13.07.2020

Serie zum Coronavirus

«Wir wollten nur die Schweizer Wirtschaft ankurbeln»

Dominik Stibal, Inhaber von Inhalt und Form, hatte eine edle Idee. Dafür wurde er jedoch scharf kritisiert. Er verzerre den Markt mit enormen Rabatten. Der Werber entgegnet in Folge 84 unserer Serie, es gehe um Herzblut und Goodwill.
Serie zum Coronavirus: «Wir wollten nur die Schweizer Wirtschaft ankurbeln»
Dominik Stibal ist seit 2017 CEO und Inhaber der Agentur Inhalt und Form. (Bild: Inhalt und Form)

Herr Stibal, Sie haben die Werbekampagne «Restart Switzerland» lanciert, um die Schweizer Wirtschaft in Gang zu bringen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Während dem Lookdown war die Kommunikation des BAG prägend und auch sinnvoll. Die Stimmen aus der Wirtschaft jedoch waren erstaunlich ruhig oder wollten einfach nicht gehört werden. Man muss keinen Master in Volkswirtschaft haben, um den Effekt eines solchen Lockdowns vorher zu sehen. Es war klar, dass die Wirtschaft darunter leidet. Und hier wollte ich Gegensteuer geben. Ich wollte eine Kampagne realisieren, die auf die Wichtigkeit des Konsums hinweist. Das Sparparadox kann grosse ökonomische Schäden anrichten, daher wollte ich so früh wie möglich den Konsum- und Investitionsstau lösen. Die Schweizer Bevölkerung kann aus eigener Kraft viel zur Gesundung der Wirtschaft beisteuern, indem jeder und jede weiterhin konsumiert. Wenn wir also eine Kampagne spielen können, die die Schweizer Bevölkerung für Wichtigkeit des Konsums sensibilisiert und jeder versteht, dass Konsum schlussendlich auch dem Konsumenten zu Gute kommt, haben auch wir als Agentur einen Teil zur Gesundung beigetragen.

Was war die Grundidee?
Alles hängt zusammen. Darum unterstütze die Schweizer Wirtschaft.

Wie war die Resonanz?
Die Resonanz war sehr gross und sehr gut. Zuerst mussten wir Leistungspartner finden, welche bei dieser Kampagne mitmachen wollten. Da es eine Goodwill-Kampagne ist, mussten die Partner die Leistungen, die sie eingebracht haben zum grossen Teil selbst tragen. Trotzdem konnten wir sehr schnell Interessenten finden und so ein interessantes Paket schnüren. Hervorheben möchte ich hierbei die Goldbach Group, welche von Anfang dabei war und uns mit guten Konditionen unterstützte. Ebenfalls möchte ich mich bei Zweihund (Filmproduktion), Covermedia (Tonstudio), und Diction (Übersetzungen) bedanken, welche in einem sehr engen Zeitrahmen sehr flexibel und sehr professionell die Kampagne zum Leben erweckten. Wir dürfen jetzt auch noch die APG als Leistungspartner dazuzählen, welche uns ihr DOOH-Inventar zur Verfügung stellt.

«Man muss keinen Master in Volkswirtschaft haben, um den Effekt eines solchen Lockdowns vorher zu sehen»

Konkret: Wer hat alles mitgemacht?
Als Teilnehmer konnten wir die Werbeauftraggeber Emmi, Emil Frey, Ochsner Sport, Profital, Promena, Sanofi, Schweizer Obstverband, TCS und Zweifel für die Initiative gewinnen, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen nun Teil der Kampagne sind. Zudem wurde die Initiative von den Fachverbänden SWA/ASA und Promarca unterstützt.

Sie stiessen mit diesem Projekt nicht nur auf Gegenliebe. Was hat man Ihnen vorgeworfen?
Ich habe unterschätzt, wie blank die Nerven unserer Branche während des ganzen Lockdowns lagen. Was als Goodwill-Kampagne geplant war, wurde von einigen Exponenten der Werbebranche als Kampfansage und Rabattschlacht interpretiert und scharf kritisiert. Dies war auf jeden Fall nie unsere Absicht.

Ein 90-Prozent-Rabatt ist doch sehr viel. Werden da nicht Leistungen deutlich unter dem Wert verkauft?
Sämtliche Partner der Kampagne haben verstanden, dass auch die Werbebranche einen Beitrag liefern soll, um die Wirtschaft anzukurbeln. Von der Wirtschaft profitieren nicht nur die Unternehmen und Marken, sondern auch die Werbebranche. Der ausserordentliche Beitrag der Initianten und Leistungserbinger ermöglichte es den Teilnehmern, für einen geringen Mitteleinsatz einen grossen Effekt in der Schweizer Bevölkerung zu erzielen. Keineswegs haben und hatten wir das Interesse, mit dieser Kampagne den Markt zu verzerren. Solche Konditionen wird es nie mehr geben, das war auch nur aufgrund dieser ausserordentlichen Situation möglich. Nochmals: Es handelte sich um eine Goodwill-Kampagne, bei der auch unsere Agentur vor allem Herzblut investiert hat. Daher möchte ich mich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich bei allen Beteiligten Leistungspartnern bedanken.

«Ich habe unterschätzt, wie blank die Nerven unserer Branche während des ganzen Lockdowns lagen»

Geht es den Schweizer Unternehmen und der Werbebranche so schlecht, das man sich ernsthaft Sorge machen muss?
Ich glaube, das kann man nicht so über einen Kamm scheren. Es gibt bestimmt viele Verlierer. Aber eine Krise bringt auch Gewinner hervor. Im Grossen und Ganzen bin ich aber für die Schweizer Wirtschaft verhalten optimistisch. Wichtig ist, dass wir rasch wieder auf die Beine kommen.

Wie haben Sie selbst mit Ihrer Agentur die ganze Krise erlebt?
Anfänglich war die Unsicherheit. Wir haben aber recht schnell gesehen, dass die kommunikativen Herausforderungen unserer Kunden zugenommen haben und unsere Dienstleistungen sehr gefragt waren. Es haben sich Botschaften geändert und Werbemittel mussten angepasst werden. Beratung und Kreation waren anfänglich stark gefordert, danach hat auch die Produktion wieder Fahrt aufgenommen. Insgesamt sind wir sehr gut durch die Krise gekommen.

In welche Richtung wird sich die Werbung entwickeln?
Es gibt nicht einen Weg in die sich die Werbung entwickelt. Werbung und Kommunikation soll Unternehmen erfolgreich machen. Auf welchem Weg dies geschieht ist, wie Werbung eingesetzt wird und vor allem wie diese von der Zielgruppe empfangen wird muss immer individuell erarbeitet werden. Was ich aber ganz klar sehe, ist die Verzahnung von Kreation, Technologie und Mediapower. Wenn man diese Disziplinen beherrscht und zwar nicht einzeln, sondern die gegenseitigen Wechselwirkung versteht, und diese steuern kann, ist man bestens gerüstet für die Zukunft.

«Wir fahren ins Engadin und tragen somit einen kleinen Beitrag zum Schweizer Tourismus bei»


Sie selbst sind Bündner. Ich nehme an, Sie gehen nach Graubünden in die Ferien.
Ja genau, wir fahren ins Engadin und tragen somit einen kleinen Beitrag zum Schweizer Tourismus bei.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Ich habe immer und immer wieder sehr viel positive Erfahrungen gemacht. Natürlich habe ich die Zeit mit den Kids genossen. Der Lockdown hat beigetragen, dass sich mein FOMO (Fear of missing out) in ein JOMO (Joy of missing out) gedreht hat.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.


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