15.05.2020

Digital Economic Forum

Erfolgreich virtuell durchgeführt

Indema-CEO Thomas Zwahlen und sein Team stellten trotz Krise einen alternativen Anlass auf die Beine.
Digital Economic Forum: Erfolgreich virtuell durchgeführt
Moderiert von Stephan Klapproth fand am 12. Mai 2020 das DEF@home, zu dem sich rund 1000 Interessierte angemeldet hatten, zuhause statt.

Prägende Inputs, Präsentation innovativer Lösungen und Anregungen, interessante Varianten für den digitalen Alltag in Unternehmen und Gesellschaft zu prüfen. Dies versprach DEF-Gastgeber Thomas Zwahlen, CEO der Indema AG, Zürich. Der virtuelle Anlass wurde diesen Anforderungen vollauf gerecht, wie es in einer Mitteilung heisst.

Auf die innere Zukunft kommt es an

«Wir sind für die Zukunftsvisionen verantwortlich – niemand sonst», brachte es Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher, auf den Punkt. Nach etlichen Krisen sei die aktuelle allerdings eine echte Tiefenkrise. Während im Vergleich dazu die Finanzkrise relativ schnell wieder in Vergessenheit geriet, beinhalte die Corona-Krise eine ganz andere Prägung. Institutionen und Politik seien viel weitgehender davon betroffen als das früher der Fall gewesen sei. «Die Menschen ändern sich zudem, wenn sie besonders intensive Erfahrungen gesammelt haben; neue Strukturen erscheinen im Gehirn. Wenn ausserdem massive Ängste bestehen, türmen sich mögliche Zukunftsprobleme zu einem riesigen Berg auf.»

Entscheidend sei aber nicht diese äussere Zukunft, sondern die innere, «das was wir selber daraus machen. Genau das dürfte unsere Alltagsstrukturen deutlich verändern. Nur wir selber gestalten unsere Zukunft.»

Mehr Digitales oder doch eher Persönliches?

Die aktuelle Krise ist durch einen vermehrten Digital-Einsatz geprägt. Ist das auch die Zukunft oder sehnen sich die Menschen nicht eher wieder nach mehr persönlichen Beziehungen? – Horx analysierte einen Trend in der Digitalisierung, der mit Illusionen, alles sei machbar und erklärbar, aufräume. Als Gegentrend sieht er den Aufbau einer humanisierten technologischen Kompetenz und eine teilweise Rückbesinnung auf analoge und ehemals alltägliche Dinge wie Bücher lesen oder Filme geniessen. Die Synthese aus beiden Welten – digital und analog – könnte in einer Harmonie zwischen digitalen und analogen, stark persönlichkeitsorientierten Elementen bestehen, fein sortiert und verträglich. Es gehe dabei auch ums Neuorganisieren unserer Zukunft angesichts potenzieller weiterer Bedrohungen, die nicht ausbleiben dürfen. Die persönliche Note könnte dabei erfreulicherweise wachsen und insbesondere über «völlig unnötige und immer noch weit verbreitete Shitstorms» triumphieren.

In die Zukunft verliebt sein

Kritisch zu hinterfragen gelte es auch die Rolle von Experten. Vertrauen in die Wissenschaft sei wohl a priori nichts Schlechtes, aber ebenso wichtig sei es, viele persönliche und eigene soziale Erfahrungen zu sammeln und aufgrund derer gestärkt aus der Krise hervor zu gehen. Als höchst interessantes Phänomen erwähnte Horx, dass es in Ländern, die von Frauen regiert werden (zum Beispiel Dänemark oder Neuseeland) wesentlich weniger Corona-Probleme gegeben hat als anderswo: «Hier waren offenbar Empathie und Kommunikation sehr gut ausgeprägt.»

Ein Lob galt schliesslich auch der lokalen Verwurzelung, die Entscheidendes zum Wohlfühlen und zur Sicherheit beitrage. Der Schweiz mit ihrem föderalistischen System erteilte der Zukunftsforscher dabei eine ausgezeichnete Note. «Das hilft, sich von der Krise berühren zu lassen. So fällt es leichter, sich deutlich verändernde Wertschöpfungsprozesse anzuerkennen. Überbeschleunigte Märkte wie billiges Fliegen werden künftig anders aussehen. Wir müssen jetzt die Fragen beantworten, die eigentlich schon früher im Raume standen, für die wir uns aber nie die nötige Zeit genommen haben.» – Als Fazit bleibt Optimistisches: «Stellen wir uns auf grosse Veränderungen ein. Es ist wichtig, in die Zukunft verliebt zu sein.»

Gegensätze wurden Realität

Spannend waren die pointierten Statements ehemaliger DEF-Referentinnen und -Referenten. Marianne Wildi, CEO der Hypothekarbank Lenzburg, schilderte die vielen Gegensätze, die plötzlich Realität geworden seien: «Digital sind wir enorm gefordert, digital kann aber auch entschleunigen. Wir können Zeit gewinnen und beginnen plötzlich, wieder Briefe zu schreiben. Mir sind als deutliche Aspekte die folgenden geblieben: häufige Webinare, mehr Zuhören, Empathie aufbauen, häufiger reflektieren, Gemeinschaft anders erleben und Beziehungen persönlicher auf eine neue Weise pflegen.»

