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Grüezi, Frau Adam!

Wie viel Deutsch muss ein Schweizer Journalist können?, lautete früher die Frage. Heute ist es umgekehrt: Wie viel von Schweizer Journalismus muss ein Deutscher verstehen, wenn er an einer hiesigen Hochschule Medienwissenschaften lehrt? Auslöser dieser Rabulistik: die Ernennung der 33-jährigen Stuttgarterin Silke Adam zur Medien- und Kommunikationsprofessorin an der Universität Bern. Ausgewählt wurde die Stuttgarterin als Nachfolgerin des legendären Roger Blum aus 32 Bewerbungen, lediglich zwei davon Schweizer. Das Thema erregt die Gemüter: Die Publizistikwelt wundert sich, die «Weltwoche» stänkert und sogar der «Club» des Schweizer Fernsehens widmete sich diese Woche dem Thema. Um nicht den Eindruck von plumpem Deutschen-Bashing zu erwecken, sei trotzdem ein kleiner Einwand erlaubt. Möglicherweise ist der Entscheid der Berner Universitätsspitze viel realitätsnaher, als man im ersten Moment glauben möchte. So befindet sich der «Blick», die schweizerischste aller Zeitungen, längst in deutscher Hand. Neben dem Chefredaktor und seinem Vize stammt auch die Führungsspitze des sonntäglichen Magazins aus dem grossen Kanton, in freier Anlehnung an Karl May: «Nur ein deutscher Journalist ist ein guter Journalist.» Dem Blatt hat es jedenfalls nicht geschadet: Das Blut fliesst, die Busen quillen und selbst der einst verpönte Blocher ist wieder zum Boulevard-Helden geworden. Problematisch wird es nur, wenn der «Blick» über den Dauerbrenner Nummer eins – «die Deutschen» – berichten will. Damit tangiert man bei den «Blick»-Chefs eine fast schon philosophische Frage: Gibt es ein Grundrecht auf Masochismus? Vielleicht müsste man ganz einfach bei der frisch gekürten Berner Medienprofessorin nachfragen. Sie ist – und das war wohl das entscheidende Anstellungskriterium – Spezialistin für vergleichende Kommunikationsräume.
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