27.02.2014

Betrachtungen zum Basler Presse-Kampfplatz

Ich kam von Zürich nach Basel zur Arbeit. Zum ersten Mal vor acht Monaten. Basel war für mich vor allem Kindheit. Meine Grosseltern lebten auf der Breite. Sie wohnten immer am selben Ort. In der Küche lief Radio Basilisk und mein Grossvater, ein Sozialdemokrat, las die "Basler Zeitung". Das heisst, ich glaube, er las sie nicht wirklich. Er las vor allem den "Blick". Die BaZ hatte er einfach abonniert. Am Morgen spazierte ich mit meinem Grossvater jeweils zum Rhein, und ich bekam einen kleinen Eindruck von der Grösse der Welt. Dann gingen wir in den Schrebergarten, wo die Bierrunden, mit "Bolle" und wie die älteren Herren alle hiessen, um zehn Uhr starteten. Mein erstes Bier trank ich an der Birs.
Heute wären meine Grosseltern stolz, wenn sie wüssten, dass ich bei der BaZ arbeite. Die BaZ, das war schon was! Ja, sie war so anspruchsvoll, dass sie mein Grossvater gar nicht gelesen hat. Meine Grossmutter war Italienerin. Gelegentlich sehe ich ihre Schwester, die heute über 90 ist: Für sie ist die BaZ eine vernünftige Zeitung. Sie findet, ich schreibe manchmal "zu deutlich". Eine gewisse Noblesse hat das Bürgertum hier auch auf die Arbeiterklasse übertragen. An zwei Bemerkungen meines Grossvaters kann ich mich gut erinnern. Die erste war "Ende der Debatte" – er sagte es, bevor sich auch nur im Ansatz etwas in der Art einer Kontroverse entwickelte. Die zweite war eine merkwürdige Form der Zustimmung: "Es ist schon wahr, aber schweigen solltest du." Diese Haltung trifft man in Basel, glaube ich, häufig an. Und jetzt bin ich also Journalist bei der BaZ. In Schwyz aufgewachsen, habe ich noch nie in meinem Leben einem SVP-Politiker meine Stimme gegeben, politische Übereinstimmungen mit dieser Partei kommen kaum vor. Vor allem stört mich ihr Stil: "Zu deutlich." Vielleicht wundern Sie sich, dass ich das erwähne. Ich wundere mich ehrlich gesagt auch. Die Erbsünde der BaZ Das Geschehen um die Übernahme der BaZ und die Entstehung der "TagesWoche" habe ich nur am Rande mitbekommen. Ich dachte damals, und so denke ich noch heute, dass sich die neuen Besitzer bei ihrer Übernahme ungeschickt angestellt haben. Moritz Suter soll für eine Million Franken die BaZ gepostet haben. Soll das ein Witz sein? Dass der Anfang einer neuen BaZ das Versteckspiel von Christoph Blocher war, ist die Erbsünde dieser Zeitung. Erst jetzt weiss ich, dass Suter damals vor die Redaktion getreten ist und darüber gesprochen hat, wie hoch der Stellenwert sauberer Schuhe für ein gepflegtes Erscheinungsbild sei. Warum ist er nicht vor das Personal gestanden und hat gesagt: "Ich bin der Strohmann Blochers – der ich nun nicht mehr bin, weil Sie es wissen." Er sprach von sauberen Schuhen. Natürlich wären die Abo-Zahlen auch dann heruntergepurzelt, wenn sich Blocher gleich als Käufer bekannt hätte. Denn für einige Basler ist er schlicht eine Persona non grata. Aber die Zeitung hat sich mit ihrem Vorgehen den Vorwurf der fehlenden Glaubwürdigkeit eingetragen. Einer Zeitung, die vielleicht Blocher gehört, können wir noch weniger trauen als einer Zeitung, die sicher Blocher gehört, mögen sich einige Basler gesagt haben. Daran zehrt man bis heute. Was aber auch stimmt: Die Basler haben keinen Grund zum Klönen. Die BaZ stand zum Verkauf, sie haben nicht zugegriffen. Auch eine Zeitung ist ein Kulturgut, ja sogar immer mehr wird sie zum druckgeschwärzten Zeichen-­Museum, aber