07.04.2020

Serie zum Coronavirus

«Ein solches Virus hat die Welt noch nie gesehen»

Im Teil 17 unserer Serie: Beat Glogger ist einer der bekanntesten Wissenschaftsjournalisten der Schweiz. Jetzt hat er viel mehr Zeit.
Serie zum Coronavirus: «Ein solches Virus hat die Welt noch nie gesehen»
«Dass man nicht dauernd irgendwo hinfahren muss für kurze Besprechungen, hat etwas Ruhe in mein Leben gebracht», sagt Glogger zu persoenlich.com. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Glogger, wie fest beeinträchtigt Corona Ihren persönlichen Alltag als Wissenschaftsjournalist und wenn ja, wo?
Eigentlich beeinträchtigt es mich recht gering. Im Gegenteil: Dass man nicht dauernd irgendwo hinfahren muss für kurze Besprechungen, hat etwas Ruhe in mein Leben gebracht. Ich überlege, wie ich davon ein Stück in die «Zeit danach» mitnehmen kann. Home-Office ist für mich nichts Aussergewöhnliches. Wenn ich längere Texte schreibe – ob journalistisch oder fiktional – arbeite ich seit vielen Jahren schon zu Hause.

Welche Massnahmen haben Sie in dieser schwierigen Situation getroffen?
Meine Redaktion arbeitet seit drei Wochen im Homeoffice. Das haben wir aus wissenschaftlicher Sicht entschieden, noch vor dem Lockdown. Was schwieriger ist, sind Team- und Führungsprozesse. Eine Video-Redaktionssitzung lässt sich natürlich organisieren, auch wenn dies etwas Gewöhnung brauchte. Aber ich bin ein Chef, der stark horizontal führt, das heisst ich gehe gerne persönlich auf meine Mitarbeitenden ein. Dies ist per Video-Chat schwierig möglich. Es fehlen der Schwatz, der Pausenkaffee, all die informellen Dinge, die das Zusammenleben und  -arbeiten einfacher machen. Zwar haben wir während des Lockdowns auch schon zusammen ein Feierabendbier getrunken. Aber mit dem Bier vor dem Bildschirm sitzen, finde ich weniger gemütlich als in einem Pub. 

Wie gestalten Sie Ihren Alltag?
Ich habe deutlich mehr Zeit, weil ich weniger Zug fahre. Aber ich arbeite deutlich mehr – zurzeit wohl um die 60 Stunden die Woche. Dies, weil Corona mich rund um die Uhr und auch am Wochenende beschäftigt. Der Podcast auf Radio 1 fordert ziemlich. Trotzdem geht es mir insgesamt aber gut. Ich gehe öfter joggen und gönne mir dann und wann sogar ein kurzes Nickerchen über Mittag. 

Man hört momentan unterschiedliche Versionen über die Wirkung von Corona. Wie gefährlich ist der Virus wirklich?
Die Gefährlichkeit des Virus ist der grosse Irrtum in dieser Epidemie, und er ist auch die Grundlage vieler «alternativer» oder «Verschwörungstheorien». Niemand hat je behauptet, das Virus sei extrem gefährlich. Bezüglich der Ansteckungsgeschwindigkeit und der Sterblichkeit liegt es irgendwo zwischen Grippe und Masern. Aber: Es ist ein neues Virus, das die Menschheit noch nie gesehen hat. Niemand ist immun, jede Person kann infiziert werden. So kann das Virus sich ungehindert ausbreiten. Und auch wenn nur zirka zehn Prozent der Infizierten in Intensivpflege müssen, überfordert das die Gesundheitssysteme. In Italien, Spanien und New York schneller als in der Schweiz, weil unser Gesundheitssystem recht gut ist. Wenn wir die Rate aber nicht unter eine Ansteckung pro infizierte Person bringen, geht die Epidemie weiter. Das hat zum Beispiel die Politik nicht begriffen, wenn sie jetzt schon wieder Lockerungen der Massnahmen fordert. Die Schulen wieder zu öffnen wäre fatal. Wir müssen unter den Faktor 1. Und das ist, solange es keine Impfung gibt, nur mit Social Distancing möglich, sonst geht es weiter.


Beat Glogger ist jeden Tag um 16 Uhr auf Radio 1 im Gespräch mit Chefredaktor Jan Vontobel zu hören. Die Sendung ist als Podcast auf spotify und den Seiten von Radio 1 und Higgs abrufbar. 

Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier. 



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240425