19.09.2019

Blick TV

Brotz grilliert Projer

Neu-«Arena»-Moderator befragt Alt-«Arena»-Moderator: Am 50. Social-Media-Gipfel in Zürich sass Jonas Projer auf dem Heissen Stuhl von Sandro Brotz. Thema war das, was der Branche zurzeit unter den Nägeln brennt: Blick TV.
Blick TV: Brotz grilliert Projer
Brotz gegen Projer: Ein unterhaltsames Gespräch mit vielen Lachern. Die erhoffte Breaking-News blieb jedoch aus. (Bild: Boris Baldinger)

Mittwochabend, kurz nach fünf, im Zürcher Plaza-Club. Es findet das 50. Jubiläum des Social-Media-Gipfels statt. Für einmal ohne Gipfeli. Seit zehn Jahren trifft man sich morgens vor der Arbeit zum Frühstück und spricht über soziale Medien. Das Jubiläum findet nun aber abends statt (persoenlich.com berichtete). 

Der grosse, eng bestuhlte Saal ist voll von Kreativen, Werbern und anderen Exemplaren der digital-affinen Spezies. Gemäss den Veranstaltern, Bernet Relations und Previon+, sind rund 180 Leute anwesend. Drei Referate zu spannenden Themen mit mehr oder weniger Social Media fokussierten Ausprägungen sind bereits durch. Unter anderem sprach Christoph Tonini zur Medienkrise im Zeitalter der Digitalisierung.

Und nun der Knüller des Abends: Der heisse Stuhl. Gegrillt wird Jonas Projer. Grillmeister ist Sandro Brotz. Alt-«Arena»-Moderator gegen Neu-«Arena»-Moderator. Zum Thema, das die Kommunikationsbranche wie kein anderes in letzter Zeit beschäftigt: Blick TV. Wird Chefredaktor Projer sich hinreissen lassen, etwas Bahnbrechendes über den neuen Digitalsender zu erzählen? Wird Sandro Brotz seinen alten Kollegen schonen? Die Spannung steigt.


Die beiden TV-Stars treten auf die Bühne. Applaus. Jonas Projer, leger in schwarzer Lederjacke, die Zeit bei Ringier als Chef scheint ihm gut zu tun. Sandro Brotz, gewohnt elegant in glänzenden braunen Stiefeletten, dunklen Jeans und Sakko. Die beiden sind locker, freuen sich auf das Gespräch. Man wird noch öfters Gelächter aus dem Publikum durch den Saal schallen hören.

«Da hast du mir was Schönes eingebrockt»

Sandro Brotz heizt den Grill an: «Wir mögen uns sehr, wir schätzen uns sehr… das wird ihm aber nicht helfen.» Er werde Projer erst von der Bühne lassen, wenn es eine «persoenlich.com»-Breaking-News gebe. Dazu wird es leider nicht kommen.

Jonas Projer zu Sandro Brotz: «Guten Abend Sandro, schön dich zu sehen. Ich wollte dich schon lange Mal fragen, wie es dir so bei der ‹Arena› geht?» Nachfolger Sandro Brotz: «Da hast du mir ja was Schönes eingebrockt.» Kurzes Gelächter aus dem Publikum.

Brotz steigt mit bissigen Fragen, abgelesen von «Arena»-Moderations-Karten, zur Ausrichtung von Blick TV ein. Projer wehrt ab, weicht aus, witzelt über die Karten, erzählt, dass er momentan noch nicht genau wisse, wie das ausschauen sollte und auch wenn, er dies sicher nicht hier erzählen werde.

Projer: «Jeder, der dir erzählt, er wisse wie Bewegtbild in zwei Jahren aussieht, lügt. Jeder der sagt, er wisse wie man in zwei Jahren Geld verdient im Journalismus, ist ein Hochstapler.»

Blick TV startet Anfang 2020

Blick TV soll das erste digitale TV der Schweiz mit den Themen News, Politik, Wirtschaft Sport und Entertainment werden. In Partnerschaft steht der US-TV-Sender CNN. Start ist Anfang 2020 (persoenlich.com berichtete).

