01.11.2020

Digitaltage 2020

«Dieses Jahr werden wir noch internationaler»

Bis am Dienstag finden in der Schweiz über 400 kostenlose Veranstaltungen statt, die sowohl physisch als auch online besucht werden können. Diana Engetschwiler von Digitalswitzerland ist Head of Digital Days und Hauptverantwortliche des Anlasses.
Digitaltage 2020: «Dieses Jahr werden wir noch internationaler»
«Jeder kann an den Digitaltagen teilnehmen. Die verschiedenen Programmpunkte richten sich an unterschiedliche Interessen, Altersgruppen und Kenntnisstände», sagt Diana Engetschwiler, Head of Digital Days. (Bild: Digitalswitzerland)
von Matthias Ackeret

Frau Engetschwiler, aufgrund der aktuellen Situation sind die Digitaltage nun erstmals digital. Was bedeutet dies für Sie?
Innerhalb von vier Wochen haben wir das ursprüngliche Konzept der Digitaltage komplett überarbeitet. In nur fünf Monaten konnten wir ein abwechslungsreiches 20-stündiges Qualitätsfernsehprogramm realisieren, über 20 Austragungsorte in allen Sprachregionen gewinnen, einen Weltrekordversuch in schwindelerregender Höhe wagen und über 400 kostenlose Aktivitäten in der ganzen Schweiz organisieren. Das gesamte Projektteam hat nun den «agilen» Muskel kräftig gestärkt. Genau derjenige Muskel, der in einer VUCA-Welt voller Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität so dringend benötigt wird. Die neuartige Mischform aus physisch und online bedeutet aber auch, dass wir viel mehr Menschen erreichen können und die letzten Hürden für einen uneingeschränkten Zugang zu den Themen des digitalen Wandels zu überwinden versuchen. Die Idee, die Digitaltage in die Online-Sphäre zu rücken, war bereits vor Corona ein Thema und konnte in unglaublich kurzer Zeit verwirklicht werden. Auch dieses Jahr legen wir wieder grossen Wert auf nachhaltige Lernprozesse und haben zu diesem Zweck Learning-Labs geschaffen. In nur 45 Minuten kann eine digitale Kompetenz erworben werden. Während der Digitaltage bieten wir über 100 Learning-Labs, sowohl online wie auch physisch. Wir laden die Bevölkerung auch zum Dialog bei einem oder mehreren «tell» ein. Zur Auswahl stehen über 30 «tells».

Welchen Einfluss hat dies auf das Programm?
Das Programm ist jetzt durch die Erweiterung um die Onlinewelt noch internationaler, da wir Spitzenredner aus dem In- und Ausland unabhängig vom Standort besser integrieren können. Auch dank der Zusammenarbeit mit unserem internationalen Partner Swissnex-Netzwerk geht das Dialogformat «tell» um die ganze Welt. Teilnehmende und Expertinnen und Experten im Ausland können in Boston, Brasilien, Indien, San Francisco, Seoul, Schanghai und Tokio an Diskussionsrunden teilnehmen. Die digitale Komponente macht das Programm noch vielfältiger. Das Setting hat auch einen positiven Einfluss auf die aktive Rolle der Bevölkerung. Sie kann sich nun sehr zeitnah online an Gesprächen beteiligen und ihre Stimme zu Fragen abgeben, die dann durch die Moderation laufend integriert werden. Auch die Zahl der kostenlosen Aktivitäten hat merklich zugenommen. Als weiterer Pluspunkt steht ein Grossteil der Inhalte auch nach den Digitaltagen zur Verfügung, und die Fernsehbeiträge können während der drei Tage gemäss individuellem Terminkalender beliebig wiederholt werden. Wie bei Netflix kann nichts versäumt werden.

«Auch die Kinder haben eine Stimme»

Was sind die Programmhöhepunkte in diesem Jahr?
Unter den vielen Highlights nehmen vier Elemente eine besondere Stellung für mich ein. Während der Digitaltage steht der erste Versuch an, das höchste Drohnenrennen der Welt in St. Moritz auf dem 2500 Meter über dem Meer gelegenen Corviglia durchzuführen. Dabei werden zehn Top-Piloten, darunter sieben Schweizer, am Rennen mitwirken. Ein weiteres Highlight ist, dass wir – wie erwähnt – dem Publikum mehr als 100 kostenlose Learning-Labs anbieten können. Digitale Fähigkeiten sind für die Teilnahme an der digitalen Welt von heute und morgen unerlässlich. Mit Innosuisse und Startup Invest schicken wir ausserdem 15 Start-ups mit einer nachhaltigen digitalen Lösung in den Ring und küren dann den Gewinner live auf Digital Days TV. Auch die Kinder haben eine Stimme und leisten während der drei Tage einen wichtigen Beitrag. Schülerinnen und Schüler der dritten bis neunten Klassen aus der ganzen Schweiz drehen Videos darüber, wie sie sich die digitale Zukunft vorstellen. Die Gewinnerinnen und Gewinner des Videowettbewerbs treten live im Studio auf.

