19.11.2020

Serie zum Coronavirus

«Die Medien boten teilweise eine peinliche Leistung»

Folge 139: Mit Betrieben wie der Rüsterei oder dem Zermatt Unpplugged leidet der Unternehmer Thomas Sterchi stark unter den Folgen der Pandemie. Im Interview kritisiert er boulevardeske Onlinemedien und lobt SRF.
Serie zum Coronavirus: «Die Medien boten teilweise eine peinliche Leistung»
«Die Medien sind aus meiner Sicht ganz klar Teil des Problems und nicht Teil der Lösung dieser Krise», Unternehmer und jobs.ch-Gründer Thomas Sterchi. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Sterchi, mit Ihrer Holding Tom Talent verkaufen Sie TV-, Internet- und Auto-Abos, Kinotickets und Stellenanzeigen, betreiben Restaurants und veranstalten das Zermatt Unplugged. Welche Auswirkungen hat die Krise auf Ihr Unternehmen?
Direkt am meisten betroffen von der Krise sind unser Restaurant Rüsterei und das Zermatt Unplugged, welches im April 2020 abgesagt werden musste. Aber auch unsere Business Cases in den Bereichen Recruiting und Werbung leiden natürlich – konjunkturbedingt.

Gibt es auch Bereiche, die in diesen ungewöhnlichen Zeiten funktionieren?
In unserer Gruppe erleiden wir in jeder Sparte einen Einbruch zwischen 20 bis 60 Prozent.

Wie wird das Jahr 2020 für Sie wirtschaftlich enden? Werden Sie Abstriche vornehmen müssen?
Wir haben im Sommer bereits Korrekturen vorgenommen und gehen davon aus, dass wir so über die Runden kommen. Persönlich bin ich wohl ungefähr im Umfang von netto 8 bis 9 Millionen Franken betroffen durch diese Krise.

Wie beurteilen Sie die Politik des Bundesrates während dieser Pandemie?
Mir schien unsere Regierung und das BAG sehr unvorbereitet. Das hat mich überrascht. Unter dem Druck unserer Boulevardmedien und angesichts der Geschehnisse in Norditalien wurde vielleicht ein bisschen überreagiert im März. Das sagt sich aber im Nachhinein leicht. Beeindruckt hat mich die Konzeption und effiziente Umsetzung der ersten wirtschaftlichen Hilfspakete. Für den Sommer hätte ich mir einen strategischen Fokus auf Schutz und Unterstützung von Pflegepersonal und Risikogruppen gewünscht. Aktuell beweisen die Bundes- und die Zürcher Regierung Augenmass und sie scheinen auch andere Aspekte als nur «epidemiologische» zu berücksichtigen. Das braucht Mut und schafft wieder Vertrauen. Es gibt ja nicht nur Corona, sondern auch ganz massive Nebenwirkungen je nach Massnahme – im gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich. Wir sollten ja nicht gerade das Kind mit dem Bade ausschütten! Allerdings gelingt es dem Bundesrat wohl nicht, die unheilige Eigendynamik der «Taskforce» unter Kontrolle zu bringen, die ja hauptsächlich durch Fehlprognosen und alarmistische Einzel-Wortmeldungen – zu denen die Medien nur allzu gerne Hand bieten – in Erscheinung tritt. Da kann man wirklich von einer unglücklichen Verkettung von Ereignissen, Interessen und Eitelkeiten sprechen.

Fühlen Sie sich durch die Medien gut informiert?
Ich bin positiv überrascht, wie sachlich und ausgewogen SRF berichtet. Jedoch die reichweitenstärksten und meinungsbildenden Boulevard-Onlinemedien, wie Blick.ch, 20min.ch und auch teilweise tagesanzeiger.ch, erbringen eine peinliche und erbärmliche Leistung. Es wird nur sehr einseitig und tendenziös berichtet. Es gibt gelegentlich nützliche und hilfreiche Informationen jedoch überwiegen Panikmache und alarmistischer Sensationsjournalismus. Alle Kritischen und Andersdenkenden werden als Leugner, Ignoranten oder Verschwörungstheorethiker verunglimpft. Das darf nicht sein. Die Medien sollten – gerade in Krisenzeiten – die freie Meinungsäusserung hochhalten, differenziert agieren und den Diskurs fördern. Alles andere ist verantwortungslos. Die Medien – bzw. ihr publizistisches Vorgehen – sind aus meiner Sicht ganz klar Teil des Problems und nicht Teil der Lösung dieser Krise.

