07.02.2016

Blaulichtorganisationen

Die Schattenseite der Smartphone-Reporter

Allen voran Onlinemedien setzen auf Bilder und Hinweise ihrer Leser. Doch Blaulichtorganisationen macht der Umgang mit sogenannten Leserreportern oft das Leben schwer. Roland Portmann, Leiter Kommunikation von «Schutz & Rettung Zürich», hat sich in seiner Masterarbeit mit der Problematik auseinandergesetzt.
Blaulichtorganisationen: Die Schattenseite der Smartphone-Reporter
von Lucienne Vaudan

«Sie, wir haben hier ein Leserbild erhalten. Da sieht man Rauch drauf und Feuerwehrfahrzeuge. Können Sie mir sagen, was passiert ist?» Solche und ähnliche Anfragen von Journalisten erhalten Medienabteilungen von Blaulichtorganisationen immer öfter. Sie stützen sich auf Nachrichten und Bilder, die Leser mit ihren Smartphones direkt an die Redaktionen weiterleiten.

Redaktionen werten das Phänomen der Leserreporter oft positiv, so auch die Blick-Gruppe: «Leserreporter sind für Informationen und insbesondere Bilder sehr hilfreich. Viele Storys entstehen heute so, nicht nur bei Blick», sagt Ringier-Sprecherin Elisabeth Ehrsam gegenüber persoenlich.com.

Um die Leserschaft darauf aufmerksam zu machen, schaltet etwa «Blick Online» auf der eigenen Newsplattform Anzeigen mit der Leser-Reporter-Nummer. Alleine bei «Blick» gehen nach Angaben von Ehrsam pro Tag zwischen 50 und 100 Hinweise und Bilder ein, durchschnittlich fünf davon würden redaktionell verwendet. «Alle Hinweise, die für uns interessant sind, werden mit dem zuständigen Polizeikorps oder der Sanität gründlich gegengecheckt und allenfalls auch noch weitere Details abgeklärt», sagt sie.

Auch für Samuel Reber, Tagesleiter und Blattmacher bei «Tagesanzeiger.ch/Newsnet» sind Leserreporter eine spannende Ressource, wie er gegenüber persoenlich.com sagt: «Es ist interessant, das Potential des Schwarms zu nutzen. Aber neben den Vorteilen gibt es natürlich auch Schattenseiten.» Dazu gehöre, dass die Überprüfung der eingehenden Informationen viel Zeit und Ressourcen nehme, so Reber.

Beiträge werden ungefiltert eingebunden

Das Leben der Mitarbeitenden von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten machen die Beiträge von Laienredaktoren jedoch nicht immer leicht. Davon berichtet einer, der es wissen muss: Roland Portmann ist Leiter Kommunikation von «Schutz & Rettung Zürich». Als Mediensprecher wird oft mit Medienanfragen, die auf Meldungen von Lesern zurückgehen konfrontiert.

In seiner Masterarbeit für die Zürcher Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) hat er sich mit den Auswirkungen solcher nutzengenerierter Inhalte auf das Arbeiten der Blaulichtorganisationen auseinandergesetzt. Das Fazit der Arbeit mit dem Titel «Die Auswirkungen von nutzergenerierten Inhalten auf die Unternehmenskommunikation von Blaulichtorganisationen»: Hinweise von Leserreportern setzen Kommunikationsmitarbeiter unter Zeitdruck, manchmal gefährden sie sogar taktische Handlungen von Einsatzkräften: «Die Entwicklung rund um die Leserreporter tun den Kommunikatoren von Blaulichtorganisationen zwar nicht grundsätzlich weh», sagt Portmann.

Er beobachte jedoch, dass sich der Zeitdruck verstärkt habe. «Nicht selten erfahren die Kommunikationsverantwortlichen aufgrund einer Medienanfrage von einem Ereignis, da bereits die ersten Leserbilder bei den Redaktionen eingegangen sind.» Front-Einsatzkräfte müssten deshalb noch während ihrer Tätigkeit vor Ort Auskunft an ihre Medienstelle geben. «Klar, kein Onlinemedium wird eine Stunde warten, bis die Medienstelle eine offizielle Meldung herausgibt. Aber Zeitdruck hin oder her, ich denke eine kritischere Überprüfung wäre wichtig», sagt Portmann. Und weiter: «Diese Beiträge, die oft ungefiltert in die Berichterstattung eingebunden werden, beruhen nicht selten auf Spekulationen oder enthalten sogar falsche Informationen.»

Medien sollen auf Gefahren hinweisen

Problematisch wird es, wenn durch die Publikation von Leserbildern Einsatzkräfte in ihrer Arbeit gestört werden: «Gerade für die Polizei ist es sehr schwierig, wenn ihre taktischen Manöver in alle Welt hinaus getwittert werden», sagt Portmann. Das kann auch für die Twitterer selber gefährlich werden: «Überlegen Sie sich, eine Schule müsste wegen einer Drohung evakuiert werden und in der Not würden sich die Jugendlichen in irgendwelchen Räumen verbarrikadieren. Wenn sie dann von dort aus twittern und Bilder versenden, verraten sie damit ihren Standort auch jenen Individuen, die ihn nicht erfahren sollten», gibt Portmann zu bedenken.

Von den Medienschaffenden fordert Portmann, ihre Verantwortung wahrzunehmen und sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen: «Statt einfach nur partizipative Inhalte aufzusaugen, wäre es sinnvoll, ein paar Spielregeln zu definieren. Nicht nur gegen aussen, sondern dringend auch für den Umgang innerhalb der Redaktion. Es macht mir den Anschein, dass mit den Leserreporter-Einsendungen und Twittermeldungen eher planlos umgegangen wird.»

Bild: zVg

 



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