«Die Mediennutzung passt sich den veränderten Lebensumständen an», bilanziert Peter Petermann, der als Head of Strategy bei Ingo die Studie Media Use Index verantwortet. «Einerseits führt die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit dazu, dass man bei Medienausgaben spart. Andererseits beobachten wir aber auch eine zunehmende Normalisierung des Medienverhaltens in der Post-Covid-Ära.»
Schon in der letzten Erhebung konnte festgestellt werden, dass das Ende der Pandemie Auswirkungen auf die Mediennutzung hatte. Und da sich menschliches Verhalten meist nur langsam ändert, kann auch in diesem Jahr eine leichte Abkehr von digitalen Formaten beobachtet werden. So verlieren beispielsweise fast alle Streamingplattformen an Nutzerinnen und Nutzern. Und auch die Nutzung von Onlinevideos geht deutlich zurück, heisst es in einer Mitteilung. Der erste grosse Trend in diesem Jahr sei also die «Normalisierung» des Medienverhaltens.
Eine Abkehr von der Übernutzung von digitalen Medien, die während der Pandemie ganz selbstverständlich war, zeigt sich auch beim Konsum von Onlinevideos. Dieses Format wird signifikant seltener genutzt als noch im Vorjahr und davor. Die grössten Verlierer sind hierbei Entertainment-Videos (minus 13 Prozent), Kurzvideos (minus 11 Prozent), Dokumentarfilme (minus 10 Prozent) und News (minus 11 Prozent). Einzig die Kategorie der Ultra-Kurz-Videos, die sogenannten «snackable Videos» von weniger als einer Minute Länge können zulegen (plus 11 Prozent). Die «TikTok-isierung» der Welt nimmt zwar deutlich zu, aber insgesamt verbringt man weniger Zeit am Smartphone-Screen, heisst es in der Mitteilung.
Dieser Trend zeigt sich auch beim Gaming. Waren Online-Gaming und E-Sports im letzten Jahr noch klar unter den Gewinnern, sinken in diesem Jahr die Nutzungszahlen. Es wird weniger gespielt (minus 13 Prozent) und auch weniger bei Gaming-Livestreams zugeschaut (minus 13 Prozent). Und auch fast alle anderen Gaming-Metriken gehen zurück. Daraus ergibt sich die Frage, ob dies lediglich eine «Normalisierung» nach der Pandemie und sich die Nutzung nun auf dem aktuellen Niveau einpendelt oder ob es sich um ein grundsätzlicheres Phänomen handelt.
Wirtschaftlich Unsicherheit macht sparsam
Nach der Pandemie ist mitten in der Krise – die diese Krise sorgt für Unsicherheit, nicht zuletzt auch wirtschaftlich. In der nun vorliegenden Studie zeigen sich Veränderungen, die klar auf die aktuelle Situation zurückgeführt werden können. Beispiel Streaming: im letzten Jahr lag die Nutzung von Streaming-Plattformen bei durchschnittlich zwei Anbietern; in diesem Jahr liegt sie nur noch bei durchschnittlich 1,5.
Gleichzeitig steigt die Nutzung von klassischem Kabelfernsehen von 19 Prozent auf 24 Prozent – also um signifikante 26 Prozent. Anders gesagt: Man bezahlt nicht mehr so oft für mehrere Streamingangebote und nutzt stattdessen ein Angebot, das in den meisten Haushalten ohnehin in der Miete enthalten ist. Der zweite Mega-Trend ist daher, dass die Schweizerinnen und Schweizer erstmals bei ihren Ausgaben für Medien und Kanäle sparen.
Auch das Interesse an Nachrichten und Politik sinkt massiv. News und Politik-Content wird auf Social Media seltener aufgerufen (minus 4 Prozent), Social wird seltener als Medium genannt, um auf dem Laufenden zu bleiben (minus 9 Prozent). Und der Konsum von TV- und Onlinenews ist um dramatische 11 Prozent gesunken. Stattdessen macht man es sich lieber auf dem Sofa gemütlich und schaut Entertainment-Videos (35 Prozent), Dokumentarfilme (36 Prozent), oder Erklärvideos (42 Prozent). Und das tut man immer häufiger auf dem iPad oder Tablet (plus 8 Prozent).
