Herr Rosa, Gadget hat mit den beiden Taylor-Swift-Konzerten im Zürcher Letzigrund zweifellos den Popevent des Jahres lanciert. Damit ist Ihr Jahr gerettet …
Oliver Rosa: (Lacht.) Ist das eine Frage? Nein, im Ernst, es war wirklich eine ganz grosse Sache, Taylor Swift ist schliesslich der grösste Popstar der Welt.
In der Liga von Elvis?
Rosa: Solche Vergleiche sind immer schwierig. Aber Taylor Swift ist bereits ein Monument der Popgeschichte, sie ist ein Zeitgeistphänomen. Es war das erste Mal, dass sie die Schweiz besuchte und dabei gleich zwei Konzerte gab. Für uns als Veranstalter war dies eine sehr grosse Herausforderung, doch natürlich auch ein Privileg. Wir waren froh, dass wir die Shows problemlos über die Runden brachten. Es waren allerdings zwei anspruchsvolle Tage für das ganze Team.
Wie viele Male hätte man das Letzigrund nochmals füllen können?
Eric Kramer: Schwierig zu sagen. Sicher zwei- bis dreimal.
Gab es keine Option, es zu verlängern?
Kramer: Nein. Wir hatten die Möglichkeit, zwei Shows durchzuführen, eine weitere Option gab es nicht.
Sie haben sehr viele Konzerte in den vergangenen 30 Jahren erlebt. Welchen Stellenwert nimmt Taylor Swift ein?
Kramer: So etwas wie Taylor Swift habe ich noch nie erlebt, sowohl vom Aufwand her als auch vom Publikumsinteresse. Die Fankultur und der damit verbundene Hype waren unglaublich. Allein der Merchandise-Verkauf auf dem Turbinenplatz, bei dem die Fanartikel mit zwei Trucks angeliefert wurden und wo die Fans zwei Tage ausharrten, sprengte jegliche Dimensionen.
Wie viel kann ein Schweizer Veranstalter bei einem solchen Grossevent überhaupt noch selber beeinflussen?
Kramer: Bei einer solchen Veranstaltung wird einem vom ausländischen Management sehr viel vorgeschrieben, was unsere Gestaltungsmöglichkeiten entsprechend einschränkt. Man muss sich vorstellen: Während einer solchen Welttournee reist der ganze Tross praktisch jeden Tag in eine andere Stadt. Dazu benötigt man eine enorme Organisation.
Wie viele Leute sind während eines solchen Konzertes involviert?
Kramer: Zwischen 200 und 300.
«Wir waren damals Anfang 20 und benötigten noch nicht so viel Geld»
Blenden wir zurück: Wie kamen Sie 1994 dazu, Gadget, heute die grösste Konzertagentur des Landes, zu gründen?
Kramer: Mein ehemaliger Geschäftspartner und Freund Alon Renner und ich organisierten während unserer gemeinsamen Schulzeit an der Kantonsschule Enge erstmals kleinere Events. Nach der Matura hatte ich keine Lust, an die Uni zu gehen, sondern wollte im Eventbusiness Fuss fassen. Da wir aus unserem Umfeld einige Schülerbands kannten, begannen wir, das Ganze zu professionalisieren, und veranstalteten für diese erste Konzerte. Parallel dazu organisierten wir einen Kulturumzug durch die Stadt Zürich, an dem diverse Kulturinstitutionen wie Katakomben, Palais X-tra, Schauspiel- oder Opernhaus teilnahmen und Ausschnitte ihres Programms auf der Strasse zeigten. Der Umzug endete auf dem Bürkliplatz, wo es ein kleines Festival gab. Unser Kulturumzug startete im selben Jahr wie die Street Parade, entwickelte sich aber bekanntlich nicht gleich stark. Für uns war das ein guter Start, der uns viele Türen öffnete. Wir begannen, mit Schweizer Acts wie Lovebugs, Lunik und Subzonic zu arbeiten. Es war auch die Zeit, als der Musiksender Viva startete. Später haben wir deutsche Bands angefragt, ob sie einmal in der Schweiz auftreten wollen. So hat sich das Ganze nach und nach entwickelt.
