Werbeverbot in der Stadt Zürich ab, so das Schreiben. Rund die Hälfte der Plakatwerbung würde vom lokalen und regionalen Gewerbe für ihre Bedürfnisse genutzt.
Marty verwies noch auf die französische Stadt Grenoble, die mit dem Abbau von 300 von rund 3000 Plakatstellen auf 150 000 Euro verzichtete. In seinem Schreiben wies Marty noch daraufhin, dass im Postulat «falsche Behauptungen» aufgestellt würden. Marty stellt sich auf längere Diskussionen zum Thema Digitalwerbung im öffentlichen Raum ein, wie er gegenüber persoenlich.com bekräftigte. So seien bereits weitere parlamentarische Vorstösse geplant.
«DDR lässt grüssen»
Indirekt betroffen wäre von einem Verbot auch Jürg Knecht, dessen Firma City Lights seit 1985 auf privatem Grund Screens aufstellt, auf welchen Werbung zu sehen ist. Knecht ist seit rund 50 Jahren in der Werbung tätig.
Knecht glaubt, dass der Zürcher Gemeinderat mit diesem Entscheid den «Zürcher Neidbürgern in die Unvernunft gefolgt» sei, weil im Moment die politische Windrichtung stimme. Dieser Entscheid sei «völlig absurd», die DDR lasse grüssen. Trotzdem gibt sich Knecht optimistisch, gegessen sei noch nichts. Leidtragende von einem negativen Entscheid wären auch die städtischen Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), die ihr Angebot in den letzten Jahren ständig ausgebaut haben.
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16.09.2022 10:01 Uhr
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