Für Start-up-Förderer Ariel Lüdi ist es erschreckend, wie sich ehemals normale Dinge einfach auflösen. Andererseits werde auf einmal auch scheinbar Unmögliches möglich. «Ausschlaggebend ist in einer solchen Situation schnelles Entscheiden statt elend langes Analysieren, nachbessern kann man immer.» Als interessant hat Lüdi es erlebt, wie unterschiedlich sich die Corona-Krise in den 23 IT-Firmen ausgewirkt hat, in die er investiert hat: «Alles ist generell kurzfristiger geworden. Je nachdem, für welche Branchen die Informationstechniker tätig sind, fiel die Entwicklung höchst unterschiedlich aus. Bei auf Flugunternehmen fokussierten Betrieben gingen die Aufträge enorm zurück, während bei Tracing-Produkten oder Kommunikations-Tools fürs Gesundheitswesen deutlich mehr Nachfrage entstand.»

Die Krise ist ein Digital-Beschleuniger

Roland Brack, Gründer und Inhaber des Online-Händlers brack.ch, erkennt ebenfalls einen starken Wandel: «Früher galt der gemeinsame Erfolg als Hauptmotivator, heute ist es der Wille zu helfen und für genügend Masken und Desinfektionsmittel zu sorgen.» Er sieht den Digital-Hype erst so richtig anrollen: «Das wird sich noch weit mehr ausweiten, allerdings sehr selektiv und darauf ausgerichtet, effizienter zu werden. Die Krise ist ein Digital-Beschleuniger.»

Jan-Egbert Sturm, Direktor KOF-ETHZ, staunt über die «erstaunlich rasche Umstellung der Schweizer Wirtschaft». Prognosen über die Zukunft würden sich allerdings deutlich erschweren, weil zur Zeit viele kurzfristige Indikatoren aufs Geschehen einwirken. Klar sei allerdings, dass es eine Krise sei, wie wir sie noch nie derart massiv erlebt hätten. Der Experte rechnet daher mit einem Wertschöpfungsverlust von 30-35 Milliarden Franken innert der nächsten sechs Monate. Eine Erholung dürfte auf sich warten lassen, weil für eine sehr offene Volkswirtschaft wie die Schweiz die ungenügende Auslandsnachfrage belastend wirke: «Wir müssen uns wohl auf eine 90-Prozent-Wirtschaft einstellen, und das bis auf Weiteres.»

Mit Digitalisierung Krisen bessern meistern

Eine rege Diskussion rundete das virtuelle DEF 2020 ab. Hugo Sax, Leiter Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich, ergänzt die Aussage des KOF-Direktors: «Wir müssen uns damit abfinden, dass Krisen dieser Art keine Ausnahmen bleiben werden.» Die vermehrte Digitalisierung könne viel dazu beitragen, derartige Ausnahmesituationen besser zu meistern. Es gehe darum – hier wurde er wacker unterstützt von Klaus Höffgen, Chief Digital Officer, Rheinland Klinikum Neuss –, dass die Interoperabilität ausgebaut werde und das eigentlich reichlich vorhandene Datenmaterial über Spitalpatienten besser genutzt werden könne. Klaus Höffgen: «Hier stehen wir vor einem Dilemma. Wir müssen Standardisierungen wie HL7 weiter vorantreiben, Schnittstellen bereinigen und Medienbrüche eliminieren. Da steht uns noch ein langer Weg bevor, Weiterentwicklungen gilt es kräftig zu beschleunigen.»

Einen wichtigen Beitrag im Bereich der technischen Produkteentwicklung leistet die EMPA. Deren Direktor, Gian-Luca Bona, Ordinarius an der ETHZ und EPFL, wies auf die bedeutende internationale Zusammenarbeit auf Forschungsebene hin: «Wir versuchen, mit unseren Partnern immer einen Schritt voraus zu sein, um wichtige Erkenntnisse an die Industrie zu vermitteln.»

Sozialpolitisches Vakuum verhindern

Neben aller Digitalisierung und technischer Weiterentwicklung mahnte der Luzerner Ständerat Damian Müller zur Wahrnehmung der Verantwortung durch das Parlament: «Es ist entscheidend, dass wir hier handlungsfähig bleiben. Ein sozialpolitisches Vakuum aufgrund zu langer Restriktionen ist zu vermeiden. Es ist ausserdem angezeigt, mit der Digitalisierung auf breiter Ebene voranzukommen. Das elektronische Patientendossier muss jetzt zügig gefördert werden. Es sollte auch bei den freipraktizierenden Ärzten zur Regel werden. Es gibt heute keinen Grund mehr für Entschuldigungen, Digitalisierungsprojekte nicht zu fördern. Die aktuelle Krise hat uns deutlich gezeigt, was alles möglich ist, und das erst noch sehr schnell.»

DEF 2021: wieder physisch

Nach dem virtuellen DEF 2020 wird der nächstjährige Event wieder physisch über die Bühne gehen: Das ganztägige DEF21 mit Richard David Precht und weiteren Expertinnen und Experten findet am 15. April 2021 statt.

Das DEF verknüpft als Wissensplattform die Forschung und Entwicklung mit der Praxis und Politik. Ein Schwerpunkt bildet dabei das Thema Künstliche Intelligenz. Hier will das DEF als jährliche Konferenz wesentliche Impulse setzen.

Schaffen wir durch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz die menschliche Arbeit ab? Oder führen Digitalisierung und Automatisierung dazu, dass wir unsere Zeit für höherwertige oder sinnstiftende Tätigkeiten einsetzen können? Welche gesellschaftlichen Veränderungen sind damit verbunden? Wie können wir die Zukunft beeinflussen?

Weitere Informationen: www.digitaleconomicforum.ch (pd/red)



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