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Attraktivität braucht Kontrolle

In Genf läuft gerade die «Watches & Wonders», die grösste Luxusuhrenmesse der Welt. In den USA wird Hermès wegen Verstosses gegen das Kartellrecht verklagt. Vielleicht ist dies der richtige Zeitpunkt, sich mit den Themen Begehrlichkeit und Kontrolle bei Luxusmarken auseinanderzusetzen.

Das Ziel jeder Marke muss es sein, attraktiver, sprich begehrlicher, zu sein als ihre Wettbewerber. Das ist das wichtigste Ziel der Markenführung. Für Luxusmarken gilt dies besonders, da nur ihr Statusnutzen ihre Luxusdefinition rechtfertig. Luxus muss begehrt werden, sonst ist es keiner.

Allerdings ziehen begehrte Luxusmarken alle möglichen Trittbrettfahrer an, die diese Begehrlichkeit ausnutzen wollen – sei es durch Kopplungsverkäufe oder durch Wiederverkäufe im Graumarkt (legal) oder im Schwarzmarkt (illegal). Sie generieren damit keine unerheblichen Einkommen. Allein der weltweite Graumarkt für Luxusuhren wird auf 24 Milliarden Dollar geschätzt, ohne einen Beitrag zur Markenführung oder Marketing zu leisten.

Die Hersteller dieser Luxusmarken haben davon nichts. Ihre mühsam aufgebauten Marken werden durch Wiederverkäufer ausgebeutet, potenzielle Kunden kaufen dort, anstatt sich auf eine Warteliste setzen zu lassen, die eigene Vertriebsorganisation leidet, da deren Umsätze geschmälert werden. Kein Wunder also, dass die Hersteller versuchen, die Absatzwege ihrer Produkte bestmöglich zu kontrollieren, um diese ungleiche Konkurrenz so weit wie möglich einzudämmen.

Dabei spielen die eigenen Kunden die wichtigste Rolle. Wenn sich eine Uhr, wie beispielsweise die äusserst begehrte «Rolex Daytona Le Mans» beim Hinaustragen aus dem Geschäft in ihrem Wert versechsfacht, kann man schon verstehen, dass mancher Erstkunde schwach wird und seine gerade erstandene Preziose schnurstracks zum nächsten Graumarkthändler trägt. Die Luxushersteller sind damit Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden.

Dass manche Konzessionäre oder Storemanager diese Umstände zur eigenen Nutzenoptimierung ausnutzen und beispielsweise Kopplungskäufe (die in vielen Ländern ohnehin gesetzlich verboten sind) einfordern, ist nur einer der unerwünschten Nebeneffekte, die besonders begehrte Luxusmarken auslösen können. Hierauf sollte mit der Abschaffung falscher Anreizsysteme und einer engeren Endkundenbindung reagiert werden, damit die Markenmanager frühzeitig erfahren, wo etwas falsch läuft und der Markenwahrnehmung schadet.

Sie wollen jetzt gegensteuern. Durch mehr Kontrolle. Kunden werden so gut es geht durchleuchtet, schwarze Listen werden geführt mit Namen, an die nicht mehr verkauft werden darf. Im High-Luxury-Bereich jenseits der 100‘000 Franken ist das bereits seit Jahren geübte Praxis. Die begehrten Minutenrepetitionsuhren aus dem Haus Patek Philippe etwa bekommt nur ein Kunde, der persönlich bekannt ist und von den Eigentümern autorisiert wurde. Taucht so eine Uhr im Graumarkt auf, wird nachgeforscht und der Kunde hat lebenslang keine Chance mehr, eine Patek Philippe auf dem Primärmarkt zu erwerben.

Bei Rolex ist diese Aufgabe bei über einer Million produzierten Uhren, die über tausende von Konzessionären weltweit verkauft werden, ungleich grösser als bei Patek Philippe oder Audemars Piguet, die nur wenige Zehntausende Uhren pro Jahr herstellen. Aber auch hier wird mittlerweile die Kundenhistorie erfasst und eingefordert, um den Graumarkt einzudämmen.

Das ist grundsätzlich gut so, denn fallen die Wiederverkäufer weg, die bei besonders begehrten Modellen gut die Hälfte der Gesamtkäufer ausmachen, haben die wirklich interessierten Kunden ungleich grössere Chancen, an einen der begehrten Zeitmesser zu gelangen. Da die Preiswahrnehmung auch massgeblichen Einfluss auf die Markenwahrnehmung hat, kann der Eigentümer seine Marke besser positionieren und kontrollierter auf Marktveränderungen und Wettbewerbsverhalten reagieren.

Am Ende des Tages reden wir allerdings über Luxus, den manche Experten auch als die Summe alles Überflüssigen definieren. Damit ist das ganze nur ein Spiel und ein besonders reizvolles dazu. Ähnlich wie an der Börse sollte das Ganze auch als Spiel gehandhabt werden, wo Lust und Freude überwiegen. Bei Uhren allerdings kommt die Rendite – anders als bei Aktien – in dem Moment, wo man sie sich ans Handgelenk legt und die magische Verstärkung des eigenen Status erlebt – und sei es nur für sich selbst.



Klaus-Dieter Koch ist Gründer und Chief Enabling Officer der Managementberatung BrandTrust.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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