16.03.2021

Interface-Design

Warum Social Media viel besser sein könnten

Alle reden über Daten. Soziale Plattformen sind aber auch anderweitig problematisch: im Design. Das Geheimnis ihres Erfolgs liegt zwar darin, gleichzeitig sind dessen Auswirkungen auf Menschen bedenklich. Die EU-Kommission will daher gegen «Dark Patterns» vorgehen.
Interface-Design: Warum Social Media viel besser sein könnten
Social Media muss nicht zwangsläufig gesundheitsschädigend sein. Wie bei allem, ist das Mass entscheidend. (Bild: pixabay/sik92)

Wie oft passiert es Ihnen, dass Sie auf Facebook, Instagram oder TikTok durch den Feed scrollen und plötzlich die Zeit vergessen haben? Obwohl Sie eigentlich ganz etwas anderes tun wollten? Damit sind Sie nicht allein. Denn besagte Plattformen sind genau dafür designt, die Aufmerksamkeit von Menschen so lange wie möglich auf sich zu ziehen: Die App TikTok beispielsweise deckt bei Gebrauch die Uhr des Smartphones ab. Dies ist natürlich kein Zufall, sondern von den Entwicklern so gewollt.

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Solche Manipulationen der Nutzer durch das Design von Benutzerschnittstellen werden «Dark Patterns» genannt, übersetzt etwa «dunkle Muster» oder «Strukturen». Sie sind äusserst umstritten und bewegen sich in einem gesetzlichen Graubereich. Ein weiteres Beispiel wäre die neuerdings auf Websites gängige Methode, das Akzeptieren von Cookies möglichst einfach, deren Ablehnung jedoch möglich mühselig zu machen: Beim Klick auf einen grünen Button sind alle Cookies akzeptiert, falls man dies nicht will, gilt es zeitaufwendig mehrere einzelne Haken abzuwählen.

Das Dilemma der sozialen Medien

Der Dokumentationsfilm von Netflix «The Social Dilemma» aus dem Jahr 2020 beleuchtet unter anderem diesen umstrittenen Punkt im Design von sozialen Plattformen. Der Film sorgte für Aufsehen, da ehemalige Pinterest- und Google-Mitarbeitende darin Interviews geben und sich besorgt zeigen darüber, «was sie geschaffen haben».


Denn gerade Jugendliche sind gefährdet, zu viel Zeit auf sozialen Medien zu verbringen. Dies führt dazu, dass sie weniger schlafen, sich weniger bewegen und dabei mehr Berührungspunkte mit Mobbing haben, wie Studien zeigen. Doch auch Erwachsene können neben den erwähnten Auswirkungen unter den sozialen Medien leiden: durch Ausgrenzung.

Bei den Entwicklern ansetzen

Über diese Problematik will Ethix aufklären, ein Thinktank für digitale Themen oder in eigenen Worten: «Lab für Innovationsethik». Ende Februar hat die Organisation eine Konferenz mit dem Namen «Ethics Matters» veranstaltet, in deren Rahmen sich 450 Designer aus der ganzen Welt virtuell trafen, um über verantwortungsvolles Design von Benutzeroberflächen zu debattieren.

Laut Lea Strohm, Lab-Managerin bei Ethix, wurden sie richtiggehend überrannt mit Anmeldungen. Offenbar hatten sie mit dem Thema einen Nerv getroffen. Wie bereits erwähnt, führe Design häufig dazu, dass Personengruppen ausgeschlossen werden: so beispielsweise Farbenblinde oder andere Personen mit Behinderungen, wie Strohm erklärt. «Dies könnte man mit ganz einfachen Mitteln umgehen: mehr Diversität bei Entwicklerinnen und Entwicklern sowie beim User-Testing.»

Angesprochen auf die «Dark Patterns» nennt sie ausgerechnet Netflix als schlechtes Beispiel: Obwohl sich die Streaming-Plattform durch das Zeigen der Doku «Social Dilemma» oder ihr Datenmanagement verantwortungsvoll positioniert, hat ihre Nutzeroberfläche problematische Auswirkungen: Binge-Watching, also das Schauen von übermässig vielen Folgen einer TV-Serie hintereinander, führt häufig dazu, dass Menschen mehr Zeit am Bildschirm verbringen, als sie sich ursprünglich vorgenommen hatten. Netflix nimmt einem oftmals die Entscheidung ab, nach dem Ende einer Folge noch eine weitere zu schauen: Die nächste Folge beginnt bereits nach wenigen Sekunden.

Datenschutz hat Tradition

Auf politischer Ebene tut sich etwas diesbezüglich. So hat die EU-Kommission im letzten Herbst unter anderem angekündigt, gegen «Dark Patterns» vorzugehen. Jedoch hat die Vergangenheit gezeigt, dass sich Politikerinnen und Politiker oftmals schwer tun mit Themen der Digitalisierung. Viel weiter ist man hingegen beim Datenschutz. Obwohl nicht minder problematisch, ist es hierbei einfacher, Gesetze zu verabschieden: Denn der Schutz von Privatsphäre ist nichts Neues. «Beim Design gibt es jedoch keine vergleichbare Rechtstradition aus dem ‹analogen› Bereich wie beim Datenschutz», sagt Strohm. Da sei es auch juristisch schwierig, anzusetzen: Wie soll man die Gestaltung von Apps und Programmen gesetzlich einschränken? Die Entwickler sind da der Politik immer einen Schritt voraus.

Deshalb hat sich Ethix auf die Fahnen geschrieben, über das Thema zu informieren und gleichzeitig die Entwickler aufzuklären, dass es auch alternative Wege gibt, Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine zu designen. Denn hierbei stehen alle beteiligten Player in der Verantwortung, wie Strohm abschliessend erklärt.


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