dies sprengt vielleicht den Kulturbegriff potenzieller Käufer in dieser Stadt. SP-Schleichwerbung in der BaZ Die Zeitung hat nun eine klar erkennbare bürgerliche Stossrichtung. Daneben gibt es aber viele Zwischentöne, für die Kritiker unserer Zeitung zum Teil wenig Gehör haben. Viele Artikel der BaZ werden von Tagesanzeiger.ch übernommen. Nicht weil sie in das Konzept einer linksliberalen oder einer rechtsliberalen Zeitung, sondern ganz einfach in eine gute Zeitung passen. Zuweilen enthüllt sich dann Erstaunliches: Das Publikum kritisiert den gleichen Artikel auf bazonline.ch als typischen "Somm-Journalismus", auf Tagesanzeiger.ch wiederum als "Tamedia- Retourkutsche" für was auch immer. Zu einem Porträt über den SP-Fraktionschef Andy Tschümperlin meinte Samuel Balsiger, ein SVP-Politiker, auf Twitter: "Fällt es nicht grausam auf, dass der 'Tages-Anzeiger' nur und ewig für Sozialisten Schleichwerbung macht?" Dabei war es ein Artikel von mir, der in der BaZ erschienen ist. Der SVP-Politiker ist das Opfer seiner eigenen Vorurteile geworden. Solche Beispiele gäbe es von links bis rechts noch viele zu erzählen. Als Journalist erlebe ich die BaZ primär als grosse Freiheit. Zensur habe ich erst einmal erlebt. Ich schrieb, wenn Christoph Mörgeli lache, dann schössen ihm zwei porzellanweisse Schubladen aus dem Mund – seine Zähne. Der Abendproduzent fand das despektierlich, eine Frechheit – "zu deutlich". Mich hats geärgert, dass diese Schubladen aus dem Text geflogen sind, aber was solls. Ansonsten sehe ich die Möglichkeit in dieser Zeitung, auf einem begrenzten Raum genau so zu schreiben, wie ich es für richtig halte. Das ist ein grosses Privileg und keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Eigentlich muss dies der entscheidende Anspruch einer liberalen Zeitung sein: machen lassen. Als ich vor zwei Wochen über die "Tages­Woche" und die geschönten Abo-Zahlen schrieb, meinte ein Kommentator im Netz: "Warum schürt nun die BaZ Hass?" Ich kann sagen, dass ich diese Artikelreihe ohne den geringsten Anflug von Hass geschrieben habe. Da waren Ungereimtheiten, die mich interessierten. Das ist alles. Ich nahm mich beim Schreiben eher zurück, habe wohl noch nüchterner geschrieben als üblich, weil ich diesen Vorwurf der Schadenfreude schon vor mir sah. Die ganzen Querelen zwischen BaZ und TaWo sind mir einerlei. Der Medienplatz Basel ist wahnsinnig aufgeheizt. Für mich, der ich von aussen dazugestossen bin, hat dies geradezu groteske Züge: Eine Zeitung ist doch kein Glaubensbekenntnis! Es gibt hier die BaZ, die "TagesWoche", die "bz Basel". Es gibt Kioske, die andere Zeitungen und Zeitschriften verkaufen. Was ist das Problem? Was zetert eine Organisation wie "Rettet Basel" unermüdlich in der Gegend herum? Zu glauben, es gebe eine neutrale Presse – gerne wird da etwa die NZZ ins Feld geführt – ist schlichtweg naiv. Gut ist sicher, dass nun klar ist, dass Blocher Aktionär dieser Zeitung ist. Eine Rettung hat Basel nicht nötig. Sie haben die Wahl. Am besten, Sie abonnieren ohnehin mehrere Titel. Letzthin, als Markus Somm und ich auf dem Rückweg von einem Interview waren, äusserte ich den Wunsch, mal etwas über die BaZ zu schreiben. Er fand das gut und meinte, "schreib, was du willst". Benedict Neff ist Politik-Redaktor bei der "Basler Zeitung", wo dieser Text zuerst erschien. Früher arbeitete er für persoenlich.com.

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