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Die Schweizer Medien und die Kriege

Es gab Zeiten, da hielten sich die meisten schweizerischen Medien eisern an die alte Reihenfolge: An der Spitze des Blattes oder der Sendung prangte die Auslandberichterstattung, dann folgten Inland, Lokales, Sport und dann Vermischtes, Unfälle und Verbrechen. Dann kamen einige kluge Redaktoren daher und sagten: So, der Konflikt zwischen Hindustan und Turkmenistan kommt an die Spitze, aber das, was die geneigte Leser-Hörer- und Seherschaft wirklich interessiert, der kleine Politskandal in der Gemeinde oder der schwere Unfall vor der Haustüre, folgt dann weit hinten, wenn überhaupt. Es kam zu einer eigentlichen Umwertung aller News-Werte, Lokales und Lokalstes rückte ganz nach vorn, das sogenannte Ausland wurde nach hinten gerückt.

So weit, so gut. Doch jetzt, da die Welt wieder mehr und mehr von kriegerischen Konflikten zugedeckt wird, droht eine weitere Umwertung, sogar eine Vernachlässigung der einst berühmten schweizerischen Auslandberichterstattung. Sei es, dass viele wohlstandsverwöhnte Schweizer nicht mehr ständig im Ausland wohnen und als Korrespondenten dienen wollen, sei es, dass eben der Auslandteil der Medien nicht mehr so ernst genommen wird, sei es, dass die relativ kleine schweizerische Medienlandschaft aus Geldmangel einen derartigen teuren Teil nicht mehr tragen will. Aber durch diese Tendenzen ist den schweizerischen Medien die Auslandberichterstattung praktisch entglitten.

Da ist nicht nur die grösste «normale» Schweizer Zeitung, der Zürcher Tages-Anzeiger, der seine Auslandberichterstattung de facto an die Süddeutsche Zeitung aus München abgetreten hat. Nichts, rein gar nichts gegen die hochintelligenten Deutschen, aber gerade in den Stellungnahmen zu Kriegen und internationalen Konflikten sind eben deutsche Erfahrung und Mentalität bei Weitem nicht schweizerische Erfahrung und Mentalität. Da ist aber auch ein eklatanter Mangel an Berichterstattern aus dem eigentlichen Kriegs- und Krisengebiet. Mit der löblichen Ausnahme eines Berichts eines mutigen Briten aus dem russisch besetzten Gebiet in der Ostukraine in der «Rundschau» vor einigen Wochen und den Reportagen des früheren Korrespondenten Christof Franzen vom platten russischen Land hat man bei SRF nie etwas mehr in die Tiefe gehendes über den russischen Standpunkt erfahren, sicher immer noch negativ für Putin, aber eben informativ – nur die übliche ukrainische Propaganda.

Gerade für diesen Konflikt ist die schweizerische Berichterstattung völlig in deutsche Hände übergegangen. Jetzt, wo die Ukraine selbst von einer schwierigen Lage spricht und die internationalen Medien berichten, die ukrainische Armee habe Mühe, nur schon die jetzige Front zu halten, wird eines deutlich: wie sehr uns beispielsweise die deutschen Militärforscher an der ETH, heissen sie nun Niklas Masuhr oder Oliver Thränert, über Jahre am Schweizer Fernsehen mit superoptimistischen Berichten für die Ukraine gefüttert haben. Über Versagen der russischen Armee, über riesige russische Verluste, über eine erfolgreiche ukrainische Offensive. Alles Makulatur.

Gleiches gilt für Gaza. Auch dort verlangt man von keinem schweizerischen Berichterstatter, er solle sich nach Gaza und in höchste Lebensgefahr begeben. Aber etwas Nachdenken, mehr über die Hamas und Gaza und weniger über die Geiseln, könnte man schon. Israel hat rund neun Millionen Einwohner. Davon befinden sich etwas über 100 leider immer noch als Geiseln in den Händen der Hamas. Es war für die Hamas ein teuflisch guter Plan, diese Geiseln zu nehmen. Doch jetzt wird in der Berichterstattung tagelang über den Wirbel berichtet, den die zu Recht verzweifelten Angehörigen dieser unglücklichen Menschen in Jerusalem verursachen, und weniger über Gaza und die Hamas. Viele Israelis scheinen mehr Benjamin Netanjahu bekämpfen zu wollen als die Hamas. Doch welcher Staat dieser Welt wollte und könnte wegen etwa 100 tragischerweise in Lebensgefahr schwebenden Bürgern alle hohen Staatsziele liegenlassen?

Diese falsche Gewichtung sollte in der schweizerischen Berichterstattung durchschaut werden. Ebenso sollte man wegkommen von der ewigen Berufung auf all die Berichte der UNO und ihrer vielen, vielen Unterorganisationen. Die riesige Mehrheit der UNO ist seit ebenfalls ewigen Zeiten anti-israelisch eingestellt. Schon die frühere Ministerpräsidentin Golda Meir hat gesagt: «Wenn wir alle UNO-Resolutionen gegen uns befolgt hätten, wäre Israel nicht mehr da.»



Hansmartin Schmid ist Journalist und Historiker, war Printjournalist in Chur, Rom, Bern und Bonn sowie Fernsehjournalist in Zürich, Deutschland und Graubünden. Dieser Beitrag erschien zuerst im Bündner Tagblatt.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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