Herr Bringéus, was ist Spotify genau?
Alex Bringéus: Spotify ist ein Musikdienst für PC, Mac und für die meisten Smartphones, das einem das Verwalten und Abspielen von Musik ermöglicht. Ein revolutionärer Service, über den man Zugang zu über 15 Millionen Songs hat. Das reicht, damit man hundert Jahre ohne eine Wiederholung Musik hören kann.
Heute wurde der Dienst in der Schweiz lanciert. Wo ist der Sitz der Firma?
Noch haben wir weder Angestellte noch Büros in der Schweiz. Bald soll hier ein kleines Team von Vertriebskräften entstehen. Bei Spotify wird vieles von Stockholm und London gesteuert.
Und Sie sind der Geschäftsführer?
Nein, ich bin nur für den Launch zuständig. Gestern Österreich, heute Belgien und die Schweiz. Mittlerweile ist Spotify in 12 Märkten aktiv.

Der Schwede Axel Bringéus, 28, Director International Growth bei Spotify.
Die Firma gibt es erst seit 2008. Mittlerweile zählt Spotify über 400 Angestellte. Eine riesige Erfolgsgeschichte Aber haben Sie nicht Angst, dass die Firma genauso schnell wieder schrumpfen oder eingehen kann?
Nein, eigentlich nicht. Wir sind das Ganze immer noch am Aufbauen. Wichtige Länder wie Deutschland der drittgrösste Musikmarkt der Welt sind noch gar nicht dabei. Und die Rückmeldungen sind grossartig: Über zehn Millionen User weltweit, über zwei Millionen, die bereit sind dafür zu bezahlen. Aber es stimmt schon: Spotify wächst schnell, sehr schnell. Ich glaube sogar, wir sind die am Schnellsten wachsende Firma der schwedischen Wirtschaftsgeschichte.
Seit kurzem gibt es eine Anbindung über Facebook. Ist das der grosse Vorteil gegenüber der Konkurrenz?
Unser Gründer Daniel Ek hatte schon von Anfang an diese Vision: Musik ist eine soziales Element, Musik soll man teilen, Musik soll man verbreiten. Das habe ich schon früher so gemacht. Ich habe Mixtapes für meine Freunde aufgenommen und diese dann verschickt und verteilt. Genau dies ist mit der Anbindung über Facebook nun auch bei Spotify möglich. So bekommt man jetzt seine Musikempfehlungen über seine Freunde statt über einen Musikalgorithmus oder eine Maschine. Die Plattform hat mittlerweile ungefähr 800 Millionen Nutzer. Das ist soviel wie das ganze Internet vor drei Jahren. Seit wir mit Facebook zusammenarbeiten, haben wir laut Marc Zuckerberg und Facebook, vier Millionen zusätzliche Nutzer dazugewonnen.
Simfy, Deezer, etc.: Sie haben starke Konkurrenz. Wieso sollte ich mich für Spotify entscheiden?
Als Nutzer finde ich es erstmal sehr schön, dass es so eine grosse Auswahl gibt. Das gabs vor zehn Jahren noch nicht. Ich glaube wirklich, dass wir mit unserem sehr einfach aufgebauten Dienst sehr viele, die in den letzten Jahren nichts für Musik bezahlt haben, nun wieder zurückholen können. Wir schauen nicht in erster Linie auf die Konkurrenz, sondern versuchen unser Produkt zu verbessern. Wir haben eine Entwicklungsabteilung, die zum Beispiel ständig dafür bedacht ist, die Reaktionszeit unserer Streams und die Cache-Funktion weiter zu verbessern. Ausserdem betrachten wir unsere Social-Media-Anbindung als Killer-Feature. Schwerpunkte sind bei uns die soziale Komponente, die ganzheitliche Qualität und der Zugang über so viele Geräte wie möglich.
Was genau kostet mich Spotify?
Wir wollen Spotify jedem Nutzertyp zugänglich machen. Dafür haben wir drei Modelle entwickelt. Etwa für meine kleine Schwester, die noch zur Schule geht. Sie ist 18 Jahre alt, und hat nicht das Geld, um jeden Monat Musik zu kaufen. Für sie passt unser kostenloses Modell perfekt. Ich bin bald 30 Jahre alt, habe eine feste Anstellung und bin viel unterwegs. Ich kann mir die 12.95 Fr. pro Monat für unseren Premium Dienst locker leisten und nutze Spotify meist über mein Smartphone. Das geht übrigens auch im Offline-Modus. Der Dienst hat einen Cache von bis zu 3333 Songs.
Sie bezahlen als Mitarbeiter?
Ja. Bei Spotify gilt der Grundsatz: "Eat your own dogfood." Das heisst: Wenn wir selber nicht für Musik zahlen, wie sollen wir das dann unseren Kunden verklickern?
Und das dritte Angebot?
