21.02.2023

Künstliche Intelligenz

KI ist bei Digitalagenturen Teil des Teams

ChatGPT oder Midjourney sind in aller Munde. Digitalagenturen setzen in ihrer täglichen Arbeit noch weitere Tools ein. Doch wie wird die KI ihre Arbeit verändern? Im zweiten Teil hat persoenlich.com bei Dreifive, Ginetta, Liip, Unic und Webrepublic nachgefragt.
von Christian Beck

Wie werden ChatGPT oder Midjourney die Kreativbranche verändern? Und welche Programme setzen die Agenturen bereits ein? persoenlich.com hat im ersten Teil bei Wirz, TBWA\Zürich, Farner, Heimat, Sir Mary, Notch und der internen Kreativabteilung von Galaxus nachgefragt. Heute folgt der zweite Teil der Umfrage, diesmal mit Fokus auf Digitalagenturen.


Tobias Zehnder

Partner und Mitgründer von Webrepublic

«Um die Effizienz und Qualität für unsere Kundenarbeit zu steigern, gehört die umsichtige Nutzung von Technologie seit Tag eins zu Webrepublic. Wir setzen Scripts und Custom-Algorithmen für Bidding ein, entwickeln eigene Tools, die mit APIs interagieren, und arbeiten mit Dynamic Set-ups für die Produktion und Auslieferung von Werbemitteln und so weiter.

Die aktuelle ‹AI-Welle›, ausgelöst durch Tools wie ChatGPT und Dall-E, ist die Zuspitzung schon länger vorhandener Technologien. Wir nutzen diese Tools als Sparringspartner in der Strategie, Co-Pilotinnen in der Kreation und Turbo-Booster für SEO und Content Marketing. In der gesamten Entwicklung von Automatisierung mit AI an der Spitze beobachten wir einen qualitativen, sehr spannenden Sprung: von automatisieren und kombinieren zu transformieren und kreieren. AI ist dabei aber nie Selbstzweck, sondern Konterpart unserer Expertinnen und Experten.

All das bedeutet aber eben auch: Nur wer die Digitalisierungsaufgaben gemacht und eine solide Datenstrategie hat, kann jetzt die ‹AI-Früchte› ernten, Stichwort CRM, Ad Server et cetera. Genau dafür sind wir ein Transformationspartner.»


Markus Goldmann 

Head of Data Optimization bei Dreifive

«Als fortschrittliche Digitalagentur setzen wir bei Dreifive natürlich heute bereits auf vielfältige Weise künstliche Intelligenz ein. Das prominenteste Beispiel im Advertising ist hierbei die personalisierte Werbung: Mithilfe von Machine-Learning-Techniken werden seit Langem schon User-Profile analysiert, um personalisierte Anzeigen zu erstellen, die auf die Interessen und Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind. Noch bedienen wir uns dabei einer Kombination von unterschiedlichen kurierten und vordefinierten Bild-Assets und lassen die KI entscheiden, welche Logo/Slogan/Bild-Kombination am besten zu der Landingpage und dem User passen. Schauen wir und das andere prominente OpenAI-Produkt Dall-E an, so können wir auch hier bereits erste Anzeichen dafür sehen, wie sich eine dynamische KI-gesteuerte Creative Entwicklung in Zukunft entwickeln könnte.

Die mächtigsten Beispiele finden wir aber im Bereich der Predictive Analytics. Durch die Analyse von Daten mithilfe von KI können Agenturen Vorhersagen darüber treffen, wie sich Kampagnen in der Zukunft entwickeln werden. Diese Vorhersagen können verwendet werden, um zum Beispiel Budgetshifts zu rechtfertigen und das Maximum an Umsatz für einen Kunden herauszuholen. Auch die direkte Analyse von grossen Mengen Rohdaten im Marketing ist ohne Hilfe von Machine-Learning-Techniken heute nicht mehr zu stemmen. Gerade im Bereich der Anomalie- und Trenderkennung sind wir als Agentur mittlerweile auf deren Einsatz angewiesen.

