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Was wollen die Höngger?

Eine ganze Sonderausgabe der Quartierzeitung «Höngger», die mit leeren Inseratefeldern zeigen wollte, wie wichtig Inserate für Printmedien sind (persoenlich.com berichtete). Soviel gebe ich den Machern: Es war eine originelle Idee, die für Aufmerksamkeit sorgte. Darüber hinaus frage ich mich aber: Und jetzt?

Dutzendfach bin ich seither auf Twitter und Facebook Verweisen auf die Aktion begegnet, meist von Journalisten, die sie beklatschten. Immer im Sinn von: Endlich sagt es mal jemand. Ohne Anzeigen geht es nicht. Wenn keiner mehr Inserate in Printmedien kauft, lassen sie sich nicht mehr finanzieren. Das Ende der gedruckten Zeitungen.

Alles richtig. Aber noch einmal: Und jetzt? Sollten die leeren Felder bei den potenziellen Anzeigekunden ein schlechtes Gewissen auslösen? Wollte man Gewerbler damit nötigen, nun endlich mal wieder ein Gefälligkeitsinserat zu buchen? Und ist das eine nachhaltige Methode, um die Trendwende zu beenden? Ist die Tatsache, dass es offenbar zu wenig Kunden gibt, nicht ein Indiz dafür, dass etwas nicht mehr funktioniert?

Offiziell wurde davon gesprochen, man wolle die Öffentlichkeit für die Thematik sensibilisieren. Mit anderen Worten: Die Leserinnen und Leser sollen wissen, dass es die Zeitung nicht mehr lange gibt, wenn nicht mehr Werbegelder fliessen. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Und jetzt? Was tun wir mit dieser Erkenntnis? Sollen nun stellvertretend die Leser zu den Gewerblern gehen und den Werbefranken aus ihnen herausschütteln?

Natürlich ist es schade, wenn eine traditionsreiche Quartierzeitung in ihrer Existenz bedroht ist, weil weniger Geld reinkommt als rausgeht. Es ist auch schade, wenn das der Quartierbäckerei passiert. Aber der käme es kaum in den Sinn, am Morgen ein leeres Brotgestell zu präsentieren, an dem ein Zettel hängt: «Wenn Sie nicht mehr Brot kaufen als bis jetzt, liegt hier nie wieder eines.»

Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen einer Bäckerei und einer Zeitung. Die Bäckerei füttert uns nur, die Zeitung hingegen ist «demokratierelevant». Es gibt vermutlich kein schwammigeres und gleichzeitig öfter verwendetes Wort in diesen Tagen. Wer diesen Begriff einsetzt, schielt mit mindestens einem Auge auf staatliche Subventionen. Ganz im Sinn von: Wir sind wichtig, rettet uns.

Das Gesetz von Angebot und Nachfrage hat uns ziemlichen Wohlstand beschert. Im Fall der Medien soll es ausser Kraft gesetzt werden. Mit einem klitzekleinen bisschen Planwirtschaft.

Inzwischen fand auch eine vom «Höngger» initiierte Podiumsdiskussion zum Thema statt, qualitativ sehr gut und quantitativ völlig überdotiert besetzt mit acht Leuten. Die These sei erlaubt: Im Publikum sassen kaum die Leute, die inserieren sollen.



Stefan Millius ist geschäftsführender Partner der Kommunikationsagentur Insomnia GmbH und der Ostschweizer Medien GmbH in St. Gallen.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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KOMMENTARE

Robert Weingart
17.05.2019 16:34 Uhr
@Herr Millius: Sie kritisieren/fragen, was nun. Und, haben Sie denn einen Vorschlag? Kritisieren ist immer einfach, Verbesserungsoptionen präsentieren weniger. Ich bemängle, dass Zuviels Hochkaräter auf dem Podium sassen und zuwenig aus dem Regionalen. Nämlich die, die das Problem betrifft und die vielleicht Ideen hätten.
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