Das liegt dazwischen. Für Leute wie meine 78-jährige Grossmutter. Sie besitzt kein Smartphone und nutzt unseren Dienst nur zuhause. Sie bezahlt 6.95 Franken pro Monat für den Zugang.
Kostenlos klingt gut. Aber was nehme ich dafür als Benutzer in Kauf?
Alle 15 Minuten wird ein kurzer Audiowerbespot eingespielt. Wenn man im Programm aktiv ist, dann sieht man auch Display-Werbung. So zum Beispiel von Künstlern, die auf ihre Produkte aufmerksam machen. Weltweit haben wir mittlerweile mit 80 Prozent der 100 Topbrands Werbeverträge abgeschlossen. Die meisten Werber finden diese Plattform sowieso toll. Musik ist ja etwas sehr Emotionales.
Welche Marken konnten Sie in der Schweiz schon für eine Zusammenarbeit gewinnen?
Zum einen natürlich die hiesigen Plattenfirmen, zum anderen sind wir eine Kooperation mit dem Beschallungsunternehmen Bose eingegangen. Wir wollten den Dienst so schnell wie möglich lancieren hier. Alles Weitere werden wir nun in den nächsten Wochen und Monaten angehen. In vielen Ländern arbeiten wir eng mit den Telekommunikationsunternehmen zusammen. Das peilen wir hier auch an.
In der Schweiz gilt das Herunterladen von Musik so lange man die Dateien nur für eigene Zwecke gebraucht momentan nicht als strafbar. Wie kommt Spotify dagegen an?
Wir sind in Schweden in direkter Konkurrenz zur Piraterie ins Rennen gestiegen. Schweden ist ja sogar das Heimatland von Pirate Bay. Ich glaube, es gab kaum ein anderes Land mit so vielen illegalen Downloads, prozentual gesehen. 80 Prozent vom Traffic auf dem Netz waren Torrents. Sprich: Eine schwierige Situation. Aber das war ja auch die Herausforderung. Zwischen 2009 und jetzt sank die Piraterie um 25 Prozent. Jetzt vertraut fast jeder dritte Schwede auf Spotify. Die Herausforderung ist es etwas anzubieten, was viel besser ist als Piraterie. Falls man kein Problem damit hat zu stehlen, hat man über den Piratenweg sehr grossen Zugang zu Musik. Aber es ist ja auch relativ aufwändig. Wir garantieren eine hohe Qualität von 320kb, einfache Bedienung und gute Vernetzung.
Wie sieht das mit einem Dienst fürs Auto aus?
Momentan funktioniert das übers Smartphone. Wir sind aber sehr daran interessiert diese Möglichkeit weiter zu entwickeln. Wir haben z.B. mit Ford an einem "Hackathon" mitgemacht, um zu zeigen wie so eine Integration ausschauen könnte.
Spotify ist vor über dreieinhalb Jahren gestartet. Erst jetzt ist der Dienst auch in der Schweiz benutzbar. Sind die Plattenfirmen so schwierige Verhandlungspartner?
Mit den Plattenfirmen haben wir welt- oder zumindest europaweite Abkommen. Was man in jedem Land wieder aushandeln muss, sind die Deals mit den Urheberrechtsverwaltern. Diese Verhandlungen sind von Land zu Land verschieden schwierig.
Deutschland, der drittgrösste Musikmarkt der Welt, fehlt noch auf der Spotify-Landkarte.
Es ist kein Geheimnis, dass wir auch dort sehr, sehr gerne in den Markt einsteigen würden. Im Grunde wollen wir aber genau dasselbe wie unsere Verhandlungspartner: Dass Musikfans einen breiten, qualitativ hochstehenden Zugang zu ihrer Lieblingsmusik haben und die Urheber dieser Musik dafür entlöhnen. Es ist also immer nur eine Frage der Zeit. Bis jetzt haben wir über 100 Millionen Euro an die Plattenfirmen, Musikverlage und Urheberrechtsgesellschaften weitergegeben.
In der heutigen Pressemitteilung ist etwa der erfolgreiche Schweizer Künstler Bligg erwähnt. Vorhin hab ich mir kurz zwei Songs von ihm über Spotify angehört. Was kriegt er dafür?
Das geben wir nicht bekannt. Das Geld aus den Werbe-, Abo- und Download-Einnahmen fliesst in einen Pott. Von diesem Pott wird ein sehr hoher Prozentsatz an die Urheberrechtsgesellschaften und Plattenfirmen aufgeteilt. Wie viel der einzelne Künstler schlussendlich bekommt, ist sehr unterschiedlich und hängt von seinem Deal ab. Wir haben mit den Künstlern keine direkten Verträge.
Was schätzen Sie?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber das Interessante ist ja: Da wir ein Streaming-Dienst sind, verdient der Künstler mit jedem Aufruf, mit jedem Abspielen eines Songs. Bei einem Download-Dienst verdient der Künstler nur einmal.
Interview: Adrian Schräder
