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Der Fehlentscheid der Medienministerin

Verena Vonarburg

Wenn Politiker eine Branche fördern wollen, wird es gefährlich. Fördern heisst subventionieren, Subventionen schaffen Abhängigkeiten und nicht selten Ungerechtigkeiten. Der Bundesrat plant die Medien stärker zu «fördern» (persoenlich.com berichtete). Mit mehr Geld denn je. Medienministerin Simonetta Sommaruga, die Sozialdemokratin, verzichtet zwar auf das durchgefallene Mediengesetz ihrer Vorgängerin, will jedoch den Geldhahn mächtig aufdrehen.

In guten Zeiten müsste die Branche lautstark und selbstbewusst protestieren: Das grösste Kapital der Medien ist bekanntlich ihre Unabhängigkeit. Doch die Zeiten sind nun mal nicht gut und das macht die Medien anfällig für die süsse Subventionsversuchung. Umso genauer und kritischer müssen wir hinschauen: Cui bono?

Jedes Jahr sollen neu 50 Millionen Franken zu digitalen Medien fliessen, nur zu jenen allerdings, die ihre Inhalte hinter Paywalls platzieren – der Bundesrat ist letzten Mittwoch Sommarugas Anträgen gefolgt. «Unterstützt wird, wer digitale Medieninhalte verkauft und auf diesem Weg eine längerfristige Finanzierbarkeit der journalistischen Leistungen anvisiert», so die abenteuerliche Begründung der Landesregierung. Als gäbe es Medienhäuser, die bewusst den Konkurs anstrebten.

Was der Bundesrat mit seiner Paywall-Subvention vorschlägt, lehnt Ringier vehement ab, denn es verzerrt krass den Wettbewerb und stützt weder Vielfalt noch Qualität. Es stimmt zwar: Noch hat keiner den Königsweg gefunden, wie digitaler Journalismus auf Dauer finanzierbar ist. Aber wie im klassischen Printzeitalter werden auch in der digitalen Epoche verschiedene Wege gesucht und beschritten. Zwei Hauptstrassen sind dabei: Die einen Medientitel setzen auf Inhalte, die nur gegen Geld gelesen werden können – das Paid Content-Modell – die anderen bieten ihre Inhalte kostenlos an, erreichen damit viel mehr Menschen und finanzieren sich über Werbung. Beide Geschäftsmodelle sind digital um einiges schwieriger als im Print. Beide haben aber ihre wirtschaftliche Logik und Berechtigung.

Anmassende Geisteshaltung

Nun schickt sich der Bundesrat an, den zweiten Weg noch steiniger werden zu lassen, indem er ausschliesslich Titel mit Paywalls subventioniert und das erst noch sehr grosszügig. Wer dagegen seine Nutzer kostenlos mit Journalismus bedient, ginge leer aus. Es geht doch nicht an, dass der Staat einseitig ein Geschäftsmodell bevorzugt. Der bundesrätliche Plan verrät auch eine anmassende Geisteshaltung: Nur was etwas kostet, ist in den Augen der Regierung guter Journalismus und damit förderungswürdig. Medieninhalte, die viele Menschen erreichen, da kostenlos abrufbar, sind grundsätzlich genauso gut wie Musik, die viele begeistert und nicht bloss die Fans eines Nischenprodukts. Wenn der «Blick» den Postautoskandal aufdeckt, ist das investigativer Journalismus vom Feinsten, gratis zu lesen auf blick.ch.

Einem Irrtum unterliegt auch, wer denkt, Menschen, die an Gratisinhalte gewöhnt sind, würden plötzlich zu Abonnenten, nur weil Digitalabos subventioniert wären. Der Bundesrat räumt seinen Widerspruch indirekt sogar ein: Die Bereitschaft, „für digitale Medienangebote zu zahlen“, sei „weiterhin gering“. Die ersten Reaktionen auf Sommarugas Subventionswünsche stossen verständlicherweise auch bei kleinen, innovativen journalistischen Digitalmedien auf vehementen Widerstand. Subventionen für Paywalls bringen ihnen gar nichts. Paywalls wären ihr Tod, ihre Reichweite wäre dahin.

Wenn schon, dann etwas, das allen nützt

Wenn Subventionen für digitalen Journalismus, dann müsste das Geld allen in der Branche zugute kommen. So etwas wäre quasi im Maschinenraum der Medientitel möglich: Bei der Technologie. Denn IT ist teuer, sehr teuer. Rechnet man alle Kosten zusammen, ist digitaler Journalismus sogar teurer als die Printproduktion.

Genauso wie es sinnvoll ist, mehr Vertriebssubventionen für Zeitungen und Zeitschriften zu sprechen – hier gehen wir mit dem Bundesrat dann einig, wenn das allen Service-public-Zeitungen und –Zeitschriften zugute kommt - genauso wäre es möglich, zusammen mit der Medienbranche ein Subventionsmodell zu finden, das bei der IT, beispielsweise bei den Hostingkosten, ansetzt. Finanzielle Unterstützung bei der Technologie wäre wettbewerbsneutral und gut für Gross und Klein.


Verena Vonarburg ist Head of Public Affairs bei der Ringier AG und ehemalige Direktorin des Verbands Schweizer Medien.

Die Autorin vertritt ihre eigene Meinung, sie deckt sich nicht in jedem Fall mit dieser der Redaktion.

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Kommentare

  • Victor Brunner, 02.09.2019 08:55 Uhr
    Mit welchem Recht will die Presse in Zukunft die herrschende Subventionitis kritisieren wenn sie selbst am Honigtopf der SteuerzahlerInnen hängt! BR Sommaruga sollte die BürgerInnen befragen ob sie eine freie und unabhängige Presse wollen oder eine Presse vom Staat abhängig und der Politik kontrolliert. 50 Mio dürften erst der Anfang sein, die Verleger dürften dann im 2 Jahresturnus mit vielem Jammern immer mehr verlangen!
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