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Die Schawinski-Debatte

Matthias Ackeret

Zugegeben die ganze Wikipedia-Debatte ist ärgerlich: vor allem für Roger Schawinski. Und auch ein gefundenes Fressen für seine Kritiker, Neider und all die andern. Wer ein Buch mit dem Titel «Ich bin der Allergrösste – Warum Narzissten scheitern» schreibt, hat eine solche Fallhöhe vorgelegt, dass man für Schadenfreude nicht zu sorgen hat. Vor allem, wenn man Roger Schawinski heisst. Und der Tagi zieht seine Story so durch, wie vom Medienpionier in seinem abwechslungsreichen Berufsleben unzählige Male vorexerziert: Solange sie interessiert. Und Schawinski interessiert, zweifelsohne. Neben Roger Köppel wohl der einzige Journalist des Landes, bei dem die Klickzahlen auf persoenlich.com sofort in ungeahnte Höhe schnellen. Zugegeben ist der Schreibende wohl der Falscheste für eine «Schawinski-Verteidigung». Er ist auch nicht ganz objektiv: Langjähriger Mitarbeiter bei TeleZüri und Freund, umgekehrt ist Schawinski seit bald 10 Jahren Kolumnist beim «persönlich». Dies, um bekannte Tatsachen ganz transparent zu machen. Doch nun zum Thema.

Wischt man diese persönlichen Verstrickungen weg, ist vor allem eines ärgerlich. Dass durch die ganze Zitat-Debatte der Inhalt des Buches in den Hintergrund gedrängt wird. Vor allem, weil dieses wirklich gut ist, sehr gut sogar. Dies gilt für diejenigen Narzissmus-Portraits, bei denen der Autor Schawinski die Protagonisten kennt und aus dem Vollen schöpfen kann. Da ist überhaupt nichts von einem nüchternen Wikipedia-Stil zu spüren, sondern Schawinski at its best: süffig, angriffig, wortstark, provokant und - zuweilen - auch ein bisschen zugespitzt. Das gilt vor allem für die Beschreibungen von Sepp Blatter, Marcel Ospel oder Daniel Vasella. Und selbstverständlich diejenige von Wetterpionier Jörg Kachelmann, zu dessen Entdeckern Schawinski gehört.

Das wohl interessanteste Kapitel aber ist dasjenige über den ehemaligen Tamedia-Chef Rico Hächler, der – wie er selbst zugibt – vor einem Vierteljahrhundert an seinem eigenen Grössenwahn scheiterte. Hier werden all die Mechanismen der Hybris sichtbar, die Schawinski mit seinem Buch aufzeigen will. Und man erkennt eine Tamedia, die es heute mit ihrer zahlengetriebenen Philosophie gar nicht mehr gibt. Solche Sachen kann man in keinem Internetlexikon nachlesen. (Buchtipp: Roger Schawinski, «Ich bin der Allergrösste – Warum Narzissten scheitern», Kein und Aber 2016).

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