Nun sind Sie auch viel in Portugal. Wie geht man dort mit Corona um?
Ähnlich wie bei uns, mit dem Unterschied, dass die Regierung dort autoritärer und bestimmender auftritt. Das finde ich persönlich – als freiheitsliebender Mensch – nicht per se positiv. Die Regierenden haben in der aktuellen Zeit mit «hartem Durchgreifen» nichts zu fürchten: Solange die Mainstream-Medien Panik schüren, können vielen eingeschüchterten Bürgerinnen und Bürgern die Massnahmen und deren Umsetzung nicht streng genug sein. Langsam macht sich aber auch in Portugal eine gewisse Medien- und Corona-Müdigkeit bemerkbar und für viele geht es um die Existenz. Meine Farm Terramay ist im sehr dünn besiedelten Alentejo-Gebiet – da lebt es sich recht sorglos im Hinblick auf Corona.

Noch ein Wort zum Zermatt Unplugged. Ist dies für 2021 geplant?
Wir planen für 2021 «Spring Weekends und Summer Weekends» – kleinere Konzertreihen in verschieden Locations Outdoor und Indoor im April und im Sommer. Das Ganze mit sehr beschränkter Kapazität und den entsprechenden Schutzmassnahmen. Das nächste Zermatt Unplugged findet vom 5. bis 9. April 2022 statt. Live-Musik muss langsam wieder auferstehen. Man kann ja akzeptieren, dass aus wichtigen Gründen eine Zeit lang so viel Herzerwärmendes abgewürgt wird – aber irgendwann zählt diese Aufteilung in «systemrelevant» und «irrelevant» nicht mehr. Was macht denn das Leben aus? Hauptsache wir werden sehr alt und niemand stirbt?

Wie ist die Stimmungslage im Wallis, wo momentan ein vollständiger Lockdown besteht?
In meinem Umfeld in Zermatt sind die Leute entspannt, nehmen die aktuellen Richtlinien und Massnahmen ernst und hoffen, dass es doch noch ein guter Winter wird. In Zermatt sind die Hotels und Ferienwohnungen insbesondere über die Wochenenden aktuell sehr gut belegt.

Sie sind bekannt durch Ihre visionären Projekte wie jobs.ch. Inwiefern wird Corona unser Leben und unseren Alltag langfristig verändern?
Was die Wirtschaft anbetrifft, so werden die Starken noch Stärker; die internationalen digitalen Monopolisten und Pharma gehören sicher zu den grossen Gewinnern. Was das für unsere Zukunft bedeutet, kann sich jede/r selbst ausmalen. Der Strukturwandel wurde massiv beschleunigt. Das ist in der Schweiz sicher nicht für alle nur gut – vor allem nicht im Medienbereich. Gleichzeitig kann aus Zerbrochenem auch wieder Neues entstehen und ich hoffe auf Aufbruchstimmung – nicht einfach «back to normal» und «back to the past», sondern «back to the future»: mehr qualitatives als nur quantitatives Wachstum. Und ich hoffe vor allem auf Aufschwung durch die «Green Economy». Einiges Vertrauen in Regierung und Medien ist zerbrochen, das muss gekittet werden. Andersdenkende müssen wieder integriert werden; die Mehrheit hat ja bekanntlich nicht zwingend recht. Wichtig ist, dass alle positiv und konstruktiv bleiben und dass man in keine Richtung die Fronten verhärtet.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Monate?
Ganz ehrlich: Am meisten geprägt und erschüttert hat mich in den letzten Monaten tatsächlich die unaufhörliche Angstmacherei durch unsere Mainstream-Medien. Die lukrativste Einnahmequelle der beiden grössten Medienhäuser der Schweiz ist die Firma, die ich gegründet habe. Ich bin so beschämt und enttäuscht über deren publizistische Leitung. Der Blick hat letzten Dienstag mit einer Frontpage-Headline dem ganzen Desaster noch die Krone aufgesetzt: «Forscher schlagen Alarm – Hundebesitzer haben 78 Prozent höheres Corona-Risiko!» Hand aufs Herz – was soll das?


Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com regelmässig eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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