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«Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!»

Matthias Ackeret

Comeback eines Trash-Formats: Kaum vom deutschen Sender RTL abgesetzt, feiert die Schmuddel-Soap «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» im Bundeshaus ihre Wiederauferstehung – und zwar authentischer, spannender und auch hochkarätiger als das Original. Mit Hans-Rudolf Merz verlässt nun bereits der vierte Bundesrat vor Ablauf der Legislativperiode das bernische Dschungelcamp, für schweizerische Verhältnisse ein Rekord. Dass eine solche Fluktua- tionswelle keineswegs imagefördernd wirkt, ist nachvollziehbar: Noch selten dürfte der Bundesrat so wenig Anerkennung genossen haben wie jetzt. Ein Paradoxon: Gleichzeitig werkeln weit über 500 Kommunikationsexperten am Image unserer Regierung. Auch ein Rekord. Die kulinarische Frage sei erlaubt: Verderben zu viele Köche am Ende gar den Brei? Die Lösung ist wohl banaler: Im Gegensatz zu Deutschland hat unser Bundesrat keinen charismatischen Regierungssprecher mehr. Vorbei die Zeiten, als Achille Casanova oder später Oswald Sigg die magistralen Niederungen und Verwerfungen in samtene Wolken hüllten. In Deutschland hat der Regierungssprecher fast schon sakrosankte Bedeutung, wie die Wahl des smarten ZDF- Nachrichtensprechers Steffen Seibert zeigt. Möglicherweise übt sich unser Chefkommunikator, der Tessiner André Simonazzi, lediglich in schweizerischer Bescheidenheit. Obwohl sympathisch, ist er weitgehend unbekannt; fernsehtechnisch gesprochen: «Ich bin kein Star – Lasst mich drin!», oder profaner formuliert: «Keine weiteren Egos an die Front!» Für die mediale Aussenwirkung des Bundesrates ist dies keineswegs förderlich, was bleibt, ist das Bild einer heterogenen, völlig zerstrittenen Truppe. Vielleicht hat man damit auch nur die höchste Form der Kommunikation erreicht: Etwas so zu zeigen, wie es wirklich ist.
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