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Willkommen in Pjongjang

Werbung verführe, so die Argumentation der Plakatgegner. Was ja per Definition die Funktion von Werbung ist. Doch im Zürcher Gemeinderat hat diese verfangen. Mit einer knappen Mehrheit von einer Stimme will die rot-grüne Parlamentsmehrheit die Plakate im öffentlichen und auch privaten Raum massiv eindämmen und die digitalen Plakate sogar verbieten. Eine Forderung, die selbst den rot-grünen Stadtrat fassungslos macht. Die berühmten Lindt-Plakate am Zürcher Central sind bald wohl Vergangenheit. Zwar gab es die gleichen sektenhaften und ideologisch aufgeheizten Diskussionen bereits in Genf, Lausanne oder Bern. Doch in Zürich, der Hauptstadt des Schweizer Kapitalismus, hat es eine andere Qualität. Merke: Wo rot-grün regiert, wird es bald grau. «Willkommen in Pjongjang», schrie gestern Ratspräsident Guy Krayenbühl, ansonsten zur Zurückhaltung verpflichtet. Und Pjongjang – das weiss man – gehörte bis anhin nicht zur Greater Zurich Area.

Ein Plakatverbot in Zürich ist doppelt pervers. Zum einen ist die Limmatstadt nicht nur das wirtschaftliche Herz der Schweiz, sondern auch jener Ort, an dem seit Generationen hochwertige Plakatkunst gefördert und – wie im Museum für Gestaltung – gesammelt wird. Die APG – und dies als Klammerbemerkung – wird dieses Jahr 125-jährig und will die besten Exponate in einer Open-Air-Ausstellung im Sommer in der Innenstadt zeigen. Bis dann wird das Verbot wohl noch nicht greifen. Dass die Plakatgesellschaften APG und Goldbach Neo der Stadt jährlich 30 Millionen Franken an die VBZ, also an den öffentlichen Verkehr, zahlen, scheint die linken Stadtzürcher Parlamentarier nicht zu interessieren. Gemäss der Devise: Geld muss nicht verdient werden, Geld kommt vom Himmel. Dass die Werbebranche, die mehrheitlich sogar links denkt, dadurch bedroht ist, scheint den Zürcher Genossinnen und Genossen und Grünen egal. Wobei seit gestern für die Zürcher Kreativbranche das alte Motto gilt: «Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten.»

Konsequent wäre also, wenn die Werber nächstes Mal nicht mehr links wählen und die Werbegegner im Zürcher Gemeinderat bei den nächsten Wahlen auf jegliche Propaganda verzichten würden. Doch das ist vielleicht zu viel verlangt.



Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.