Klassisches, lineares Fernsehen ist zwar immer noch die Norm – immer noch mehr als Zweidrittel der Bevölkerung schaut TV im heimischen Wohnzimmer auf dem grossen Bildschirm. Aber dies betrifft vor allem die Älteren, während die jüngeren Segmente eher Streamingformate konsumieren. Lineares Fernsehen ist vor allem dann relevant, wenn es sich um das Live-Erlebnis dreht, wie zum Beispiel bei Sportereignissen oder Musikevents wie den ESC. Aber das nicht-lineare TV-Angebot ist natürlich vorhanden und wird auch genutzt, sei es On-Demand per Streaming-Anbieter (37 Prozent), als Aufzeichnung (35 Prozent) oder als Pay-per-View (9 Prozent).
KI ist in der Schweiz angekommen
Wie schon im letzten Jahr beinhaltet der Media Use Index auch in diesem Jahr einen Deep Dive zu einem Sonderthema. Aus aktuellem Anlasse geht es diesmal um das Thema «Künstliche Intelligenz» mit einem spezifischen Fokus auf die Schweiz, denn KI hat derzeit gerade Hochkonjunktur, wie die Studienautoren schreiben.
Bei der Auswertung der vorliegenden Daten zeigt sich, dass KI im Business beileibe keine Nischenthema mehr ist. Deutlich über 60 Prozent aller befragten Unternehmen hatten in 2023 bereits KI-Anwendungen im Einsatz – eine Verdopplung im Vergleich zu 2018. Und 62 Prozent glauben, dass der Einsatz von KI entscheidend sein wird für die Wettbewerbsfähigkeit von Firmen.
Bislang, so scheint es, wird KI vor allem im Marketing eingesetzt, vor allem, um die Effizienz von Standardtätigkeiten zu erhöhen. Und klar: Hierbei spielt generative KI eine zentrale Rolle. Texte, Bilder, Videos und Audio wird inzwischen fast schon standardmässig maschinell erstellt. Ein weiterer Bereich für generative KI, der bislang kaum wahrgenommen wurde, ist die Erstellung von Code: Die Maschinen schreiben ihre Programme selbst.
Zwar stehen die meisten Schweizerinnen und Schweizer generativer KI insgesamt klar positiv gegenüber – 46 Prozent der Bevölkerung empfindet Zuversicht oder sogar grosse Zuversicht hinsichtlich dieser Technologie. Und auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Computer arbeiten, sehen in generativer KI ein Tool, mit dem sie Zeit sparen und den Arbeitsaufwand reduzieren können. Aber je intensiver man sich mit dieser Technologie auseinandersetzt, desto grösser wird auch die Angst davor, dass die KI einen selber obsolet macht.
Der überwiegende Anteil der Beschäftigten (62 Prozent) hat das Gefühl, vom Arbeitgeber allein gelassen zu werden, was den Umgang mit KI angeht. Es gibt entweder gar keine Kommunikation zu diesem Thema oder keine Regeln, wie KI eingesetzt werden sollte.
In der privaten Nutzung von künstlicher Intelligenz fallen die Bedenken deutlich geringer aus. Im Gegenteil: Speziell ChatGPT wird immer populärer, wie man an den Download-Zahlen in den App-Stores sieht. Interessant ist dabei, dass ChatGPT nicht mehr nur für die Erstellung von Texten genutzt wird, zum Beispiel für Referate oder Hausarbeiten. Immer häufiger ergeben sich auch sehr kreative Anwendungen wie das maschinelle Erstellen von Reiseplänen oder als Suchmaschine.
«Künstliche Intelligenz ist aus dem Marketing und dem Agenturalltag nicht mehr wegzudenken», wird Giselle Vaugne, Co-CEO von Ingo, zitiert. «Künstliche Intelligenz ist der Schlüssel zu effizienteren Prozessen und neuen Innovationen. Mit verantwortungsvollem Einsatz gestalten wir eine nachhaltige und fortschrittliche Zukunft.»
Die Ergebnisse des jährlichen Media Use Index geben Einblicke, wie die Menschen in der Schweiz Medien nutzen und welche Rolle verschiedene Kanäle in ihrem täglichen Leben spielen. Befragt werden rund 2500 Schweizerinnen und Schweizer im Alter von 18 bis 65 Jahren. Der Erhebungszeitraum war vom 31. August bis 14. Oktober 2023. (pd/cbe)
Der ganze Media Use Index kann kostenpflichtig hier heruntergeladen werden.