20.09.2013

US-Geheimdienstaffäre

Belgische Telekomfirma von britischem Geheimdienst ausgespäht

Swisscom-Kunden nicht betroffen.

Der britische Geheimdienst GCHQ hat nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" gezielt den belgischen Telekom-Konzern Belgacom attackiert. Mehreren Angestellten deshalbstaatlichen Unternehmens sei eine Späh-Software untergejubelt worden, hiess es. Das gehe aus Unterlagen des ehemaligen US-Geheimdienstlers Edward Snowden hervor, die der "Spiegel" ausgewertet habe. Der britische Geheimdienst habe die Zielpersonen offenbar ohne ihr Wissen auf Webseiten umgeleitet, die deren Rechner mit Schadsoftware infiziert hätten. 

Von diesen Mitarbeitern ausgehend habe sich der GCHQ weiter ins Unternehmensnetzwerk von Belgacom vorgearbeitet. Einer undatierten Präsentation zufolge sei das Ziel der Briten gewesen, die Belgacom-Infrastruktur zum Ausspähen von Smartphone-Nutzern einzusetzen. Insbesondere die Tochter Bics, an der auch die Swisscom und der südafrikanische Telekomkonzern MTN beteiligt sind, stehe demnach im Focus der Briten. Der GCHQ habe auf Anfrage nicht zu den Angaben Stellung genommen, berichtete der "Spiegel".

Anzeige erstattet
Belgacom selbst hatte in einer internen Untersuchung einen Angriff festgestellt und Anzeige gegen unbekannt erstattet, wie das Unternehmen am Montag mitteilte. Auf einer Reihe von Einheiten des IT-Systems sei ein Virus entdeckt worden, hiess es.

Die Swisscom, die 22,4 Prozent an Bics hält, sei von Belgacom über den Vorfall informiert worden, sagte Swisscom-Sprecher Carsten Roetz am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Gemäss den Informationen der Belgacom sei das interne IT-System der Belgacom von den Angriffen betroffen. Dieses ist allerdings auch bei Bics im Einsatz.

Es gebe keine aber Hinweise, dass die Telekominfrastruktur, Dienstleistungen oder Kundendaten von Bics betroffen seien, sagte Roetz. Für die Swisscom ist dies von Bedeutung, denn der "blaue Riese" wickelt einen grossen Teil seines interkontinentalen Verkehrs, vor allem zwischen Europa und Amerika, über Bics ab. "Wir haben keinen Hinweis, dass unsere Kunden betroffen wären", sagte Roetz.

Bisher fiel Verdacht auf NSA
Die belgische Regierung hatte Mitte September erklärt, man ermittle wegen eines mutmasslichen Cyberangriffs durch einen ausländischen Geheimdienst. Welcher Staat hinter der Attacke vermutet wurde, sagte die Regierung nicht. Belgische Medien berichteten, der US-Geheimdienst NSA habe zwei Jahre lang den internationalen Telefonverkehr überwacht, der durch die die Belgacom laufe.

Belgacom ist das zweite Unternehmen, das namentlich als Ausspähziel der anglo-amerikanischen Geheimdienste genannt wird. Zuvor sorgten Berichte für Aufsehen, laut denen der US-Geheimdienst NSA den brasilianischen Ölkonzern Petrobras im Visier habe.

Spekulationen: EU im Visier
Heikel ist der Fall auch deshalb, weil dem "Spiegel" zufolge unter anderem die EU-Kommission, der Rat der Mitgliedstaaten und das Europaparlament Belgacom-Kunden sind. "Dass eine EU-Regierung die Grundrechte der Bürger derart mit Füssen tritt, haben viele zwar befürchtet, aber das nun enthüllte Ausmass der Überwachung ist skandalös", erklärte der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer aus Österreich. In diesem Fall dürfte auch die Frage gestellt werden, wer hinter der Cyberattacke auf Belgacom steckt. Auch wenn der Angriff offenbar von dem EU-Mitglied Grossbritannien aus gesteuert wurde, setzte der britische Geheimdienst dafür dem "Spiegel" zufolge Spähtechnik ein, die von der NSA entwickelt wurde.

Die belgische Zeitung "Le Soir" zitierte auf ihrer Internetseite eine nicht näher bezeichnete Quelle, die hinter dem Hackerangriff das von den US-Geheimdiensten NSA und CIA gemeinsam betriebene SCS-Überwachungsprogramm (Special Collection Service) vermutet. (sda)


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