31.08.2023

CS-Krise

«Die Zockerbank hat die Behörden überfordert»

Die Credit Suisse wird von der UBS vollständig geschluckt. Dies wurde am Donnerstag bekannt. In diesen Tagen erschien das Buch «Zu hart am Wind: Warum die Credit Suisse untergehen musste» von Dirk Schütz. Der Bilanz-Chefredaktor mit Details zu seiner Recherche.
CS-Krise: «Die Zockerbank hat die Behörden überfordert»
Niedergang der Credit Suisse: Dirk Schütz, Chefredaktor der Wirtschaftszeitung Bilanz, legt einen Insider-Bericht über die Bank vor. (Bilder: zVg)

Herr Schütz, Sie haben rechtzeitig zum Ende der CS ein Buch mit dem Titel «Zu hart am Wind» publiziert. Kann man bereits ein abschliessendes Urteil über das Scheitern der Grossbank ziehen?
Sicher war es eine Vielzahl von Faktoren, die zum Untergang beigetragen haben. Am Paradeplatz war ja denn auch direkt nach dem Ende die These vom «Death by a thousand cuts» häufig zu hören. Einig sind sich aber fast alle Beteiligten: Es war der Doppelunfall mit den Milliardenverlusten bei Greensill und Archegos im Frühjahr 2021, der die Bank auf eine abschüssige Bahn geführt und sie zur schwächsten Grossbank des Finanzsystems gemacht hat. Und dafür war die Schwächung der Risikokontrollen unter dem CEO Tidjane Thiam und dem Präsidenten Urs Rohner verantwortlich. In dem Buch terminiere ich deshalb den Anfang vom Ende deutlich: Der 21. Oktober 2015, als Thiam seinen neuen Plan vorgestellt hat. Da merkten auch die Konkurrenten, inklusive der UBS, dass bei der CS etwas falsch läuft.

Der Untertitel Ihres Buches lautet «Warum die Credit Suisse untergehen musste». War dies zwingend oder hätte es noch Lösungsmöglichkeiten gegeben?
Die Notübernahme durch die UBS war schon früher unter den drei Behörden Finanzdepartment, Schweizerische Nationalbank SNB und Finma die bevorzugte Variante. Das wurde bereits im November 2022 beiden Bankspitzen mitgeteilt. Einzige Alternative wäre die Verstaatlichung gewesen, und die Behörden hatten sie an dem entscheidenden März-Wochenende auch in der Hinterhand. Doch niemand wollte sie wirklich.

Wer ist für Sie der Hauptschuldige am Untergang der Bank?
Wie gesagt: Für die Schwächung der Risikokontrollen war der CEO Thiam verantwortlich, und Rohner hatte ihn eingesetzt und liess es geschehen. Nach diesen Unfällen geriet die Bank in einen Abwärtsstrudel, und das war für alle Führungsverantwortlichen mindestens eine Nummer zu gross: Thomas Gottstein, Ulrich Körner, Axel Lehmann. Beim zweiten Bankrun innerhalb von sechs Monaten war die Situation dann im März nicht mehr zu kontrollieren.

Heiss diskutiert wird momentan die Rolle des ehemaligen Finanzministers Ueli Maurer. Hat er zu lange gezögert, wie ihm vorgeworfen wurde?
Ich sehe seine Rolle nicht so negativ, wie sie jetzt mancherorts dargestellt wird, auch wenn er sicher nicht geglänzt hat. Dass er seinen Abschied kurz vor Ausbruch der Krise bekannt gegeben hat, war nicht hilfreich, und am Ende betätigte auch er sich als Schönredner. Aber das Schweizer System ist eben auf Machtverteilung angelegt, auch der Finanzminister kann weder SNB noch Finma operative Weisungen erteilen. Und zusammen mit SNB-Chef Jordan hat er schon früh die UBS-Lösung hinter den Kulissen aufgegleist.

Hätte die Politik nicht früher intervenieren müssen?
Dann hätte sie eine teilweise oder vollkommene Verstaatlichung anordnen müssen. Davor schreckten die Verantwortlichen zurück, und das kann ich verstehen. Die Versäumnisse gehen weiter zurück. Wie kann es sein, dass die CS über Jahre ein derart mangelhaftes Risikomanagement betreiben kann? Die Zockerbank CS hat die Behörden schon lange überfordert.

Sie haben das Buch in Kürzestzeit geschrieben. Wo stellten sich bei Ihnen die grössten Herausforderungen?
Mein Vorteil war, dass ich die Bank schon sehr lange kannte – die erste Titelstory bei Bilanz zur CS habe ich 1996 geschrieben. Die grösste Herausforderung war der rollierende Schreibprozess: noch recherchieren und schon schreiben. Und ich musste das nebenbei machen, meine Hauptaufgabe ist die Leitung der Bilanz-Redaktion. Aber ich hatte bei Bilanz ja schon das Buch zur letzten Bankenfusion geschrieben: «Der Fall der UBS». Das musste damals auch sehr schnell gehen, auch ein Buch hat ein Timing. Und jetzt eben wieder. War eine grosse Herausforderung, die aber auch Spass gemacht hat.



«Zu hart am Wind: Warum die Credit Suisse untergehen musste» von Dirk Schütz ist in der Beobachter-Edition erschienen.


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KOMMENTARE

Werner Furrer
01.09.2023 12:23 Uhr
So weit erkennbar, hat die schweizerische Finanzmarkt-Aufsicht im Bezug auf die Mechanismen des Finanzmarkts kaum angemessen interveniert. Die Frage ist jedoch, ob die schweizerische Gesetzgebung überhaupt eine sachgemässe Aufsicht zulässt oder wie eine solche aussehen müsste.
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