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KOMMENTARE

Stefan Matter
25.03.2025 14:25 Uhr
Fakt ist: Niemand braucht Werbung. Werbung und Marketing sind mittlerweile so penetrant, so omnipräsent, so in den Alltag eingreifend, dass es nur noch stört. Ich bin froh, dass Aussenwerbung verboten wird, und wünsche mir auch ein Verbot von Fernsehwerbung, Radiowerbung und vor allem Internetwerbung. Die gierigen Werber kriegten den Hals nicht voll, jetzt kommt halt die Retourkutsche. Tja.
Andreas Gossweiler
24.03.2025 14:22 Uhr
Sehr geehrter Herr Ackeret, darf ich ein paar Punkte richtigstellen? 1) Mit «Pjongjang» hat der Verzicht auf Plakatvwerbung nichts zu tun. Wir haben weiterhin ein kapitalistisches Wirtschaftssystem. 2) Ich lebe seit 60 Jahren in Zürich, aber habe nie gehört, dass die Schoggiwerbung am Central «berühmt» sein soll. Ich fand sie immer spiessig und optisch langweilig. 3) Bitte verzichten Sie auf grobe Polemik wie «sektenhaft» und «ideologisch aufgeheizt». Wir können doch auf eine ruhige, gesittete Weise über das Thema diskutieren. 4) Zürich ist alles andere als «grau», auch ohne Schoggiwerbung. 5) Selbst wenn Zürich ohne Schoggiwerbung grau wäre, dann wäre das kein Grund, um die Stadt mit Schoggiwerbung vollzupflastern. 6) Hochwertige Plakatkunst ist etwas Grossartiges, aber wo haben Sie in den letzten Jahren hochwertige Plakatkunst gesehen ausserhalb des Museums für Gestaltung? Die Plakatwerbung unserer Tage ist komplett langweilig und fantasielos geworden. Die grossartigen Schweizer Plakatkünstler wie Leupin oder Geissbühler sind ausgestorben. 6) Wer links denkt, geht ganz sicher nicht in die Werbebranche. 7) Die sogenannte «Zürcher Kreativbranche» nennt sich zwar «kreativ», aber sie ist es nicht. Sie will uns nur Dinge andrehen, die wir nicht brauchen. 8) Die digitalen Werbescreens sind ein visuelles Ärgernis und verbrauchen extrem viel Strom. Wenn die Werbebranche die Stadt mit solchen Geräten verschandelt, braucht sie sich nicht zu wundern, wenn die Politik auf diese Werbeexzesse reagiert. 9) Aus den erwähnten Gründen haben die Sozialdemokraten die Werbebranche auch gar nicht «verraten» – dieses Zitat haben Sie komplett aus dem historischen Kontext gerissen, es passt in keiner Weise zum Thema.
Claude Bürki
21.03.2025 17:56 Uhr
Aussenwerbeverbote (wie in Genf, Bern und jetzt auch Zürich) schaden vor allem KMU-Druckunternehmen, die im Bereich Plakat- und Aussenwerbung tätig sind. Diese links-grünen Verbote gehören nicht in eine wirtschaftsfreundliche Regulierungspolitik.
Christian Hänggi
21.03.2025 17:40 Uhr
Nach wie vor sehe ich nirgends bei den Bürgerlichen oder in der Werbeindustrie eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema Werbung und Aussenwerbung und mit den Dilemmas, in denen die Industrie heute steckt - politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich, ökologisch. Es gibt nur reflexartige Abwehrmechanismen, Pauschalisierungen, Zuschreibungen, und rhetorische Kniffe. Das ist leider auch hier der Fall und bei den ganzen Statements, die von den verschiedenen Lobbyorganisationen kommen.
Victor Brunner
21.03.2025 12:55 Uhr
Es ist geradezu peinlich. Die linken Zuchtmeister im Gemeinderat gehen davon aus das ihre linke Gefolgschaft nicht mündig ist, nicht in der Lage ist sich im Stadtraum "schadenlos" bewegen zu können. Das Ziel der Linken in Zürich ist klar, wir wollen Arbeitsplätze vernichten. Erst alles was mit Grün und Reinigung zu tun hat, Laubbläser. Nun alle Arbeitsplätze die mit Aussenwerbung in der Stadt zu tun haben. Nicht Werbung verführt sondern die linke Bevormundung und Eingrenzung von persönlichen und unternehmerischen Freiheiten. Google freuts und spendet vielleicht in die Parteikasse der Zuchtmeister!
Moreno Cavaliere
21.03.2025 11:40 Uhr
Ehrlich gesagt mich überrascht bei diesem Gemeinderat und bisweilen auch Stadtrat nichts mehr. Unterdessen überlege ich mir mein KMU, welches immerhin schon 25 Jahre im Markt ist, umzusiedeln. Meine Lust Steuern an diese Leute zu bezahlen hält sich in Grenzen.
Claus Bornholt
21.03.2025 10:16 Uhr
Dieter Nuhr sagte über DE: "Warum Wohlstand erwirtschaften, wenn man ihn auch verteilen kann?" Müssen wir unserem (kränkelnden) Nachbarn alles nachmachen? Wirtschaftsfeindlichkeit zahlt sich irgendwann ganz sicher aus. Werbung einschränken oder verbieten. Nur noch 4 Tage in der Woche arbeiten. Der reichsten Generation eine 13. AHV Rente schenken. Erbschaften konfiszieren. Vielleicht denkt man irgendwann so, wenn man Geld nicht erwirtschaften muss, sondern Budgets beantragen kann. Fast noch schlimmer ist die damit einhergehende voranschreitende Bevormundung: «Entscheidend ist aber vor allem, für welche Zwecke geworben wird.» heisst es von Herrn Schmid. Angebote wie Billigflüge, Fast Fashion oder (sic!) Autos sollen besonders ins Visier genommen werden. Wäre es nicht einfacher, solch Teufelswerk gleich zu verbieten? Warum der Umweg über Werbeverbote? Wahlplakate sollen übrigens selbstverständlich weiterhin möglich sein. Nun gut, manche Schweine sind halt gleicher als andere. Und von irgendwas muss die Politik ja leben. Was war das doch gleich? Ach ja, richtig, das Geld des Wählers.
Max Röthlisberger
21.03.2025 08:45 Uhr
Das Problem ist nicht die Werbung, sondern Werbung überall! Auf der Post, im Lift, beim Zahnarzt, im Kreisel, am Bahnhof, im Parkhaus, im Kreisel. Werbung, Werbung, Werbung......wie jemand auf die Idee kommen kann, das diese Art von Werbung Umsatz mit dem beworbenen Produkt bringen kann, ist mir schleierhaft.
Adrian Schaffner
20.03.2025 12:40 Uhr
Du bringst es auf den Punkt Matthias!
albi matter
20.03.2025 10:04 Uhr
blöder geht‘s nicht mehr! was soll diese realitätsfremde idee? pfui! ?
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