Man müsse zuerst eine technologische Basis für Blick TV schaffen, führt Projer weiter aus. Und erzählt, dass er bei der Planung des neuen Studios dabei gewesen war. Genau wie bei der Erneuerung der «Arena». In der zweiten Sendung habe er gemerkt, dass die Experten viel zu weit weg waren von der Hauptbühne. «Trotzdem musste ich fünf weitere Jahre da drin moderieren.»

Brotz will Projer wieder zum Thema Blick TV bringen. Doch Projer wehrt sich: «Sie müssen mich schon mal ausreden lassen, auch wenn Ihnen das inhaltlich nicht passt mit Ihrer linken Haltung!» Gelächter.

Aber, ernsthaft. Projer verwende dieses Wort nicht gerne. Aber er verwendet es tatsächlich: «Agil» müsse das sein, was er aufbaut. Zuerst müsse man jedoch herausfinden, was im Internet funktioniert. Blick TV werde ein neuer Vektor im Blick-Newsroom, prognostiziert Projer.

«Jede Geschichte muss auch im TV funktionieren»

«In Zukunft wird jeder ‹Blick›-Reporter mit dem Handy Bilder, ein Interview und eine Live-Schaltung machen.» Und das dürfe dieser nicht mehr als eine Stunde pro Tag machen. «Sonst läuft mir der Reporter davon.» Jede Geschichte müsse also auch im TV funktionieren, endet Projer.

Brotz fasst zusammen: «Ihr macht also einfach ein digitales TeleZüri.» Lacher.

Blick TV sei zweierlei, sagt Projer. Erstens ein Live-Sender von morgens um 6 bis abends um halb 11. Zweitens sei es eine Videostrategie, die besagt, «dass es bei jedem Artikel des ‹Blick›-Newsrooms künftig ein Video gibt».

Projer führt aus: «Wir machen eine Sendung von Punkt bis Viertel nach, die viele kleine Segmente sendet. Und um Viertel nach geht diese nahtlos in die Wiederholung.» Denn der Nutzer, der am 13 nach einschaltet, wolle ja nicht nur die Verabschiedung sehen. Für diesen Nutzer werde es eine nahtlose Sendung geben, endet Projer endlich mit ein paar interessanten, wenn auch nicht Breaking-News tauglichen, Antworten. «Also eine Viertelstunde, die am Laufmeter wieder wiederholt wird, bestehend aus Nachrichten und lustigen Videos», bringt es Brotz auf den Punkt.

Kein Nutzer werde länger als 15 Minuten auf dem Kanal sein, daher werde das gar niemand bemerken, sagt Projer. Relevanz, Quote oder zitiert zu werden, das seien Bestandteile einer guten Sendung. «Genau so funktioniert Blick TV.»

«Klicks, Klicks, Klicks»

Klicks seien also ganz wichtig, stellt Brotz fest und sagt weiter: «Klicks, Klicks, Klicks. Hat dich Marc Walder damit beauftragt?» Darauf Projer: «Es können nicht alle von Gebührengeldern leben, Sandro.»

Die grosse Herausforderung der Branche sei, so Projer, mit Blick und Referenz an den Vortrag von Christoph Tonini: «Wie gibt es uns überhaupt noch? Wie gibt es überhaupt noch Schweizer Journalismus, wenn das Geld nicht mehr zu uns fliesst?» Wenn der Deal, den der Schweizer Journalismus aufgebaut hat, nicht mehr da sei? Und in diesem New Deal gehe es darum, wie man Klicks heranbringen und diese monetisieren könne. «Deshalb sage ich dir, Sandro, natürlich hat Blick TV Traffic-Ziele. Wir müssen ja Geld verdienen.»

Projer habe einen Tag nach der Vertragsunterzeichnung bei Ringier bereits angefangen, Leute einzustellen, da habe er «nur noch moderiert» und sonst alles abgegeben. «Ich habe meine Ferientage beim SRF genutzt, um bereits an der Dufourstrasse Dinge zu tun.» Brotz: «Man munkelt, du hättest vorher schon angefangen.»

Der «Rundschau»-Moderator endet das Grillfest mit etwas Privatem: «Wenn man so viel arbeitet wie du: «Wie viele Sätze sprichst du noch mit deiner Frau?» Projer: «Ich folge meiner Frau auf Twitter.»


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KOMMENTARE

Robert Weingart
19.09.2019 23:27 Uhr
Locker vom Hocker oder was?
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