23.06.2017

Cannes Tagebuch #3

Immer ein wenig grösser, lauter und schriller

«Mir ist etwas aufgefallen, das so gar nicht nach neuer Welt riecht. Sondern nach Pommes frites», sagt Raul Serrat, Kreativchef von Serviceplan Suisse.
Cannes Tagebuch #3: Immer ein wenig grösser, lauter und schriller
Raul Serrat ist Executive Creative Director bei Serviceplan Suisse. (Bild: zVg.)

Was fällt den Schweizer Kreativen dieses Jahr bei der Werbe-Weltmeisterschaft in Cannes auf? Hier der dritte Tagebuch-Eintrag, direkt und taufrisch von der Croisette, verfasst am Donnerstag von Raul Serrat, Executive Creative Director bei Serviceplan Suisse:


«Draussen ists heiss und schwül, drinnen flimmerts und pfeifts aus jeder Ecke. Ich bin wieder in Cannes am Festival of Creativity. Jedes Jahr fühlt es sich ein wenig grösser, lauter und schriller an. Oder anders: Jedes Jahr noch mehr Möglichkeiten, noch mehr Technik. Eine geballte Ladung werberelevanter Informationen, die inspiriert – und grausam motiviert. In Kombination mit dem Mittelmeer, dem Rosé und den vielen guten Fachgesprächen durchaus ein paar Tage, die sich mehr als lohnen. 

Mein persönliches Ritual hat sich seit dem ersten Besuch vor vielen Jahren nicht verändert – ich musste es lediglich ein wenig anpassen. Schliesslich, ich erwähnte es bereits, kann man nicht immer mehr Informationen verarbeiten und immer mehr Shows beiwohnen und immer mehr Cases angucken. Deshalb: An jedem ersten Cannes-Tag gehe ich als allererstes in die grosse Halle, wo die Übersichten der Shortlists fast aller Kategorien aufgehängt sind. Es sind zwar nur vier Prozent aller eingereichten Arbeiten – but hell – es sind viele! Also flaniere ich zwischen den Ausstellungswänden umher, bleibe mal stehen, laufe mal weiter. Und dabei ist mir etwas aufgefallen, das so gar nicht nach neuer Welt riecht. Sondern nach Pommes frites. 

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Das so wäre: Die Arbeiten von McDonald’s und Burger King. Ich finde sie grossartig. Oder konkreter: Sie sind unerwartet, mutig und super klassisch. Print und Poster. Und doch sind sie frisch und modern. Es sind Bilder welche fast ohne Text auskommen. Sie erzählen Geschichten, bringen eine Stimmung rüber und wirken echt, sind es zum Teil sogar auch. Ich rieche förmlich den Geschmack von Feuer und den Duft von Bangkok. Die Art und Weise, wie die beiden Weltkonzerne sich in Szene setzen und den Betrachter auf einer emotionalen Ebene abholen, finde ich grosses Kino. 

Vielleicht war es ein Zufall, dass gerade McDonald’s und Burger King in den Kategorien Print und Poster diesen Weg gegangen sind und dafür auch mit dem Grand Prix und anderen Löwen reich beschenkt wurden. Vielleicht ist es aber der Zeitgeist, der erkannt und eben auf die klassischen Medien adaptiert wurde. 

Wir alle wissen, wie der Hamburger aussieht, wenn er an der Theke bestellt wird. Den braucht mir niemand in der Werbung zu zeigen. Was mir stattdessen gezeigt wird, sind ruhige und souveräne, zum Teil sogar echte Bilder – ich finde, in einer Zeit, in der unser Auge sich an verrückte und schnelle Bilder gewöhnt hat, ist so eine Kommunikation genau das Richtige. Und verdient meinen grössten Respekt (und ein wenig Neid).

So, und jetzt gehts an die Beachparty der Swiss Film Association. Dort hats Mittelmeer, Rosé und gute (Fach-)Gespräche. Also all das, was die Tage in Cannes eben lohnenswert machen – von den tollen Arbeiten einmal abgesehen. 

Prost und liebe Grüsse nach Züri. Raul.»


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Noch bis am 24. Juni läuft es: Das internationale Werbefestival in Cannes. (Bilder: Richard Bord)


Lesen Sie auch die Tagebuch-Einträge von:

Dennis Lück, Kreativchef bei Jung von Matt/Limmat: «Kennt ihr das, wenn ihr eine Arbeit seht, sofort auf die Knie fallt und dreimal laut ‹Scheisse› ruft, weil es so gut ist?», schreibt Lück im Eintrag #2.


Reto Schild,
Kreativchef bei Maxomedia, über den diesjährigen mickrigen Goodie-Bag ohne Sponsoren im ersten Eintrag vom Dienstag.

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