08.08.2012

"Mehr Transparenz ist kaum möglich"

Im letzten November nahm der schwedische Musik-Streaming-Service Spotify seinen Dienst in der Schweiz auf. Ein gutes halbes Jahr später hat persoenlich.com nachgefragt: Hat sich das Tool hierzulande als neue Art des Musikkonsums etabliert? Stefan Zilch, Country Manager für die Schweiz, Österreich und Deutschland, behauptet, seinem Unternehmen sei der Einstieg in den Schweizer Markt geglückt. Mit konkreten Zahlen belegt er dies nicht. Zum Interview:
"Mehr Transparenz ist kaum möglich"

Herr Zilch, Mitte November letzten Jahres hat der Streamingdienst Spotify seinen Dienst in der Schweiz aufgenommen. Weiss das die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer schon?

Stefan Zilch: Spotify legte in der Schweiz einen guten Start hin und erreichte in nur wenigen Monaten eine breite Bekanntheit. Die steigenden Nutzerzahlen zeigen deutlich, dass weiterhin viele Schweizer Spotify für sich entdecken. Im Monat erhalten wir rund 20 Prozent neue Anmeldungen.

Können Sie hier etwas konkreter werden? Sind es mehr als 10'000, mehr als 100'000, mehr als 200'000 User?

Tut mir leid, zu dieser Frage geben wir keine Auskunft.

Was unternehmen Sie, um Spotify in der Schweiz zu bewerben?

Besonders wichtig ist für uns die Partnerschaft mit Facebook, da Musik eines der sozialsten Elemente im Leben ist. Über Facebook ist es einfach, neue Musik zu entdecken und mit Freunden zu tauschen. Wir setzen auf starke Kooperationen, mit deren Hilfe wir eine breite Masse erreichen und Synergien nutzen können. Im Juni haben wir mit Yahoo! ein globales Abkommen geschlossen, beispielsweise wird unser Spotify-Play-Button auf den Entertainment-Webseiten von Yahoo! integriert. Zudem kooperieren wir eng mit Coca-Cola: In Deutschland arbeiten wir bereits bei der aktuellen Sommer-Kampagne zusammen, weitere spannende Projekte folgen noch dieses Jahr. Wir sind stets bestrebt, unseren Musik-Service mit innovativen, gleichgesinnten und lokalen Partnern zu stärken. So konnten wir unter anderem das Zürcher Startup Fellody als exklusiven App-Partner für uns gewinnen.

Bedeutet dies: Spotify macht grundsätzlich keine klassische Werbung?

Ja, gegenwärtig planen wir keine klassischen Werbemassnahmen.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit Fellody aus?

Menschen, die auf die selben Musikstücke, Bands oder Alben stehen wie wir selbst, sind uns doch gleich viel sympathischer. Genau auf dieser Erkenntnis beruht Fellody, ein tolles Musik- und Kennenlern-Netzwerk, das von Robin Simon und Thomas Vatter entwickelt wurde. Die Zusammenarbeit besteht darin, dass man auf Spotify im App-Finder die Fellody-App auswählen, sich registrieren oder mit dem bestehenden Fellody-Login anmelden kann. Das Tolle an der App ist vor allem, dass man sofort sieht, wer die Top-Interpreten auf Fellody sind und direkt in die Musik reinhören kann, die Fellody-Nutzer bevorzugen. So kommt zur sozialen Komponente des Netzwerkes noch mehr Musik mit ins Spiel.

Spotify stellt sich gerne als fairer Partner der Musikschaffenden dar. Sind nun erste Zahlungen an Schweizer Labels und Verwertungsgesellschaften, und damit schlussendlich auch an die Künstler, erfolgt?

Legalität und Fairness sind für uns und die gesamte Musikbranche sehr wichtig, Wir zahlen seit unserem Launch regelmässig an Rechteinhaber und Verwertungsgesellschaften. Dies handhaben wir so in allen Ländern, in denen wir aktiv sind.

In welcher Höhe sind bislang Zahlungen an Schweizer Rechteinhaber und Verwertungsgesellschaften erfolgt?

Über Details zu unseren Verträgen geben wir in keinem Land Auskunft, denn alle Verträge sind immer individuelle, vertrauliche Vereinbarungen, die wir an die regionalen Gegebenheiten anpassen. Das ist viel Arbeit, denn weltweit haben wir Verträge mit über 300'000 Labels. Was ich Ihnen bestätigen kann, ist, dass über 60 Prozent unserer Einnahmen zurück in die Musikindustrie fliessen. Seit Oktober 2008 sind das weltweit über 200 Millionen Euro.

Mir wurde gesagt, die Auszahlungen würden halbjährlich erfolgen. Ganz grundsätzlich die Frage: Würde mehr Transparenz nicht für mehr Vertrauen sorgen? Ich stelle fest, dass der Grossteil der Musiker Spotify gegenüber sehr negativ eingestellt ist.

Unsere Auszahlungsmodalitäten an die Rechteinhaber sind von Land zu Land unterschiedlich. In den meisten Ländern finden die Zahlungen quartalsweise statt. Ausserdem erhält jede Plattenfirma, jedes Label und jede Verwertungsgesellschaft regelmässig detaillierte Übersichten von Spotify. Mehr Transparenz gegenüber unseren Vertragspartnern ist kaum möglich.

