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KI als Ergänzung der Fotografie

Kilian Kessler

Nach der Digitalisierung ist nun angeblich die KI in der Lage, der Fotografie das Leben schwer zu machen. Bildagenturen werben mit Content, der vom Kunden selbst erstellt werden kann, und euphorische Kreative feiern die ungewöhnlichen farbigen Bildchen, welche von der KI ausgespuckt werden (lassen wir die diversen urheberrechtlichen Problematiken einmal beiseite).

Die Stärke der Fotografie hingegen besteht darin, zeigen zu können, was wirklich ist. Zeitnah. Unmittelbar. Emotional (falls gewünscht). Der Fokus im Einsatz fotografischer Bilder muss sein, als Garant für die Echtheit des Abgebildeten zu gelten. Den Beweis dafür erbringen, dass das Abgebildete tatsächlich stattfand. Also, Eigenschaften des Mediums zum Teil der Botschaft machen.

Die Fotografie wird sich von KI-Bildern abgrenzen und sich dem real Existierenden verpflichten, ohne die Inszenierung auszuschliessen. Man kann auch einen Schritt weitergehen und fordern, dass sämtliche Bearbeitungen und Bildmanipulationen jederzeit und von jedem überprüfbar gemacht werden sollen. Das ist machbar und wird immer wichtiger werden. Nicht nur im journalistischen oder wissenschaftlichen Kontext. 

Vielfältig werden die Bereiche und Themen bleiben, bei denen die Fotografie ihre Stärke behaupten kann: das Unternehmen, das seine neuen Mitarbeiter zeigen möchte; das Architekturbüro, das sein gebautes (!) Hochhaus präsentieren möchte; der Herstellungsprozess der eigenen Produkte. All diese Bildinhalte sind ohne den Beweis ihrer wirklichen Existenz nutzlos.

Auf der ästhetischen Bewertungsebene der funktionalen und kommerziellen Fotografie wird bereits heute der Wunsch nach dem Echten geäussert: Ausgeleuchtete und perfekte Realitäten wirken nicht glaubhaft, die Perspektiven und Bildausschnitte sollen natürlich, authentisch wirken. Auch das sind Indizien dafür, dass die KI nicht die Lösung für alles sein wird.

Sie wird die Fotografie mitgestalten und beeinflussen, indem Gesichter anonymisiert werden können (ohne schwarze Balken). Oder aber der Corbusier-Sessel aus markenrechtlichen Gründen mittels KI abgeändert werden kann, ohne den Bildbearbeiter wecken zu müssen. Auch das Keywording, entscheiden, um Bilder auffindbar zu machen, wird in Zukunft noch stärker von KI unterstützt werden. Obwohl der Mensch hier immer noch den besseren Job macht.

Ich bin davon überzeugt, dass sie als nützliches Werkzeug für viele Aufgaben bei der Arbeit mit Bildern unseren Arbeitsalltag erleichtern und bereichern wird. Das Versprechen der Fotografie aber kann die künstliche Intelligenz naturgemäss nicht erfüllen.


Kilian J. Kessler arbeitet seit über 20 Jahren in der visuellen Kommunikation. Seit 2019 leitet er im Team die Ex-Press Visuelle Medien AG, Dienstleister für das Bild.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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Kommentare

  • Kilian Kessler, 02.03.2023 14:48 Uhr
    Danke für Ihren Kommentar. Vielleicht sollte man noch etwas abwarten, im Moment überwiegt die nicht immer sehr reflektierte Euphorie. Gesetzliche Regulation zeichnet sich ab, zumindest in der EU und insbesondere in Hinsicht auf Kompatibilität der KI mit der DSGVO. Das wird viele KI-Anwendungen betreffen und weniger spannend machen. Abgesehen davon: die Beweiskraft der Fotografie wird entscheidend sein und hier müssen die Fotograf*Innen ihre Bildsprache und ihre Einstellung zu ihrer Arbeit überprüfen. Unbestritten. Der Dame von der NZZaS kann man die Frage stellen, ob man ihre Ausführungen nicht auch auf Fotograf*Innen beziehen könnte? Und wer behauptet denn, dass der Verfasser der Prompts kreativer und origineller ist als die Fotograf*Innen? Das von ihr vorgebrachte Argument der Quantität ist m.E. nach tendenziell ein Armutszeugnis und zeigt auf, dass man es lieber dem Zufall zu überlassen scheint, wie man visuell kommuniziert, anstelle sich vorab zu überlegen, was man wie darstellen möchte.
  • Henri Leuzinger, 27.02.2023 16:24 Uhr
    Voll einverstanden, klar, als Metierkollege. Nur: Es sieht so aus, als würden KI-generierte Bilder eine enorme Sogkraft ausüben, auch in den Medien. Aline Wanner war in der NZZaS vom 15.1.2023 völlig hingerissen, als sie zum Ende des Stockbildes schrieb: «Denn je besser, genauer, witziger, origineller derjenige ist, der die Eingaben macht, desto besser, genauer, witziger, origineller werden die Bilder. Und wenn nicht, erstellt er eben rasch hundert neue Versionen.» Wozu brauchen solche Leute dann noch echte Fotografien, von echten Fotografinnen und Fotografen?
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