Ab welchem Moment konnte man davon leben?
Kramer: Das war ein fliessender Übergang. Wir waren damals Anfang 20 und benötigten noch nicht so viel Geld. Aber irgendwann wurde das Ganze aufwendiger, sodass wir auch unsere Geschäftsstruktur anpassen mussten.
Wenn Sie auf die letzten 30 Jahre zurückblicken, was waren für Sie Höhe- und möglicherweise Tiefpunkte?
Rosa: Höhepunkte waren sicher die Erfolge mit unseren Schweizer, aber auch internationalen Acts, deren Karriere wir von Anfang an begleiteten. Wir haben eben gerade eine Stadionshow mit Imagine Dragons im Letzigrund für 2025 ausverkauft und machen nun noch eine Zusatzshow. Zum ersten Mal veranstalteten wir die Band 2013 im Papiersaal in Zürich. Das ist schon verrückt. Im Heimmarkt begann unsere Zusammenarbeit mit Pegasus, als sie einen Talentwettbewerb beim früheren Radio DRS 3 gewannen. Mit Stress haben wir begonnen, als er Double Pact verliess. Beide gehören heute zu den erfolgreichsten Acts der Schweiz. Hecht sahen wir erstmals im La Catrina im Zürcher Kreis 4, als sie vor 30 Leuten auftraten. Heute füllen sie das Hallenstadion.
Kramer: Bewusst wurde uns das zuletzt wieder bei Baschi, dem wir kürzlich ein Jubiläumskonzert auf dem Dorfplatz seiner Heimatgemeinde Gelterkinden «schenken» konnten. Dieses fand direkt vor dem Coiffeursalon statt, den seine Eltern betrieben, mit 4000 Fans. Baschi sagte beim Konzert, dass er eigentlich die berühmte dritte Generation gewesen sei, die das Geschäft übernehmen sollte. Er habe sich aber entschieden, Rockstar zu werden. Das waren 20 Jahre harte Arbeit.
«Wir hatten noch nie so eine erfolgreiche Zeit mit Stress wie heute»
Die NZZ am Sonntag hat Stress als Auslaufmodell bezeichnet …
Kramer: Meine Antwort wäre eine andere. Wir hatten noch nie so eine erfolgreiche Zeit mit Stress wie heute. Letztes Jahr ist eine Autobiografie erschienen, die auf sehr grosse Beachtung stiess. Zudem konnte er das weltweit erste französischsprachige MTV-unplugged-Konzert spielen, das es je gab. So etwas gehört zum Höchsten und Besten, was einem Schweizer Künstler passieren kann. Nein, diese Aussage ist wirklich falsch.
Rosa: Würden wir uns ausschliesslich auf die Medienberichterstattung verlassen, würden viele Karrieren nicht mehr existieren. Manche Künstler werden hoch-, andere niedergeschrieben. Die Realität findet nicht in den Medien, sondern auf der Bühne statt.
Was werden 2025 die Höhepunkte? Taylor Swift zu toppen, dürfte schwierig werden …
Rosa: Wir haben bereits einige vielversprechende Veranstaltungen annonciert und grosse Releases mit unseren Schweizer Künstlerinnen und Künstlern vor uns. Und neue Talente, wie die Bünder Rapperin Gigi, die auch bei der nächsten Staffel von «Sing meinen Song» mitwirken wird, treten ins Rampenlicht.
Kramer: Wir freuen uns auch auf die nächste Festivalsaison! Unser Flaggschiff, das Open Air St. Gallen, war dieses Jahr erneut ausverkauft, das schafft Vertrauen. Letztendlich haben wir das grosse Privileg, in einem Umfeld tätig zu sein, das uns immer wieder überrascht und uns nach wie vor viel Spass macht.
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01.11.2024 04:07 Uhr