09.11.2009

Henry Ford ist back

1914 installierte Henry Ford das Fliessband. Für seine Firma ein kleiner, für die Menschheit ein grosser Schritt. Seither arbeitet man produktiver, aber auch monotoner. Mit beinahe 100-jähriger Verspätung zollt Ringier dem amerikanischen Autopionier nun Tribut: im Frühjahr startet der grösste Schweizer Verlag mit einem eigenen, millionenteuren Newsroom. Schon bald sitzen die Redaktoren der Blickfamilie in einem überdimensionierten Raum, das Ziel: die artgerechte Verarbeitung der eintreffenden Nachrichten für Blick, Blick am Abend, SonntagsBlick und Blickonline. Reduce to the max! Vorbei mit allen Kisch- und Hemingway-Attitüden: Der Journalist wird das, was er nie sein wollte, wohl aber am besten kann: ein schreibender Zulieferer in angenehm temperierten Reduit. Nur einer mag nicht mitmachen: Sportchef und Edelfeder Walter de Gregorio warf vor einigen Tagen seinen Bettel „im gegenseitigen Einvernehmen“ per sofort hin. Doch die Vorteile liegen für die Ringier-Strategen auf der Hand; weniger Kosten, weniger Personal und – so die vage Hoffnung – auch mehr Produktivität. Angesichts der Medienkrise eigentlich ein logischer Schritt, ein kleiner Einwurf sei trotzdem erlaubt: Verlieren die Blicktitel durch diese Post-„Industriealisierung“ nicht ein Teil ihrer Identität? Bislang zeichnete sich die Blick-Familie durch kreative Gegensätzlichkeit aus, wie sie nur in den besten Familien vorkommt. Während der Blick Polanskis Verhaftung kritisierte, lobte Blick am Abend die resolute Justizministerin. Gleiches im Fall Italien: der Blick befürwortete die Bankenrazzias, das Schwesterblatt forderte Spaghettiboykott. Als Blochers durch Nordkorea wanderten, würdigte dies der Abend-Blick boulevardmässig auf drei Seiten. Der Blick schwieg dazu, konterte dann aber „art“-gerecht. Sein Thema: die Monet-Ausstellung in Wuppertal.


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