BLOG

Trial and error

Wenn alles unausweichlich den Bach runtergeht, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder will man mit einer Kaskade von kleinen Retuschen das immer untauglichere Geschäftsmodell etwas länger vor dem Absaufen bewahren. Oder dann strebt man nach innovativen Ansätzen, mit denen das arg bedrohte Überleben gesichert werden soll. Der erste Ansatz ist der defätistische, der zweite der heroische, der als Zeichen für Führungsqualität gilt.

Doch die verzweifelte Suche nach Veränderungen, die als echte game changer Wirkung zeigen sollen, kann noch schneller ins Abseits führen. Denn in einer Welt, in der wirklich tragfähige neue Geschäftsmodelle für die Medienbranche nicht vorliegen, handelt es sich vielfach um blosse Aktionitis, mit der sich unter riesigem Erwartungsdruck stehende Manager beweisen wollen, ohne die notwendigen Abklärungen über die Downside-Risiken getätigt zu haben.

Beispiele gibt es zur Genüge. So hat es sich ausser dem österreichischen CEO niemandem erschliessen können, weshalb die NZZ mit einem kostenpflichtigen Portal in seinem Heimatland auf eine Ertragsperle stossen würde. Und die langjährige Tamedia-Strategie, sich im Zeitungsmarkt in möglichst vielen Regionen des Landes Monopolstellungen zu sichern, um so den Preiszerfall zu dämpfen, erwies sich als ein Pyrrhussieg. Denn wenn man sich mit Hunderten von Millionen die Dominanz in einem immer mehr serbelnden Markt sichert, überzahlt man nicht nur in grossem Stil, sondern verbaut sich zudem die Sicht auf die entscheidenden Entwicklungen der Branche.

Admeira ist zurzeit das Paradebeispiel für die Aktionitis, die Medienmanager umtreibt. Es handelt sich um ein ehrgeiziges, grossflächiges Projekt, das von Beginn weg auf tönernen Füssen stand. Schon der öffentlich formulierte Anspruch, dass man mit einem etwas aufgepeppten Werbepool gegen die technisch raffinierten Angebote von Google und Facebook antreten wolle, entbehrte jeder Glaubwürdigkeit. Auch die gleichzeitig gelieferte patriotische Begründung wirkte weitgehend hohl, vor allem weil mit Springer ein führender deutscher Verlag mit im Boot sitzt. Zwar erhielt das Projekt von SRG, Ringier und Swisscom subito den Segen von Medienministerin Doris Leuthard, die sich ebenfalls aktiv und fortschrittsgläubig geben will. Leider aber zeigt sie beim Thema Medien eklatante Schwächen, wenn sie etwa unser «duales System» vollmundig lobt, obwohl es ein solches in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland nicht gibt, weil die Privaten bei Radio und Fernsehen in einer völlig anderen Liga spielen als die dominierende SRG. Zudem wurde der erbitterte Widerstand der Verleger gegen Admeira von den Promotoren massiv unterschätzt, die auf das bundesrätliche Fait accompli setzten. Nicht nur wurde in der Folge die inhaltliche Raison d’être von Admeira – nämlich die zielgruppenorientierte Werbung – untersagt. Noch bedeutender ist das vor Kurzem erfolgte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das erhebliche Unsicherheit dahingehend geschaffen hat, ob das Projekt rechtlich zulässig ist. Ich kann mir vorstellen, dass einige der Promotoren von Admeira bereits den Tag verwünschen, an dem sie sich in ihrer Aktionitis-Sucht auf dieses kostspielige, komplexe und höchst gefährdete Unternehmen eingelassen haben.

Die Suche nach neuen Ansätzen treibt aber nicht nur Medienmanager um. Auch ernsthafte Journalisten, die den fortlaufenden Zerfall der Redaktionskapazitäten hautnah erleben, fühlen sich herausgefordert. So will Constantin Seibt, die Edelfeder des Tages-Anzeigers, mit einem bisher weitgehend geheimnisvollen Konzept ein von Journalisten geleitetes Projekt auf die Beine stellen. Als Vorbild könnte etwa vox.com in den USA dienen, wo unter der Leitung des erst 32-jährigen Ezra Klein hervorragender Journalismus geboten wird, der zum Teil bessere Inhalte liefert als die beste Zeitung der Welt, die New York Times. Da die Schweiz allerdings weder 300 Millionen Einwohner noch eine Spenden- und Investorenkultur wie die USA hat, muss ein vergleichbares Schweizer Experiment gewaltige Hürden überspringen. Aber wie zu Beginn erwähnt: Nicht nur für Verlagsmanager, auch für mutige Journalisten ist es heroischer, etwas zu wagen, als apathisch dem sicheren Untergang entgegenzutrudeln. Wenn es also innovativen Journalisten gelingen sollte, etwas Nachhaltiges auf die Beine zu stellen, wäre das eine grandiose Leistung. Denn gemäss dem Prinzip von trial and error kann hie und da auch Erstaunliches gelingen.

 

Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Nico Herger
09.11.2016 10:48 Uhr
Seibt hat sich mit seinem peinlichen Loblied auf die Kandidatin Clinton schon mal ein paar Imagekratzer zugefügt. Wenn das mutig und innovativ sein soll ...
Kommentarfunktion wurde geschlossen