Kann jeder am Digitaltag teilnehmen? Und gibt es einen Schwerpunkt?
Jeder kann an den Digitaltagen teilnehmen. Die verschiedenen Programmpunkte richten sich an unterschiedliche Interessen, Altersgruppen und Kenntnisstände. Es ist für jeden etwas dabei. Alle der über 400 Aktivitäten sind daher kostenlos. Im Mittelpunkt des Grossanlasses steht die Frage, was sich die Bürgerinnen und Bürger von der digitalen Zukunft wünschen. Auf digitaltage.swiss kann das Publikum diese Frage mit einem Video oder durch die Eingabe eines Begriffs, der zu einer Wortwolke führt, beantworten. Diese Wortwolke wird bei der Eröffnung von einem Zukunftsforscher interpretiert und analysiert.

In den vergangenen Jahren haben immer mehrere Bundesräte und auch Manager an Ihrer Veranstaltung teilgenommen. Wie ist es in diesem Jahr? Gibt es überhaupt noch physische Kontakte?
Ja, das ist immer noch der Fall und zeigt auch die Tragweite dieses Themas. Die Digitalisierung ist angekommen – jetzt geht es darum, wie wir auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben können und dennoch die Herausforderungen und Risiken, aber auch die Chancen berücksichtigen. Wir freuen uns darauf, Wissenschaftler, Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, die Bundesräte Guy Parmelin und Ignazio Cassis, internationale Persönlichkeiten wie Marcus Wallenberg aus Schweden und die serbische Premierministerin zu begrüssen. Das alles jedoch online oder im Studio. Viele der Veranstaltungen werden online durchgeführt, auch kleine physische Veranstaltungen, die natürlich den kantonalen Corona-Anforderungen entsprechen.

«In Zukunft werden wir ein hybrides Leben führen»

Überall ist die Rede, dass Corona die Digitalisierung beschleunigt. Sehen Sie dies auch so?
Auf jeden Fall. Fast jeder musste den Umgang mit Videokonferenzen lernen, und viele mussten auch zugeben, dass man nicht immer in ein Flugzeug zu steigen braucht, um an einem Meeting teilnehmen zu können. Sie haben zu schätzen gelernt, dass viele Dinge auch online erledigt werden können und dass es nicht viel Zeit in Anspruch nimmt. Jedenfalls ist die Sensibilisierung dafür stärker als vor Covid. In Zukunft werden wir ein hybrides Leben führen. Einige Dinge werden wir online und einige Dinge physisch machen. Meiner Meinung nach ist eine gute Mischung beider Welten genau das Richtige.

Welcher Trend oder welche Innovation hat Sie in diesem speziellen Jahr am meisten beeindruckt?
Ich empfand es als sehr erfreulich, als in der ersten Phase von Corona viele Menschen mit innovativen Lösungen für Menschen in Not aufwarteten. Wir waren Mitbegründer von Versus Virus und haben die Tatkraft, etwas Gutes zu bewirken, als sehr beeindruckend erlebt. Ausnahmesituationen zeigen immer wieder, dass man jenseits der Komfortzone dazulernt und nicht, wenn es bequem ist.

Gemäss dem IMD World Digital Competitiveness Ranking ist die Schweiz im internationalen Vergleich aus der Top Five der Länder mit der besten digitalen Wettbewerbsfähigkeit gefallen. Woran liegt dies?
Das Ranking basiert auf verschiedenen Kriterien. Es ist alarmierend, dass die Schweiz in der Kategorie «Wissen» zurückgefallen ist. Und dies, weil die Zahl der Forscherinnen nicht mit den anderen Ländern konkurrieren konnte. Noch weiter im Rückstand sind wir bei den Firmengründungen und bei der Förderung von Start-ups. Wir haben also noch viel Arbeit vor uns, und trotz einer erfreulichen Top-Ten-Platzierung können wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen.

Wie schätzen Sie die Innovationskraft der Schweizer Unternehmen ein?
Gemäss dem Global Innovation Index (GII) 2020 nimmt die Schweiz von 131 Ländern weltweit eine Führungsposition ein. Die Schweiz bleibt zum zehnten Mal in Folge weltweit an der Spitze in Sachen Innovation. Als beständiger Produzent von qualitativ hochwertigen Innovationen verbesserten wir uns bei Patentanmeldungen und Venture-Capital-Geschäften. Wenn es jedoch um Technologie und digitale Innovation geht, müssen wir uns realistischerweise im Vergleich zu Innovationsökosystemen wie Shenzhen, Israel, Silicon Valley oder London erst noch behaupten.

Welche digitale Errungenschaft hat Sie in diesem Jahr am meisten beeindruckt?
Der Tesla Battery Day: Die neuen Batterien sind selbst hergestellt, was die Kosten senkt und den Kaufpreis von Tesla-Elektroautos näher an den von Benzinautos bringt. Die Batterien werden so hergestellt, dass sie recycelbar sind. Eine tolle Sache.



Das Interview mit Diana Engetschwiler erscheint auch in der aktuellen November-Ausgabe von persönlich.



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