Kann sich ein Künstler sich dagegen weigern, dass seine Musik auf Spotify zu hören ist?

Diese Frage können wir nicht beantworten, da wir keine vertraglichen Beziehung zu Künstlern haben, sondern immer mit den Rechteinhabern der Künstler.

Ich sehe hin und wieder, dass sich Facebook-Freunde von mir bei Spotify anmelden. Aber von einem wirklichen Trend kann zumindest aus meiner kleinen, persönlichen Optik nicht gesprochen werden. Ist Spotify in der Schweiz gefloppt?

Nein, definitiv nicht. Die Nutzeranzahl ist überzeugend, wir wachsen gut und organisch. Seit unserem Launch wurden allein in der Schweiz über 1,8 Millionen Playlists angelegt. Wir liegen über unseren Erwartungen und sind mit den Entwicklungen sehr zufrieden.

Ganz generell: Wie beurteilen Sie die Marktlage in der Schweiz? Welche Rolle spielt Spotify?

Die Marktdaten der IFPI Schweiz zeigen uns, dass für Spotify ein enormes Wachstumspotenzial besteht: Während der Schweizer Musikmarkt zwischen 2008 und 2011 um circa 32 Prozent geschrumpft ist, sind die digitalen Umsätze im selben Zeitraum um circa 31 Prozent gestiegen. Insgesamt machen die digitalen Umsätze bereits 23 Prozent der Gesamtumsätze aus, in Schweden sind es nach IFPI bereits über 60 Prozent. Ein weiteres Indiz für starkes Wachstumspotenzial ist der mobile Musikgenuss. In der Schweiz gibt nach IFPI Schweiz über 4,3 Millionen Verträge für 3G – Tendenz steigend. Aus diesem Grund bieten wir für unsere Nutzer Spotify Apps für fast alle mobilen Plattformen an – ob iOS, Android, Windows Phone oder BlackBerry OS. Mit über 18 Millionen Songs, unseren Partnerschaften sowie mobilen Apps schaffen wir für die Schweizer ein wirklich gutes Musikangebot, das offensichtlich auch gefällt: Im Schnitt verbringen Nutzer der Schweiz um die 82 Minuten pro Tag auf Spotify – das ist wirklich beeindruckend.

Haben Sie neue Werbekunden in der Schweiz gewinnen können?

Ja, in der Schweiz arbeiten wir bereits mit Firmen wie Volkswagen, McDonald's, Electronic Arts und Universal Pictures zusammen, die eine tolle Musikstrategie verfolgen.

Der Kunde will möglichst störungsfrei Musik hören, der Werbekunde will möglichst effektiv werben. Wie finden Sie den Kompromiss?

Wir sind direkt am Ohr der Kunden und dies bietet den Werbern einen direkten Zugang zur Aufmerksamkeit. Mit unserem Mix aus Audio-Ads, Playlisten und Online-Werbung bieten wir neue Werbeformen gepaart mit umfassenden Targeting-Optionen. Die Werbung ist auf wenige Minuten pro Stunde beschränkt, zudem wird nur bei aktiver Nutzung des Desktop-Clients nutzerorientierte Display-Werbung gezeigt.

Ich selber habe Spotify drei Monate getestet. Nun nutze ich das Angebot nicht mehr. 12 Franken pro Monat waren mir zu viel. Vor allem, weil man derzeit nicht weiss, ob nicht morgen ein anderer Dienst oder eine andere Lösung um die Ecke kommt. Ich habe keine Lust mich längerfristig zu binden, und wahrscheinlich haben noch andere die gleiche Haltung. Wie gehen Sie bei Spotify damit um?

Die ersten acht Monate in der Schweiz zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ganz wichtig ist für uns, dass wir ein Angebot haben, das nicht nur legal, sondern auch kostenfrei ist. Spotify-Free gibt Musikfans die Möglichkeit, unseren Musik-Service kennen und lieben zu lernen. Mehr als 20 Prozent unserer Spotify-Free-Nutzer entscheiden sich für ein Abonnement.

Gilt dieser Wert auch für die Schweiz?

Ja.

Wieso soll ausgerechnet Spotify die Zukunft gehören?

Spotify hat heute über 10 Millionen aktive Nutzer – 3 Millionen Spotify Nutzer sind zahlende Abonnenten – und wir wachsen kontinuierlich weiter. Wenn wir in unseren Heimatmarkt Schweden blicken, dann sehen wir, wo die Reise hingehen könnte: Jeder dritte Schwede nutzt Spotify. Es gehört dort zum Alltag, einen Spotify-Account zu besitzen – gleich einem Fernseher, Kühlschrank oder Computer. Spotify ist die grösste Einnahmequelle der schwedischen Musikbranche. Die Branche sieht auch, dass wir einen zusätzlichen Markt öffnen: Die Hälfte unserer Nutzer ist unter 30 Jahre alt. Viele haben in ihrem Leben noch nie eine CD oder MP3 gekauft. Mit unserem Angebot wollen wir die Kunden aus der Piraterie holen – da gibt es weltweit noch sehr viel zu tun.

Sie sind im Musikgeschäft tätig. Haben Sie einen Musiktipp für den Sommer?

Einer meiner liebsten Titel ist "Sunburn Modern" von Baio. Das passt ja vom Titel her ganz gut zum Sommer.