16.04.2014

Die geile, nicht immer so heile Welt der Vera Dillier

Herrscht bei Ringier ein Vor-Oster-Loch? Seit einer Woche nimmt die Geschichte der von ihrem Mann betrogenen "Jetset-Lady" Vera Dillier am meisten Raum in den Blättern der "Blick"-Gruppe ein – von Journalisten der Konkurrenz auf Twitter bald #dilliergate getauft. Ansonsten ist das Echo gering: Mal abgesehen von der "Schweizer Illustrierten" aus dem gleichen Haus nimmt kaum ein Medium die Geschichte auf. Immerhin lädt TeleZüri die Betrogene nach einer Woche in die Sendung TalkTäglich ein. Doch die Ringier-Zielgruppe scheint es zu interessieren – und zu empören. "Wie konnte der Felix nur eine solch schöne Frau betrügen? Das ist mehr als nur gemein", bringt Heinz Nütteler aus Olten in einem Kommentar die Haltung vieler "Blick"-Leser auf den Punkt. Das Thema habe viele Reaktionen hervorgerufen und die Leser sehr interessiert, sagt Chefredaktor René Lüchinger im Interview mit persoenlich.com. Ein Unglück kommt selten allein Doch von Anfang an. Die erste Titelgeschichte kommt am Donnerstag, 10. April 2014: Der Mann von Vera Dillier, Verleger Felix Guyer, erleidet auf der Skipiste eine Hirnblutung und liegt im Krankenhaus. Darum geht es aber nur am Rande. Dillier kriegt während dieser Zeit nämlich eine SMS zu sehen, die eine Liebhaberin an Guyer geschickt hat – und ruft als Erstes offenbar im "Blick"-Newsroom an, der in einem grossen Artikel ihr Leiden und das gebrochene Vertrauen thematisiert. In einer zweiten Titelgeschichte am Tag darauf wird Felix Guyer in den Mittelpunkt gerückt. Er gibt sich zerknirscht und reumütig. "Ich war neugierig auf etwas Neues", begründet er seinen Seitensprung. Über seine Genesung kann er sich nicht so recht freuen: "Ich erhole mich gesundheitlich zwar gut. Doch was ich Vera angetan habe, ist einfach nur miserabel." Etwas verwundert ist er zwar, dass seine Frau sein Mobiltelefon angeschaut hat, doch darauf geht man nicht weiter ein. Rat von Paartherapeuten und Hundepsychologen Lieber macht man im "Blick am Abend" mit Ex-"Playboy"-Model Andrea Vetsch weiter, die als diplomierte Hundepsychologin weiss, wie die Dilliers Vierbeiner helfen können. "Hunde spüren genau, wie es in uns Menschen aussieht", meint sie. "Dank einem Hund heilen emotionale Wunden schneller. Sie helfen Vera Dillier über die Sex-SMS hinweg." Doch den Mann dauerhaft vertreten können sie nicht: "Ein Tier kann menschliche Liebe nicht ersetzen." Natürlich wird auch "Blick"-Sexberaterin Caroline Fux eingespannt. Sie wundert sich, warum Dillier nicht Schluss macht, meint aber auch: "Krisen lassen sich meistern." Immerhin fügt das Boulevardblatt stets auch ein kleines ironisches Element ein und schreibt bei der "Jetset-Lady" in Klammern "Alter geheim" statt der üblichen numerischen Altersangabe. (Übrigens: Die "NZZ am Sonntag" schätzte Dilliers Alter in einem Porträt vor 12 Jahren "mit Augenmass auf geliftete und gespritzte 52 bis 62 Jahre".) Am Samstag und Sonntag folgt die Einordnung in grösseren Zusammenhang, darunter ein Interview mit dem bekannten Paartherapeuten Klaus Heer, dessen Zitate im "SonntagsBlick" in einem weiteren Artikel verbraten werden. Wichtig auch die Galerie zum Thema: "Diese Promis haben auch betrogen". Dabei stand jedoch meist der fremdgehende Mann im Mittelpunkt, wie zum Beispiel Tiger Woods oder König Carl Gustav von Schweden. Eher seltsam mutet in diesem Zusammenhang eine Art Service-Stück an: "Fremdgeher, so tappt Ihr nicht in die SMS-Falle" heisst es, und liefert, was der Titel verspricht. Auch das stösst auf Interesse und rangiert laut "Blick" vom Montag unter den Top-5-Geschichten des vergangenen Tages. Die Hunde helfen doch! Der Montag beginnt hoffnungsvoll: Helfen die Hunde doch? Unter der Überschrift "Er ist immer nackt! Vera Dillier hat einen Neuen" wird ihr dritter Hund begrüsst. Es handelt sich um den fünfjährigen Murphy, einen mexikanischen Nackthund. Ihre Tiere helfen ihr sehr: "Die drei spüren genau, wie es mir geht. Sie leiden mit mir mit. Und sie weichen nicht von meiner Seite, geben mir ganz viele Kuscheleinheiten." Wie es mit dem Menschen an ihrer Seite weitergeht, weiss sie aber immer noch nicht. "Ob es eine Auszeit gibt oder ich ihn nach 19 Jahren verlasse, kann ich jetzt noch nicht sagen." Erst will sie seine Genesung abwarten. "Man trennt sich nicht am Spitalbett", lautet ihre Devise, wie die "Schweizer Illustrierte" weiss. Am Dienstag folgt eine kurze Pause, der "Blick" hat nichts – nicht mal einen Leserbrief – zum Thema Dillier. Den Hammer hat man sich nämlich für den "Blick am Abend" aufgespart, wo auf der letzten Seite angekündigt wird: Vera Dillier schreibt ab morgen exklusiv für den "Blick"! Die neue Kolumnistin wird eingeführt Am Mittwoch ist es soweit. Dillier schreibt für den "Blick". Unter dem Titel "Meine geile Welt" werde sie künftig regelmässig für Tagebuch führen. War alles gar nur eine Kampagne, um die neue Kolumne von Vera Dillier anzukündigen? Der erste Eintrag (online nicht verfügbar) dreht sich um einen Tag in St. Moritz mit einem attraktiven jungen Mann, der sich jedoch als ihr Neffe entpuppt. Auch die Hunde dürfen nicht fehlen, die Lachs und Bifidus-Joghurt zum Frühstück bekommen. Begleitet wird dies vom nächsten Kapitel der Saga: Der von der Männerwelt umjubelten Rückkehr der Jetset-Lady auf den Dating-Markt. Sie erhalte viele eindeutige Angebote über Facebook, meint sie, auch von knackigen, jungen Männern, die sie zum Champagner einladen wollten. Es sei ihr aber bewusst, dass viele wohl nur ihr Geld oder ihren Körper wollten. Doch vorerst begnügt sie sich mit ihren Hunden: "Ich lasse jetzt einfach mal die gesamte Männerwelt, inklusive meines untreuen Felix, richtig schön zappeln." Glogger kritisiert Der "Blick am Abend" bietet dann – neben einer Aufwärmung der Dillier-Inhalte vom Morgen auf der People-Seite – den nächsten Höhepunkt. Helmut-Maria Glogger attackiert in seiner Kolumne die Berichterstattung seines Arbeitgeber  – und rät Felix Guyer: "Mannoman, Guyer! Sie sind gebildet, waren Top-Manager bei Ringier. Verabschieden Sie sich von Veras 'geiler Welt'!" Der "Blick" wird es wohl noch lange nicht tun.


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