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Der Herr hats gegeben

Matthias Ackeret

«Bild»-Chefredaktor Kai Diekmann hat eine schöne Frau und gegelte Haare, als finanzieller Grosskotz war er bis anhin nicht bekannt. Aber jetzt wurde seine horrende Telefonrechnung in Deutschland zum Politikum. Diekmanns Verdikt: Er hatte während seines dreitägigen Marokko-Aufenthalts seinen Blog übers Mobiltelefon beackert. Die Deutsche Telekom wusste dies zu honorieren, Kostenpunkt: 42000 Euro. Für den Medienmann die äusserst schmerzhafte Erkenntnis, dass man im Netz wirklich Geld verdienen kann – und seis nur in Form von Roaming-Gebühren. Sagenhafte 62000 Dollar musste ein Amerikaner zahlen, als er seinem Neffen in Mexiko den Spielfilm «Wall-E» auf den Bildschirm zauberte. Dagegen sind die 800 Franken, die der Schreibende für seinen kurzen Internetgebrauch in London an die Swisscom zahlen musste, fast schon lächerlich. Man lerne: Andere Völker, andere Sitten. Mit gierigem Blick haben die Telefongesellschaften jene im Visier, die im Ausland dem Credo der «grenzenlosen Kommunikationsfreiheit» Glauben schenken. Roaming ist auch das, was der freundliche Verkäufer beim Erwerb eines iPhones gerne verschweigt: Wer jenseits der Grenze surft oder E-Mails versendet, kann nach seiner Rückkehr den blanken Horror erleben. Nach den Hartz-IV-Empfängern, orakelte «Spiegel»-TV bereits, kommen nun die Roaming-Opfer. Fazit: Wir alle sind Diekmann. Wahre Völkerfreundschaft sähe eigentlich anders aus. Jetzt will die EU dem ganzen Treiben den Riegel schieben. Doch der Erfolg ist ungewiss; zu viele partizipieren an dieser grenzüberschreitenden Abzockmaschinerie. Eigentlich auch ein Fall für unseren Preisüberwacher, aber dieser schweigt. Möglicherweise hält er sich dabei auch nur an eine fast-biblische Weisheit: Der Herr hats gegeben, die Swisscom hats genommen.
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