Allein schon, wenn wir unsere Arbeit im Search Engine Advertising – wie zum Beispiel Google Ads – anschauen, ist KI mittlerweile allgegenwärtig geworden und auch nicht mehr wegzudenken. Vom Bid-Management über KI-unterstützte Kampagnentypen bis hin zum Hochrechnen von Conversions aufgrund blockierter Events: Künstliche Intelligenz findet für unsere Mitarbeiter schon fast unbewusst statt, so integral ist KI bereits heute im Einsatz. Wir sehen also wenig Gefahr und mehr Stärke in diesen Systemen. Sie werden auf lange Sicht noch eine Bereicherung bei unserer Arbeit sein, denn sie können heute bereits Limitationen, denen wir ebenfalls ausgesetzt werden – zum Beispiel das Ende des Third Party Cookies – weitgehend ausgleichen.

Man kann die Wichtigkeit und Relevanz von KI für uns als Agentur auf zwei Punkte zusammenfassen: Zum einen wird gewährleistet, dass wir weiterhin und auch zukünftig unseren Kunden einen wirksamen Marketingmix zusammenstellen können – und zum anderen, dass wir noch lange nicht am Ende sind mit unserem Latein, wenn es um die Optimierung des Werbeauftritts geht.»


Ilona Dürler

Managing Partner bei Ginetta

«Als Digitalagentur sind wir ständig daran, neue Tools zu evaluieren. Die Geschwindigkeit, wie sich der ganze Markt für KI entwickelt, ist enorm: Fast täglich erscheinen neue KI-basierte Softwarelösungen. Einige Tools unterstützen uns heute schon bei der Produktivitätssteigerung in den Bereichen UX Design, UX Writing und bei administrativen Tätigkeiten. Zurzeit explorieren wir den Einsatz von Tools wie ChatGPT, Midjourney, Compose AI, Merlin und Fireflies AI, um nur einige davon zu nennen. Bei einem Virtual-Reality-Produkt haben wir zum Beispiel kürzlich mithilfe von Midjourney-generierten Bildern das Erlebnis zum Leben erwecken können. Auch in der Produktentwicklung hilft uns also eine KI zur Exploration und Effizienzsteigerung.

Künstliche Intelligenz beeinflusst die Art und Weise, wie wir digitale Produkte kreieren und unsere Prozesse gestalten. Wir sehen, dass wir bei gewissen Aufgabenbereichen mithilfe von KI effizienter und schneller sind. Dabei verschiebt sich das Ganze vom Ausführen hin zum Managen. Um uns proaktiv mit den neuesten Entwicklungen auseinanderzusetzen, haben wir interne Initiativen, die sich aktiv mit Themen wie beispielsweise Ethik im Kontext von KI beschäftigen.

Wir stehen erst am Anfang dieser spannenden Reise. Als Digitalagentur sehen wir uns aber ganz klar als Early Adopter. So arbeiten wir zurzeit nicht nur an Produkten, die mithilfe von KI entwickelt werden, sondern auch an Produkten, die KI-Features beinhalten. Ziel ist es, uns ein fundiertes Know-how über KI anzueignen, um die Technologie auch unseren Kunden zur Verfügung zu stellen und ihnen damit zu helfen, KI für ihr Business zu nutzen und in ihre Prozesse zu integrieren. Die allgemeine Stossrichtung ist aber klar: Die tägliche Zusammenarbeit zwischen KI und Menschen wird in Zukunft ein Erfolgsfaktor sein.»


Philippe Surber

Partner bei Unic

«Als Digitalagentur beschäftigen uns künstliche Intelligenzen schon seit einigen Jahren. Im Conversational User Interface SIA der CSS-Krankenversicherung zum Beispiel wird das eingesetzte Natural Language Framework Dialogflow laufend weitertrainiert. Und für Schweiz Tourismus haben wir ein KI-basiertes Bildmanagement entwickelt. Wir haben aber auch unsere letztjährige Weihnachtskampagne nicht von Elfen, sondern von Midjourney gestalten und mittels Dialogflow texten lassen. So entstanden sehr persönliche Weihnachtskarten, die unseren Kunden grossen Spass bereitet hatten. In einem aktuellen Vorhaben für ein neuartiges, auf Natural Language Processing basierendes Planungstool arbeiten wir zudem mit der ETH zusammen.

Künstliche Intelligenz verändert die Art und Weise, wie unsere Kundinnen und Kunden mit ihren Kunden interagieren, fundamental. Dank Algorithmen kann deren Verhalten anhand unzähliger Datenpunkte automatisiert verstanden werden; es können Korrelationen identifiziert und entsprechende Aktionen ausgelöst werden. Aber auch die Arbeit in der Agentur verändert sich: Von der Konzeption bis zur Umsetzung bringen verschiedene Disziplinen ihre Erfahrungen und ihr Wissen ein. Denn der Einsatz von KI-Technologien allein macht Technologien nicht intelligent. Design, Text, Sprache und die digitale Ethik begleiten die technologischen Innovationen eng. Wir können nicht einfach eine Maschine Daten sammeln, analysieren und daraus Aktionen ableiten lassen. Bei Unic arbeiten deshalb eine Projektgruppe und eine Community of Practice an Innovationsprojekten, welche unser Portfolio, unsere Projekte oder schlicht unsere eigene Arbeit – etwa im Marketing oder bei der SEO – effizienter machen sollen.»


Stefan Huber

Software Developer bei Liip

«Seit einiger Zeit ist ein Trend weg von Expertensystemen – etwa datenbankgestützte Assistenten wie Chatbots – hin zu genereller und breiter künstlicher Intelligenz zu beobachten. Neuere Systeme ermöglichen es nun, vielfältige Aufgaben zu lösen. Mit gezieltem Prompt Engineering modellieren wir eine kontextsensitive Anfrage an eine generelle KI, um ein Modell anzuleiten, das nützliche Dinge für uns oder unsere Kunden tut. Dies umfasst unter anderem Bildgenerierung, Textzusammenfassung, Ideenfindung oder Spracherzeugung.

Nebst etablierten Analytics und Sprachtools, wie etwa von Meta, Google und DeepL, nutzen wir die OpenAI-Sprachmodelle wie GPT-3 für Texte, die basierend auf Kundendaten mit ‹Few-Shot Learning› noch individualisiert werden können. Zur Exploration und Ideenfindung werden Bilder mit Stable Diffusion, Midjourney oder Dall-E-2 erzeugt, und die UX-Guild macht erste Versuche mit generierten Layouts von Galileo AI. Für Audioerzeugung haben wir gute Erfahrung mit den Azure Services (Microsoft) gemacht, und mit Whisper (OpenAI) verarbeiten wir Audio zu Text.

Als Softwareentwickler habe ich früher eine Teilaufgabe, ein Projekt oder eine Idee mit dem ersten Schritt begonnen. Man hat also zuerst das ‹Fundament› erstellt und darauf aufgebaut. Seit etwa zwei Jahren gibt es jedoch verschiedene KI-Services und -Modelle, die uns helfen, diesen ersten Schritt schneller zu gehen. Die KI hilft also, ein schnelles Fundament zu legen, während sich die Programmiererin oder der Programmierer stärker auf die anspruchsvollere Architektur konzentrieren kann.

Im Alltag mit der KI muss ich nun abwägen, ob es mehr Aufwand ist, das Problem selber zu lösen oder der KI zu erklären, wo das Problem liegt und dann allenfalls die gelieferte Lösung nachzubessern. Dieser ‹Overhead› von Arbeitsübergabe kennen wir auch aus der klassischen Arbeitsteilung. In der Zukunft werden somit die Integration und das Verständnis des Kontexts entscheidend sein. Ich kann mir somit gut vorstellen, dass die KI sich näher an den Arbeitsalltag und an die Firmenprozesse anlagert. Insbesondere im Austausch zwischen Kunden und Dienstleister wird es Chancen geben, untereinander lernende Systeme aufzubauen. So können Menschen von mühsamen und rein ausführenden Aufgaben befreit werden und Zeit gewinnen, um die Ergebnisse der KI zu kuratieren und kreative Prozesse für Kunden zu begleiten.»



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